Michael Lohscheller, Chef des zum französischen PSA-Konzern gehörenden Autoherstellers Opel, erklärte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen, wie er Opel nach fast zwei Jahrzehnten mit Verlusten wieder in die schwarzen Zahlen geführt hat, welche Rolle Elektroautos für die Zukunft des Herstellers spielen und wie es mit der Idee eines rein elektrischen Manta aussieht.
„Opel hat eine schwere Zeit mit 18 Verlustjahren hinter sich“, sagt Lohscheller. Man werde „wohl kaum ein Unternehmen in Deutschland finden, das eine vergleichbare Bilanz vorweisen kann.“ Erst nach dem Abschied von General Motors nach fast 90 Jahren Partnerschaft und der neuen Konzernmutter PSA im Rücken hat sich das Blatt endlich gewendet: „Das macht uns glücklich. Opel ist wieder ein kerngesundes Unternehmen“, sagt Lohscheller, der seinen Dank dafür an die ganze Opel-Mannschaft richtet.
PSA-Chef Carlos Tavares habe bei der Übernahme „etwas sehr Gutes gemacht, in dem er uns 100 Tage Zeit gab, einen Plan zu entwickeln, um Opel zu drehen“, erklärt Lohscheller den Beginn des Aufschwungs. „Unsere Botschaft war: Die Opel-Mannschaft macht das selbst und niemand anderes“. Mit dem innerhalb des Unternehmens gemeinsam entwickelten Plan, „Pace!“ genannt, sei Opel „nachhaltig profitabel geworden und auf einem guten Weg, elektrisch und global zu werden“. Die Opel-Mannschaft habe also Opel gedreht, so Lohscheller, und keine externen Berater, wie es sonst meist üblich ist: „Früher haben uns Berater gesagt, ihr müsst dies machen, ihr müsst jenes machen, ihr müsst euch an dem einen oder anderen Wettbewerber messen. Das hat alles nicht funktioniert.“
Nun könne Opel „zum ersten Mal seit 1997 den Beschäftigten auch wieder eine Prämie von 600 Euro“ auszahlen. „Da waren viele verblüfft.“ Der Rettungsplan sei „sehr einfach“ gewesen, wie Lohscheller sagt: „Wir haben beschlossen, unprofitable Geschäfte aufzugeben und die Komplexität unserer Fahrzeuge zu verringern. Wir haben also etwa beschlossen, dass wir nicht weit über 20 verschiedene Lenkräder brauchen, es reichen auch acht oder neun.“ Mit Maßnahmen wie diesen konnte der Umsatz pro Fahrzeug in Deutschland „im Schnitt um 1400 Euro deutlich verbessert“ werden.
„Wir können jetzt auch wieder kräftig investieren“
Allerdings musste dafür in Deutschland die Beschäftigung „spürbar“ reduziert werden, von gut 19.000 auf weniger als 15.000. „Wir konnten nach 18 Jahren Verlusten nicht einfach so weitermachen, sonst wäre Opel irgendwann verschwunden“, erklärt Lohscheller die Notwendigkeit dafür. Die Rettung sei nur mit weniger Mitarbeitern möglich gewesen. „Aber wir haben auch Wort gehalten und kein Werk geschlossen und keine betriebsbedingten Kündigungen vorgenommen. Stellen haben wir bisher über Vorruhestand oder Abfindungen abgebaut.“ Diese Regelungen seien „für die Beschäftigten sehr attraktiv“ gewesen, Opel habe „hier viel Geld in die Hand genommen“. Im Gegenzug konnte Opel „zehntausende Arbeitsplätze“ sichern – „nicht nur bei Opel, sondern auch bei Lieferanten und im Handel.“
Nun könne Opel „auch wieder kräftig investieren, etwa in unsere Werke Rüsselsheim und Eisenach. In Kaiserslautern sollen 2000 neue Arbeitsplätze entstehen, wenn unsere Batteriezellenfabrik dort fertig ist.“ Allein in letztere sollen gemeinsam mit Partnern wie dem PSA-Konzern sowie dem französischen Batteriezellen-Experten Saft gut zwei Milliarden Euro fließen. Frankreichs Staatspräsident Macron nenne das Vorhaben zurecht ein „Airbus der Batterie“, schließlich entstehe „ja auch noch ein Batteriezellenwerk in Frankreich.“
Die Notwendigkeit hierfür sei gegeben: „Wir müssen in Europa Batteriezellen selbst herstellen und den Rückstand gegenüber den Asiaten aufholen. Was Airbus mit Flugzeugen geschafft hat, müssen wir mit Batteriezellen schaffen“, sagt Lohscheller. Allein Kaiserslautern könne „jährlich Batteriezellen für 500.000 Elektro-Fahrzeuge liefern. Das kann nur ein europäischer Champion.“
„Wir wollen hunderttausende von Elektroautos verkaufen“
Deutschland müsse allerdings noch „enorme Anstrengungen unternehmen“, damit die Elektromobilität ein Erfolg wird, etwa was die Ladeinfrastruktur für E-Auto betrifft. „Wir wollen hunderttausende von Elektroautos verkaufen“, sagt Lohscheller, deshalb „muss das jetzt schnell gehen mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur.“
Die Zusammenarbeit mit dem neuen Eigner PSA funktioniere bestens, sagt Lohscheller: „Paris ist uns näher, als es Detroit jemals war – nicht nur geografisch“, so der Opel-Chef. Zum Beispiel seien die kulturellen Unterschiede geringer. Außerdem habe Opel gemeinsame Plattformen mit PSA. „Und die Franzosen lassen uns mehr Freiheiten“, dem Designteam in Rüsselsheim und dem Management rede beim Opel-Design „keiner rein. Nur wir können verstehen, für was die deutsche Marke Opel steht. Dafür kaufen wir gemeinsam Teile ein, was deutlich die Kosten senkt“, so Lohscheller.
Außerdem könne Opel nun stärker ins Ausland expandieren: „Das ist ein großer Vorteil und eine Riesen-Chance. Wir gehen jetzt in neue Märkte, wie Japan, Russland oder Kolumbien. Auch in Nordafrika haben wir unser Geschäft deutlich ausgeweitet. Und wir schauen uns den größten Automarkt der Welt, China, an.“ Opels Ziel sei „elektrisch, profitabel und global zu werden. All das machen wir nun. Wir liefern“, verspricht Lohscheller. Bis 2024 soll die gesamte Flotte „durchgehend elektrifiziert“ sein. Zwar lacht Lohscheller zunächst, als es um eine rein elektrische Wiederbelebung des Opel-Kultcoupés Manta geht, das dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert. Er deutet aber an, dass diese Manta-Idee Realität werden könnte, und bittet „um noch etwas Geduld.“
Quelle: Augsburger Allgemeine — Opel-Chef Lohscheller: „Wir haben Opel gerettet“