Der Togg T10X will nicht einfach nur ein weiteres Elektro-SUV auf dem Markt sein – das wäre dem Hersteller aus der Türkei zu banal. Er tritt an als „Smart Device“, als ein rollendes Endgerät, das sich nahtlos in das digitale Leben seiner Nutzer einfügt, wie der Hersteller zu verstehen gibt. Togg spricht selbstbewusst vom „dritten Lebensraum“ neben dem eigenen Zuhause und dem Büro, in dem Arbeiten, Entertainment und soziale Interaktion über die eigene Plattform „Trumore“ verschmelzen sollen. Ein hoher Anspruch für einen Debütanten, der sich nicht weniger vorgenommen hat, als die Mobilität auch in Europa neu zu definieren.
Doch wie viel von dieser digitalen Vision kommt tatsächlich auf dem Asphalt an? Um das herauszufinden, habe ich den Togg T10X dort getestet, wo er sich im deutschen Alltag bewähren muss: im heimischen Umfeld, fernab von Idealbedingungen und vordefinierten Routen. Damit stellt sich der E-SUV Fahrten im urbanen Raum, längeren Strecken auf der Landstraße bis zu schnellen Sprints auf der Autobahn. Die zentrale Frage dabei: Ist dieser Newcomer, der oft schon als „türkischer Tesla“ gehandelt wird, eine ernstzunehmende Alternative zu den etablierten Platzhirschen?

Zum Test trat die „Long Range“-Variante im rötlichen Farbton Anadolu an. Ausgestattet mit Heckantrieb, einer 88,5 kWh großen Batterie und Vollausstattung ruft Togg hierfür einen Preis von rund 47.000 Euro auf. Das ist durchaus eine Ansage – ein selbstbewusster Preis für eine noch junge Marke. Rechtfertigen will Togg dies nicht nur mit dem Design, das in Zusammenarbeit mit der italienischen Schmiede Pininfarina entstand, sondern vor allem mit einer üppigen Ausstattung und einer stattlichen WLTP-Reichweite von 523 Kilometern.
Design und Auftritt des Togg T10X: Der „Exoten-Bonus“ wirkt
Optisch trifft der Togg T10X definitiv einen Nerv. Das Design, das in Zusammenarbeit mit Pininfarina entstand, verbindet eine moderne, europäische Linienführung geschickt mit kulturellen Anklängen. Besonders charmant ist dabei der subtile Verweis auf die Herkunft: Die Tulpe, ein tief verwurzeltes Symbol Anatoliens, wurde modern interpretiert und findet sich als Stilelement im Kühlergrill, den Felgen und sogar im Interieur wieder. Auch die Lackierung meines Testwagens im rötlichen Ton „Anadolu“ greift die Farben der türkischen Geografie auf.

Dass dieses Konzept der „Identität durch Design“ aufgeht, merkte ich eindrücklich beim Ladestopp. Kaum angesteckt, wurde ich nicht nur allgemein auf das neue Auto angesprochen, sondern ganz konkret auf seine Herkunft: „Ist das nicht der Neue aus der Türkei?“ Die Neugier war dabei durchweg positiv gefärbt. Man spürte förmlich, dass die Leute es erfrischend finden, eine neue Marke zu sehen, die man noch nicht an jeder Straßenecke antrifft. Vor allem haben diejenigen, die die Marke noch nicht kannten, positiv aufgenommen, dass es sich nicht um die nächste chinesische Marke, sondern eine aus der „Nähe“ handelt.

Mit seinen Abmessungen sortiert sich der Stromer dabei selbstbewusst in die SUV-Mittelklasse ein. Mit einer Länge von 4,60 Metern, einer Breite von 1,89 Metern und einer Höhe von 1,68 Metern steht er satt auf der Straße. Entscheidend für die Passagiere ist jedoch der Radstand von 2,89 Metern. Dieser großzügige Achsabstand bestätigt das Versprechen von außen und sorgt im Innenraum für ein angenehm luftiges Raumgefühl mit viel Beinfreiheit, das auch längere Reisen komfortabel macht.



Doch wo viel Platz für die Beine ist, muss das Gepäck etwas zurückstecken: Mit einem Kofferraumvolumen von regulär ca. 441 Litern (erweiterbar auf 1515 Liter) bietet der Togg für seine Fahrzeuglänge nur Durchschnittskost. Zum Vergleich: Der selbst auserkorene direkte Konkurrent VW ID.4 schluckt mit über 540 Litern mehr weg.
Innenraum: Digitale Opulenz mit Tücken im Detail
Wer einsteigt, blickt zunächst auf eine schiere digitale Wand, die Eindruck schindet. Ein gewaltiger 29-Zoll-Multimedia-Screen zieht sich fast über die gesamte Breite und dominiert das Armaturenbrett, flankiert von einem 12,3-Zoll-Digitalinstrument für den Fahrer. Hier punktet der Togg: Die oberen drei eher rechts angeordneten Displays lassen sich individuell konfigurieren, was viel Spielraum für persönliche Vorlieben lässt.



Auch der Sitzkomfort überzeugt; auf den elektrisch verstellbaren Sitzen lassen sich auch längere Etappen entspannt bewältigen. Allerdings fällt im Alltag auf, dass unterhalb der Türgriffe viel Hartplastik dominiert und die unterschäumten Flächen etwas dünn wirken – hier klafft noch eine kleine Lücke zum erklärten Premium-Anspruch.




Der High-Tech-Anspruch stolpert bisweilen über die Usability. Ein bezeichnendes Beispiel ist das induktive Laden des Smartphones. Nicht nur, dass eine ersichtliche Anzeige fehlt, ob das Gerät in der Ladeschale nun tatsächlich Energie tankt oder nicht – die Funktion war ab Werk gar nicht aktiv. Ich musste mich erst durch diverse Untermenüs im System tippen, um die Ladeschale überhaupt erst freizuschalten. Solche verschachtelten Wege zur Aktivierung von Basisfunktionen trüben den intuitiven Zugang.
Ambition trifft auf Realität beim Thema Bedienung und Software
Die deutlichsten Schwächen offenbarten sich bei der Software – hier zeigt sich am stärksten, dass der Togg ein „Rolling Device“ ist, das beim Kunden weiterreifen muss. Der Hersteller geht hier einen mutigen Weg: Statt sich auf die bewährten Lösungen von Apple CarPlay oder Android Auto zu stützen, setzt Togg auf ein komplett eigenes Ökosystem.
Das Positive zuerst: Eine digitale Bühne, wenn das System läuft, zeigt es sein Potenzial. Die schiere Bildfläche ist beeindruckend. Besonders die Möglichkeit, die oberen drei Displays auf dem riesigen „Digital Cockpit“ individuell zu konfigurieren, ist ein Highlight. Beifahrer können so beispielsweise Unterhaltungsmedien steuern, ohne den Fahrer zu stören. Auch innovative Ansätze sind erkennbar: Die „AI Radio“-Funktion, die personalisierte Musikstreams per KI zusammenstellt, oder „ModeArt“, das digitale Kunstwerke ins Fahrzeug bringt, unterstreichen den Anspruch, ein „dritter Lebensraum“ zu sein. Apps wie YouTube lassen sich direkt über den „Tru.Store“ laden, was Ladepausen kurzweilig macht.



Die Kehrseite: Navigation und Ablenkung im Fahralltag schlägt die Realität jedoch Wellen in die schöne digitale Welt. Da die Smartphone-Spiegelung fehlt, ist man auf die Togg-eigene „Go.More Navigation“ angewiesen, die auf „Here Technologies“ basiert und auch Laderouten inklusive Reservierungsfunktion planen kann. Um es fair einzuordnen: Sie bringt einen meistens zuverlässig ans Ziel. In zwei konkreten Fällen jedoch, bei denen ich Google Maps zum Vergleich parallel auf dem Handy laufen ließ, wählte das Bordsystem eine abweichende Route, die sich aufgrund der Verkehrslage nachteilig auf die Fahrzeit auswirkte. Hier fehlt noch die letzte Raffinesse bei der Echtzeit-Verkehrsdatenverarbeitung im Vergleich zum Datenriesen Google.
Zudem erfolgt die Steuerung vieler Basisfunktionen – etwa der Klimaanlage – über ein tiefer liegendes 8-Zoll-Display. Das sieht schick aus, lenkt den Blick während der Fahrt aber deutlich von der Straße ab.



Noch nervenaufreibender waren die Bugs im Telefonie-System. Verbindungsabbrüche waren keine Seltenheit, und teilweise hörte ich mich beim Sprechen durch ein Echo selbst doppelt. Besonders kurios war ein Fehler nach einem beendeten Telefonat: Obwohl mein Smartphone ganz deutlich signalisierte, dass aufgelegt wurde, zeigte das Auto-Display das Gespräch weiterhin als „aktiv“ an. Für den Rest der Fahrt – immerhin über 35 Minuten – blieb dieser „Geister-Anruf“ im Display stehen und ließ sich nicht wegdrücken.
Hinzu kamen „Startschwierigkeiten“: Der Systemstart wirkt generell schwerfällig, und am zweiten Testtag begrüßte mich das Auto komplett auf Türkisch – erst ein Soft-Reset brachte die deutsche Sprache zurück. Das Deaktivieren der teils penetranten Warnhinweise (z.B. Spurhalteassistent) erfordert Schaltkombinationen an den Lenkradhebeln, was wenig intuitiv ist. Hat man diese aber für sich verinnerlicht, geht es recht gut von der Hand. Wenn man den daran denkt.
Ein Hoffnungsschimmer bleibt: Togg hat für Anfang 2026 ein OTA-Update (Over-the-Air) angekündigt, das viele dieser Kinderkrankheiten heilen und die Performance verbessern soll.
Fahreindruck des Togg T10X: Solider Cruiser mit Winter-Durst
Auf der Straße zeigt sich der Togg T10X von seiner komfortablen Seite. Das Fahrwerk bügelt Unebenheiten weg, und der Heckantrieb mit seinen 160 kW (218 PS) sorgt für einen ausreichenden Vortrieb, ohne dabei sportliche Ambitionen zu hegen. Das passt zum Charakter des Wagens, der eher als entspannter Begleiter denn als Kurvenräuber ausgelegt ist. Positiv fiel mir die Rekuperation auf: Sie lässt sich in drei Stufen einstellen und verzögert den Wagen bei Bedarf bis zum kompletten Stillstand, was das „One-Pedal-Driving“ im Stadtverkehr ermöglicht. Weniger harmonisch wirkte dagegen der Kriechmodus an der Ampel, der sich teils störrisch verhielt und im Alltag besser deaktiviert bleibt, um ein entspannteres Anfahren zu gewährleisten.

Ein Blick auf die Effizienzdaten nach meinen ausgiebigen Testrunden in und um Heidelberg offenbart ein gemischtes Bild. Insgesamt haben wir 504 Kilometer zurückgelegt. Bei meinem Testverbrauch von gut 25 kWh schmilzt die WLTP-Reichweite von 523 Kilometern in der Realität auf knappe 350 Kilometer zusammen. Für eine 88-kWh-Batterie ist das im Winter ein ernüchternder Wert, der häufigere Ladestopps erfordert als das Datenblatt verspricht. Auf den ersten Blick wirkt dieser Wert daher durchaus hoch, vor allem im Vergleich zur offiziellen WLTP-Angabe, die Togg mit 19,1 kWh/100 km beziffert.

Zur Ehrenrettung des Anatoliers muss man jedoch die Rahmenbedingungen in die Waagschale werfen: Wir waren bei winterlichen Temperaturen unterwegs, und für ein Elektro-SUV, das leer bereits knapp 2,2 Tonnen auf die Waage bringt, geht dieser Wert unter diesen Bedingungen noch in Ordnung. Ein Sparwunder ist der T10X im Winter jedoch nicht. Vor allem wenn man sich an die Höchstgeschwindigkeit von 185 km/h annähert.
Laden: Schnellkraft mit 22-kW-Überraschung (vorerst) ab Werk
Wenn der Akku leer ist, spielt der Togg eine seiner stärksten Karten aus – zumindest beim Wechselstrom-Laden (AC). Serienmäßig ist eigentlich ein 11-kW-Lader vorgesehen, der optional auf 22 kW aufgerüstet werden kann. In der aktuellen Auslieferungspraxis rollen die Fahrzeuge derzeit ausschließlich mit dem leistungsstärkeren 22-kW-On-Board-Charger zu den Kunden – eigentlich für aufpreispflichtige 750 Euro – aktuell sei dieser wohl serienmäßig vorgesehen.

Wann die schwächere 11-kW-Variante tatsächlich als Standard kommt, konnte man mir auf Nachfrage noch nicht beantworten. Für den Nutzer ist das ein echter Gewinn, da die Ladezeit an städtischen Säulen (insofern diese 22 kW unterstützen) so halbiert wird – ein „City-SUV“ im wahrsten Sinne des Wortes.
Auch am Schnelllader (DC) schlägt sich der Togg wacker. Die maximale Ladeleistung liegt bei ordentlichen 180 kW Peakladeleistung. Interessant ist hierbei die Kommunikation von Togg: Statt der üblichen 10 bis 80 Prozent gibt der Hersteller die Ladezeiten stets für das Fenster von 20 bis 80 Prozent an. Für diesen Ladehub benötigt der T10X an einer entsprechenden DC-Säule rund 28 Minuten. Offen gesprochen keine Konkurrenz zu den eingangs erwähnten Marktbegleitern, vor allem da wohl Peakladeleistung recht hoch ist, die Ladekurve aber schnell abzuflachen scheint.

Laut EVDatabase fällt von 10 auf 80 Prozent eine Ladezeit von rund 35 Minuten an. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 115 kW. Wer den großen 88,5-kWh-Akku hingegen an der heimischen Wallbox oder öffentlichen AC-Säule (mit 11 kW) von 10 auf 80 Prozent füllen möchte, muss laut Datenblatt etwa 9 Stunden und 15 Minuten einplanen. Am 22 kW-Lader werden 4 Stunden 45 Minuten fällig.
Preise und Ausstattung: Viel Auto für knapp 47.000 Euro
Ein Blick auf die Preisliste (Stand: Dezember 2025) ordnet den Togg T10X als selbstbewussten Herausforderer ein. Das von mir getestete Modell, der „Long Range“ mit Heckantrieb und der großen Batterie, startet mit einem Basispreis von 41.200 Euro. Um jedoch den Komfort- und Technikstand meines Testwagens zu erreichen, muss man in der Aufpreisliste einige Haken setzen. Die Rechnung summiert sich am Ende auf exakt 46.940 Euro. Dafür erhält man aber auch eine veritable Vollausstattung. Im Detail setzte sich mein Testwagen wie folgt zusammen:
- Für das Winter Package werden 750 Euro fällig.
- Das Smart Assist Package schlägt mit 500 Euro zu Buche.
- Wer den Innenraum optisch aufwerten möchte, zahlt für die cremefarbenen Sitze aus veganem Leder weitere 750 Euro.
- Technisch aufgerüstet wurde mit dem 22 kW AC On-Board Charger (750 Euro), der das Laden in der Stadt enorm beschleunigt.
- Für das luftige Raumgefühl sorgte das Panoramaglasdach für faire 1000 Euro, derselbe Aufpreis wird für das klangstarke Meridian Premium Sound System (1000 Euro) verlangt.
- Hinzu kommt für jedes Fahrzeug ein obligatorisches Starter Pack für 990 Euro.
Mit diesem Gesamtpreis von knapp 47.000 Euro positioniert sich der Togg je nach Betrachtungswinkel durchaus attraktiv. Zwar ist er kein Billigheimer, aber vergleicht man diese „Hütte voll“-Konfiguration mit ähnlich motorisierten und ausgestatteten Wettbewerbern findet er seine Interessenten.
Interessant war dabei auch das Feedback, das ich in Gesprächen während der Testphase erhielt: Einige Interessierte signalisierten, dass sie diesen Preis eher bereit sind für eine türkische Marke zu zahlen, als für einen Wettbewerber aus China. Die Marke Togg scheint hier – wohl auch durch die geografische Nähe zu Europa – einen Vertrauensvorschuss zu genießen, den viele asiatische Newcomer sich erst noch erarbeiten müssen.
Fazit zum Togg T10X: Charmanter Pionier mit digitalem Reifebedarf
Der Togg T10X hinterlässt nach dem Test einen ambivalenten, aber durchaus sympathischen Eindruck. Er ist ein Auto mit zwei Gesichtern: Hardwareseitig liefert der türkische Newcomer ein erstaunlich reifes Debüt ab. Das Design ist gefällig und eigenständig, das Platzangebot dank des üppigen Radstands überzeugend und der Fahrkomfort eines Reise-SUV würdig. Auch der „Exoten-Bonus“ wirkt: Der Togg wird als willkommene, geografisch nähere Alternative zur chinesischen Konkurrenz wahrgenommen.
Doch der Anspruch, ein „Smart Device“ zu sein, kollidiert im Alltag noch zu oft mit der Realität. Die Software wirkt unfertig. Ob fehlende Smartphone-Integration (CarPlay/Android Auto), „Geister-Anrufe“, Sprach-Wirrwarr oder eine teils umständliche Bedienung – hier merkt man deutlich, dass das Produkt beim Kunden reifen soll. Auch der Verbrauch im Winter und die lediglich durchschnittliche DC-Ladeleistung zeigen, dass Togg die Physik nicht neu erfunden hat.
Für wen ist dieses Auto also? Wer ein emotionales, geräumiges und preislich attraktives Elektro-SUV sucht und bereit ist, als „Early Adopter“ über Software-Macken hinwegzusehen (oder auf das Update 2026 zu warten), bekommt mit dem Togg T10X ein spannendes Paket. Wer jedoch ein perfekt geschliffenes digitales Ökosystem erwartet, wie es der Begriff „Smart Device“ suggeriert, sollte noch etwas Geduld mitbringen. Der Togg ist ein rollendes Versprechen auf die Zukunft – die Hardware stimmt, jetzt muss der „dritte Lebensraum“ nur noch softwareseitig bezugsfertig gemacht werden.
Disclaimer: Der Togg T10X wurde uns für diesen Testbericht kostenfrei für den Zeitraum von einer Woche von Togg zur Verfügung gestellt. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf unsere hier geschriebene ehrliche Meinung.







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