Ein Kommentar von Daniel Krenzer
Immer mehr Parteien entdecken das Thema “Verbrennerverbot” im Wahlkampf zur Europawahl für sich – und kündigen an, selbiges (das es ja de facto gar nicht gibt) rückgängig machen zu wollen. Für alle potentiellen Wähler, die wegen des Geldes, aus Furcht vor Neuem, wegen der persönlichen Freiheit oder grundsätzlich spätpubertären Mag-ich-nicht-Verhaltens gegen den Hochlauf der Elektromobilität sind, klingt das freilich attraktiv. Doch sind dies politische Ankündigungen, die im besseren Fall gar nicht mehr umzusetzen sind – oder wahlweise die europäische Automobilindustrie in eine bislang ungekannte Krise stürzen könnten.
Ab 2035 sollen in der EU keine Fahrzeuge mehr zugelassen werden dürfen, die CO2-Emissionen ausstoßen. Dabei wird aktuell der nicht zuletzt auch gesundheitlich relevante Ausstoß des Fahrzeuges “direkt am Auspuff” gemessen. Angestoßen von der deutschen Bundesregierung wird auf europäischer Ebene allerdings geprüft, ob es für im gesamten Kreislauf klimaneutrale Treibstoffe (wie E-Fuels, HVO, BioCNG und Co.) Ausnahmen geben sollte. Während nur sehr wenige Parteien mit Scheuklappen die angestrebte Klimaneutralität des Verkehrs gänzlich ablehnen, ist für nahezu alle demokratische Parteien Konsens, dass das Verbrennen von fossilen Energieträgern in Fahrzeugen aufhören muss – zumal diese ohnehin nur in endlicher Menge zur Verfügung stehen.
Zwar sind klimafreundliche Alternativen für den Treibstoffe verbrennenden Fahrzeugbestand so zeitnah wie möglich begrüßenswert. Was die Neuzulassungen angeht, ist die EU aber gut beraten, am aktuellen Kurs festzuhalten. Die Autobauer planen schließlich nicht kurz-, sondern mitunter sehr langfristig. Und nahezu alle europäischen Hersteller haben die Weichen längst fest auf die Elektromobilität umgestellt und Milliardenbeträge investiert.
Selbst wenn sich weitere Nischenlösungen neben der Elektromobilität durchsetzen werden, wird das batterieelektrische Fahren zumindest im Pkw-Bereich zunehmend zum Standard werden. Und wenn sich die europäischen Autohersteller nicht voll darauf konzentrieren können, werden ihnen die asiatischen Autobauer – und allen voran die chinesischen – zunehmend den Rang ablaufen.
Autohersteller warnen vor Kehrtwende
So warnen nach den politischen Ankündigungen aus verschiedenen Richtungen bereits mehrere Hersteller davor, am eingeschlagenen Weg des Green Deal zu rütteln. Stellantis-Chef Carlos Tavares drängt darauf, am Verbrenner-Aus 2035 festzuhalten. Auch VW-Chef Oliver Blume sagte, er wünsche sich endlich Klarheit und ein Ende der Diskussionen. Das Hin und Her schadet den Autobauern aktuell massiv, denn die Kunden sind verunsichert – und beim Kauf von Elektroautos zunehmend zurückhaltend. Selbst wenn manche dieser Parteien wirklich an die Automobilindustrie anstatt den Stimmenfang denken würden, leisten sie bereits jetzt selbiger einen Bärendienst.
Freilich gibt es auch Autohersteller, die eine Technologieoffenheit und Entscheidungsgewalt des Marktes befürworten. Doch wer genau hinschaut, wird feststellen, dass dies vor allem die Hersteller von höherwertigen Fahrzeugen sind. Das hat einen einfachen Grund: Einige Kunden von BMW, Porsche und Co. werden es sich auch in Zukunft leisten können, besonders teure (und dann nicht-elektrische) Antriebsarten für ihren Pkw wählen zu können. Eben diese wenigen Kunden wollen diese Hersteller damit bedienen können. Das Gros der Bevölkerung wird sich das jedoch nicht leisten können – auch wenn ihnen derzeit politisch etwas anderes vorgegaukelt wird.
Anfang Juni wird in der EU gewählt. Danach dürfte dieser Spuk erst einmal vorüber sein. Es bleibt zu hoffen, dass es im europäischen Parlament abermals zu Mehrheiten der Vernunft kommen wird. Anderenfalls droht der europäischen Automobilindustrie (und damit vor allem im Autoland Deutschland der gesamten Wirtschaft) ein furchtbares Schlamassel. Die letzten Umfragen lassen jedoch Schlimmes befürchten.
Hintergrund: Automobilwoche – “Verbrenner-Aus 2035: Neue Debatte in der Autoindustrie”