Fraunhofer rechnet 2030 mit 60 Prozent E-Auto-Quote bei Neuzulassungen

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Michael Neißendorfer
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Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat die E-Auto-Verkaufsziele der einzelnen Autohersteller und bereits umgesetzte sowie beschlossene politische Anreize untersucht, um daraus ein potenzielles Bild der zukünftigen Entwicklung der Verkaufszahlen von Elektroautos abzuleiten.

Politisch steht der Verbrenner zumindest mit fossilen Energieträgern wohl vor dem Aus. Nach aktuellem Plan der EU dürfen ab 2035 in Europa keine neuen neuen Pkw mit Verbrennungsmotoren für fossile Treibstoffe mehr neu zugelassen werden. Unter anderem dadurch motiviert, kommunizieren Hersteller ihren Ausstieg aus der Produktion von Verbrennerfahrzeugen.

Beispielsweise plant die BMW Gruppe nach eigener Aussage im Jahr 2030 weltweit den Absatz von mindestens 50 Prozent vollelektrischer Fahrzeuge. Porsche geht hier einen Schritt weiter und spricht von weltweit möglichen 80 Prozent bis 2030. Die 80-Prozent-Marke strebt auch Volkswagen bis 2030 an, allerdings nur für Europa. In den USA und China werden lediglich mehr als 50 Prozent bis 2030 erwartet.

Der 14-Marken-Konzern Stellantis will bis 2030 nur noch Elektroautos auf dem europäischen Markt anbieten, die einzelnen Hersteller der Gruppe teilweise sogar früher, Citroën und Opel etwa bereits ab 2028, Fiat schon ab 2027. Audi will die Produktion von Verbrennerfahrzeugen spätestens 2033 einstellen. Hyundai will bis 2030 insgesamt 16,5 Milliarden Euro in die Elektromobilität stecken, zum Ende des Jahrzehnts zu den Top 3 der Elektroauto-Hersteller gehören und ab 2035 eine reine E-Auto-Marke sein. Viele weitere Volumenhersteller haben sich weitere unterschiedlich ambitionierte Ziele hinsichtlich des Transfers hin zur Elektromobilität gesteckt.

Manche Hersteller rudern zurück

Bei all den Ankündigungen gibt es auch Negativbeispiele für die Entwicklung der Verkaufsziele von Herstellern. Ford hat beispielsweise das Ziel aufgekündigt, bis 2030 in Europa ausschließlich Elektroautos auf den Markt zu bringen. Auch Mercedes weichte die Ziele auf und will anstatt 100 Prozent E-Autos bis 2030 nur noch mindestens 50 Prozent reine E-Autos oder Plug-in-Hybride verkaufen. Aktualisierte Prognosen gab es auch bei Volvo und Toyota.

Auf politischer Ebene soll es neben den geplanten Zulassungsverboten ab 2035 in verschiedenen Großstädten in den kommenden Jahren auch grundsätzliche (Fahr-) Verbote für Verbrenner geben. In Stockholm werden bereits Ende 2024 Zonen errichtet, in denen nur lokal emissionsfreie Fahrzeuge fahren dürfen. Bis 2030 soll diese Zone auf den gesamten Innenstadtbereich ausgeweitet werden. In Kopenhagen wird sogar von einem Verbrennerverbot für das gesamte Stadtgebiet bis 2030 gesprochen, der endgültige Beschluss fehlt allerdings noch. Ähnliches gilt auch für Amsterdam. Die Stadt plant ab 2030 mit einer Umweltzone für lokal emissionsfreie Pkw, allerdings gibt es auch hier noch keine konkreten nationalen Regelungen.

Andere Städte wie Paris oder London planen mit einer Ultra Low Emission Zone und möglichen Mautgebühren oder deutlich höheren Parkgebühren für Verbrennerfahrzeuge. In Großbritannien werden ursprüngliche Verkaufsverbote von 2035 auf 2030 vorgezogen, Frankreich verhängt je nach CO2-Ausstoß mehr oder weniger hohe Zulassungssteuern für Verbrenner, die 2025 einmalig bis zu 70.000 Euro betragen. Aber auch außerhalb Europas gibt es Ankündigungen zu Einschränkungen von Verbrennerfahrzeugen: In Peking existiert beispielsweise eine Zulassungsbeschränkung, die genaue Vorgaben für die Neuzulassungen für Verbrennerfahrzeugen und NEVs (New Energy Vehicles) vorsieht.

In Zukunft können weitere Kosten wie die CO2-Steuer in Europa einen erheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Automarktes haben. Während 2024 der Preis pro Tonne CO2 noch bei 45 Euro liegt, könnte der Preis schon ab 2027 auf weit über 100 Euro pro Tonne CO2 ansteigen. Die Mehrkosten für Kraftstoffe werden somit in den kommenden Jahren größer. Hinzu kommen die CO2-Flottenziele für die Autohersteller, die ab 2025 von der EU erneut deutlich verschärft werden. Hersteller sollten erpicht sein, diese Ziele einzuhalten, da es bei Missachtung schnell zu hohen Strafzahlungen kommt.

Einen weiteren bisher nicht klar abschätzbaren Aspekt stellen die verhängten und zurzeit noch diskutierten Strafzölle der EU gegen E-Autos aus China dar. Viele Experten warnen vor negativen Konsequenzen, da günstige Modelle nun teurer werden und somit die Nachfrage für die entsprechenden Modelle sinken wird.

Die Frage, wie sich der Automarkt in den kommenden Jahren weiterentwickelt, ist also so spannend wie selten zuvor. Ausgehend vom Verkaufsjahr 2023 hat das Fraunhofer ISI anhand der Herstellerankündigungen eine Prognose bis zum Jahr 2030 bezüglich zukünftigen E-Auto-Verkaufszahlen in Europa erstellt.

Für die Analyse wurden insgesamt 31 Hersteller und ihre jeweiligen Ziele ausgewertet. Von jedem Hersteller wurden die Elektroauto-Verkaufszahlen für das Jahr 2023 ermittelt und mithilfe der Ziele eine Vorhersage bis 2030 erstellt. Im Anschluss wurde ein exponentieller Verlauf von den Verkaufszahlen aus dem Jahr 2023 hin zu den prognostizierten Verkaufszahlen im Jahr 2030 erstellt und die einzelnen Verläufe aufsummiert.

E-Auto-Hochlauf
Abgeschätzter Hochlauf der Verkaufszahlen von E-Autos in Europa bis 2030 anhand der von Herstellern gemachten Verkaufsziele. / Fraunhofer ISI

Bei den geplanten Zielen würden die 31 Hersteller auf summierte Verkaufszahlen in Höhe von mindestens acht Millionen Elektroautos pro Jahr kommen. Somit würde auch der Marktanteil von E-Autos in Europa von 15,4 Prozent auf knapp 60 Prozent im Jahr 2030 steigen. Die Referenzgröße für diese Anteile stellen die gesamten Pkw-Verkaufszahlen des Jahres 2023 dar.

Markt ist vielen Unsicherheiten ausgesetzt

Unsicherheiten im Modell bestehen laut Fraunhofer ISI dadurch, dass nicht alle Hersteller berücksichtigt werden konnten. Die Hochrechnung orientiert sich an Verkaufszahlen der Hersteller aus dem Jahr 2023, wobei besonders die asiatischen Hersteller oder auch Tesla in den kommenden Jahren die Präsenz auf dem europäischen Markt vergrößern wollen und teilweise Produktionskapazitäten in Europa aufbauen. Beispielsweise hat BYD angekündigt, bis 2026 in Europa 300.000 E-Autos und Plug-in-Hybride verkaufen zu wollen. Damit könnte sich die angenommenen gleichbleibenden Marktanteile der berücksichtigten Hersteller reduzieren.

Auf der anderen Seite bringen die chinesischen Hersteller insbesondere E-Autos auf den Markt, sodass sich die Elektro-Quote wiederum erhöhen könnte. Nicht sicher auszuschließen seien auch etwaige Aufkündigungen von Verkaufszielen insbesondere von großen Volumenherstellern, die den Hochlauf deutlich bremsen würden.

Neben den politischen Einflüssen gibt es wirtschaftliche Faktoren, die den Verlauf der künftigen Zulassungszahlen für Elektroautos verändern können. Von vielen Automobilherstellern gibt es beispielsweise Ankündigungen, in den kommenden Jahren günstige Modelle auf den Markt zu bringen. Das sorgt in der Zukunft für attraktivere Alternativen und könnte Marktanteile weiter anwachsen lassen. Außerdem spielen technologische Faktoren, wie beispielsweise die Verbesserung von Batterien, eine wichtige Rolle hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit von Elektroautos. Außerdem wird die Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden und Schnelllademöglichkeiten werden verbessert.

Ganzheitlich betrachtet zeigt sich dennoch ein sehr großes Entwicklungspotenzial in Bezug auf die Elektromobilität in Europa, wodurch es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer deutlichen Ausweitung der Marktanteile in den nächsten Jahren kommen wird, so das Fraunhofer ISI abschließend.

Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 24.10.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Stefan:

Oder die Preise werden sich je nach Auslastung größer unterscheiden. Sprit wird dann auf dem Land ggf. Einfach teurer. Oder die Tankstellen werden mit Schnellladeren ausgestattet um noch Kunden zu haben.
Wäre beides gut.

tuttut:

Hi Siedge,

„sobald der Fahrzeugbestand von e-Autos die 20% Schallmauer durchbrochen hat, kommen die Hälfte aller Tankstellen in die wirtschaftliche Todeszone“ hast du dazu eine Quelle?
Ich vermute das selbe schon lange und kann mir vorstelle das es auf den Dörfern recht schnell geht und die Verbrenner in die nächste Stadt zum tanken müssen.

brainDotExe:

Was ja prinzipiell kein Problem darstellt und auch nicht verwerflich ist.

Sledge:

Nächstes Jahr wird der BEV Anteil an den Neuzulassungen in Deutschland 25% betragen, ansonsten sind Strafzahlungen an die EU fällig, und das ist kein auf die Dauer tragfähiges Geschäftsmodell..2027 startet der ETS 2, und dann gilt folgender Spruch, Verbrenner fahren muss man sich leisten können. Da in Deutschland eh über 60% der Neuzulassungen auf gewerbliche Halter entfallen, werden wir uns schon vor 2030 den 60% BEV Anteil an den Neuzulassungen nähern. Und was ich erst heute gelernt habe, sobald der Fahrzeugbestand von e-Autos die 20% Schallmauer durchbrochen hat, kommen die Hälfte aller Tankstellen in die wirtschaftliche Todeszone. Das bedeutet, dass Verbrenner fahren nicht nur teurer als BEV fahren ist, sondern auch immer unbequemer wird.
Das heißt, wenn bestimmte Kipppunkte erreicht werden, geht es am Ende immer schneller.

Also meine Glaskugel sagt, dass die 60% bis 2030 locker zu erreichen sind.

Johannes:

Frankreich zeigt: nicht kleckern sondern klotzen. 70000€ Strafe für fahrende Stinkefinger sind schon eine Ansage. Proteste gibt es keine. Beim Rauchverbot sind auch viele hochgekocht, heute will kein Mensch mehr in verqualmten Kneipen sitzen.
Politischer Mut ist angesagt statt einschneidende Maßnahmen mit Verweis auf angebliche Proteste gar nicht erst anzugehen

Daniel W.:

Wo sind heute die vielen Gurtverweigerer? – als das Fahren ohne Gurt teuer wurde, waren die Argumente gegen den Gurt schnell vergessen.

Ähnlich sehe ich das bei E-Autos – sobald die Verbrenner durch Abgaben teurer werden, platzen die Verbrennerargumente wie Seifenblasen.

Rolando:

Das ist alles Glaskugelschauen und kann ganz anders aussehen wenn es ggf. eine Gesetzgebung wie in Norwegen gibt.

Silverbeard:

Ich rechne damit, das ein Großteil der 40% Verbrennerzulassungen der EU 2030 in Deutschland stattfinden werden.

Josef:

2030 ist in lediglich 5 Jahren…bis dahin haben auch die Chinesen keine Vertriebsstruktur mit Service aufgebaut, die den deutschen (europäischen) Herstellern den Großteil des Marktes abnehmen könnte…einige % Punkte die weh tun, ja, aber mehr NOCH nicht.

Mit Strafzahlungen erreicht man evtl. einige Menschen…die anderen reagieren mit Trotz und kaufen erst recht einen Verbrenner…und wählen dann noch entsprechend.

Das eAuto wird sich genau dann durchsetzen, wenn es mindestens 15 bis 20% billiger ist als der direkt vergleichbare Verbrenner…und keine Sekunde früher.
Vernünftige Argumente zählen rein gar nichts…nur das Geld zählt.

Daniel W.:

—–
Fraunhofer rechnet 2030 mit 60 Prozent E-Auto-Quote bei Neuzulassungen
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Die große Frage wird sein, ob bei den 60% E-Auto-Neuzulassungen auch deutsche Hersteller dabei sein werden und wenn ja, wie hoch deren Anteil ist.

Wenn die EU günstige E-Autos verteuert und die deutschen Hersteller keine günstigen E-Autos anbieten wollen, dann sind die 60% nur ein Wunschtraum.

Bei E-Autos ist es wie früher beim Sicherheitsgurt, mit Vernunft alleine kommt man da nicht weit, es muss „Strafzahlungen“ für den Verbrennerkauf geben.

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