Oliver Blume ist Vorstandsvorsitzender sowohl von Volkswagen als auch von Porsche. Dabei muss er gleich mehrere Interessen vertreten. Auf der einen Seite die eines Volumenherstellers mit Fokus auf die Elektromobilität, auf der anderen Seite die eines Sportwagenherstellers mit dem zusätzlichen Ziel, konventionell betriebenen Fahrzeugen noch ein langes Leben zu ermöglichen. Der Manager setzt also einerseits darauf, dass die EU ein Hintertürchen für synthetische Kraftstoffe offen lässt. Doch im Gespräch mit dem NDR sagt er auch, “dass die Elektromobilität dem Verbrennermotor in Kürze überlegen sein wird”. Ein Blick auf die aktuelle Lage.
In diesem Jahr feiert Porsche einen wichtigen Geburtstag: 60 Jahre 911. Eine lebende Legende, die bisweilen ausschließlich konventionell betrieben um den Globus fährt – und das, wenn es nach Vorstandsvorsitzenden Oliver Blume gehe, auch noch lange tun soll. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt. Denn mit dem 54-Jährigen an der Spitze des Sportwagenherstellers setzt Porsche auf ein doppeltes E: Elektromobilität und ergänzend eFuels. “Die Nutzung von eFuels reduziert den CO2-Ausstoß. Mit Blick auf den gesamten Verkehrssektor sollte die industrielle Produktion synthetischer Kraftstoffe weltweit weiter vorangetrieben werden”, erklärt Barbara Frenkel, Vorständin Beschaffung der Porsche AG.
Für Porsche- und VW-Chef Blume ist das Thema E-Fuels ein wichtiges. Auch wenn sich der gesamte VW-Konzern der Elektromobilität verschrieben hat und bis zum Jahr 2030 ein vollelektrischer Auslieferungs-Anteil von mehr als 80 Prozent angestrebt wird, sind noch sehr viele der im Laufe der Jahre produzierten Fahrzeuge auch über 2030 hinaus auf der Straße – und somit tragende Säulen vieler Marken.
Vor allem für Sportwagenhersteller wie Porsche sind E-Fuels allerdings noch bedeutender. Mit künstlich hergestelltem Kraftstoff könnten Verbrennermotoren noch weit bis in die Zukunft laufen, ohne fossile Brennstoffe zu benötigen. “Heute fahren weltweit etwa 1,3 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen. Laut den Prognosen wird sich diese Zahl in den nächsten 15 Jahren nicht gravierend verringern, trotz des Aufschwungs der Elektromobilität”, heißt es in einer offiziellen Porsche-Pressemitteilung. Zudem geht es auch um den Bedarf für regenerative Kraftstoffe in der Luft- und Schifffahrt. Porsche splittet seine Strategie und setzt (natürlich) auch auf die Elektromobilität. Um “einen weiteren, wichtigen Teil des Portfolios zu elektrifizieren”, hat man die neue Premium Platform Electric (PPE) ins Leben gerufen, die von Audi und Porsche gemeinsam entwickelt wurde. Sie soll den Einsatzbereich des Plattformkonzepts für E-Fahrzeuge erweitern.
“Es braucht auch Lösungen für Verbrennerfahrzeuge”
Im Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) hält Blume den europaweiten Abschied vom Verbrennermotor für “ein ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel”. Schließlich muss er optimistisch bleiben, denn die Politik macht weiter Druck. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche es gute Produkte, eine funktionierende Ladeinfrastruktur und ausreichend erneuerbare Energien. Weiter sagt er, er habe sich klar für ein straffes Hochfahren der Elektromobilität entschieden: “Wir sind fest davon überzeugt, dass die Elektromobilität dem Verbrennermotor in Kürze überlegen sein wird.” Im Sinne des Klimaschutzes brauche es aber auch Lösungen für die Verbrennerfahrzeuge, die weltweit nach 2035 noch auf den Straßen unterwegs sein werden. “Synthetische Kraftstoffe sind hierfür ein Ansatz”, so Blume. Er sieht keinen Konflikt zwischen E-Fuels und der E-Mobilität, da sie eher für Nischenfahrzeuge – etwa Porsche-Sportwagen – gedacht seien. Für den Massenmarkt sehe er klar den Elektroantrieb im Vorteil.
Im Übrigen wurde der endgültige EU-Beschluss zum Verbrenner-Aus ab dem Jahr 2035 noch einmal verschoben, auch weil FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing darum bat, eine Ausnahme für Autos zu machen, die synthetische Kraftstoffe tanken. Sicherlich wird das Verbrenner-Aus kommen, jedoch vielleicht mit ein paar Änderungen. Dies dürfte so oder so weitreichend Folgen haben. So wurde erst vor wenigen Tagen bekannt, dass der französische Mineralölkonzern TotalEnergies seine Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden verkaufen möchte, weil vermutet wird, dass sich bald kaum Geld mehr mit fossilen Kraftstoffen verdienen lässt. Betroffen seien dann insgesamt 1600 Standorte.
Damit die Elektromobilität in Europa tatsächlich ein Erfolg wird, fordert Blume laut NDR die Politik auf, eine industriefreundliche Situation in Europa zu schaffen: “Das beginnt bei den Rahmenbedingungen, beispielsweise auch bei den Energiepreisen, die im Moment in anderen Regionen der Welt deutlich günstiger sind. Es gibt dafür Ansätze und da müssen wir in diesem Jahr beherzte Entscheidungen treffen.” Dass die Elektromobilität unmittelbar von den hohen Strompreisen ausgebremst werde, glaube er nicht. Jedoch müsse der Ausbau der Erneuerbaren Energien mit hohem Tempo vorangetrieben werden.
Nach Salzgitter: Zweites großes VW-Batteriezellwerk entsteht in Kanada
Wie sehr der VW-Konzern auf die Elektromobilität setzt, zeigen immer wieder die hohen getätigten Investitionen. Im Sommer 2022 gründete Volkswagen das Unternehmen PowerCo, in welchem der Konzern sein globales Batteriegeschäft bündeln möchte. Von Salzgitter aus steuert das Unternehmen den Aufbau eines internationalen Fabrikbetriebs, die Weiterentwicklung der Zelltechnologie, die vertikale Integration der Wertschöpfungskette sowie die Ausstattung der Fabriken mit Maschinen und Anlagen. Ab 2025 sollen dort Einheitszellen für das Volumensegment vom Band laufen und die Zellfabrik werde laut Volkswagen perspektivisch mit einer Jahreskapazität von 40 GWh fertigen – genug für rund 500.000 elektrische Fahrzeuge. Gerade erst haben die Wolfsburger bekanntgegeben, dass der Konzern seine Aktivitäten auch in Nordamerika verstärken und seine Position im wichtigen Wachstumsmarkt für batterieelektrische Fahrzeuge aufbauen möchte. Die Wahl des Konzerns und seiner Batterie-Tochter PowerCo ist auf das kanadische St. Thomas in Ontario als Standort für die erste Gigafabrik von Volkswagen außerhalb Europas gefallen. Die Zellfabrik werde nachhaltige Einheitszellen produzieren, der Produktionsstart sei für 2027 geplant.
“Die Möglichkeiten für Rohstoff- und Energie-Kooperationen seien dort außergewöhnlich gut”, so Blume im NDR-Interview. Offenbar seien auch Subventionen der kanadischen Regierung ein Treiber für diese Entscheidung gewesen, wie er weiter durchblicken lässt. Dadurch könnten sich solche Vorhaben leichter finanzieren lassen, was ein besonderer Anreiz gewesen sein soll. Offiziell plant VW insgesamt sechs solcher Fabriken allein in Europa.
Die Auftragslage sei jedenfalls gut bei VW. Nach Angaben des Unternehmens hätte man einen Auftragsbestand von 1,8 Millionen Fahrzeugen abzuarbeiten – darunter klassische Verbrenner und auch Elektroautos. Dennoch habe der Krieg in der Ukraine auch Auswirkungen auf das Russland-Geschäft. Derzeit stehen schon beide russischen Fabriken still und der Export ins Land ruht. Nach Angaben des Manager Magazins prüfe der Volkswagen-Konzern derzeit einen Verkauf des Werkes in Kaluga. Blume will in den nächsten Wochen verkünden, wie es dort weitergeht.
Quellen: NDR – VW-Chef: E-Mobilität wird Verbrenner in Kürze überlegen sein / Total – Pressemitteilung vom 20.12.2022 / Manager Magazin – Volkswagen prüft Verkauf des Werks in Russland / Porsche – Pressemitteilung vom 20.12.2022 / Volkswagen – Pressemitteilung vom 13.03.2023