Wolfgang Steiger, seines Zeichens Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, gab dem Focus zu verstehen, dass man Euphorie und unrealistischen Erwartungen an die Elektromobilität zurückschrauben müssen. Aus seiner Sicht wäre es naiv in “der E-Mobilität das Maß aller Dinge zur Einhaltung von Klimaschutzzielen zu sehen”. So erfordere insbesondere die Bereitstellung von Lade- und Versorgungsinfrastrukturen “Investitionen in Milliardenhöhe und wird Jahre dauern”.
Bundesregierung lässt die Möglichkeit mit gutem Beispiel voran zu gehen ungenutzt
Damit liegt Steiger sicherlich nicht gänzlich falsch. Aber gerade unsere Regierung könnte hier entsprechend handeln. Mitte Februar haben wir berichtet, dass diese noch ein Jahr Zeit hat, um bis 2020 mindestens 100.000 Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zusätzlich verfügbar zu machen. Zumindest, wenn man die eigens gestellte Aufgabe erfüllen möchte. Stand heute stehen wir bei rund 15.900 neue Ladepunkte, die im Rahmen der Fördermaßnahmen bewilligt wurden.
Nicht die Strommenge, sondern Stromspitzen sind problematisch
Zielt Steiger hingegen auf Ladeinfrastruktur in Wohnanlagen ab, schaut es auch nicht ganz so düster aus, wie zunächst vermutet.
So haben zwar Hausverwaltungen, die Ihre ersten Ladeinfrastrukturprojekte noch umsetzen müssen, aktuell großen Respekt vor der Komplexität des Projektes und der Skepsis der Bewohner und hier insbesondere der WEG-Eigentümer. Dies scheint nach den Erfahrungen der Hausverwaltungen, die bereits solche Projekte umgesetzt haben, allerdings unbegründet zu sein. So zumindest das Ergebnis einer Studie zur Elektromobilität in Wohnanlagen.
In diesem Zusammenhang lässt sich auch das Pilotprojekt „E-Mobility-Allee“ erwähnen. In diesem erforscht Netze BW bereits seit Mai 2018, wie sich viele Elektroautos von Privathaushalten in einer Straße auf die unmittelbare Netzumgebung auswirken. Erste Zwischenergebnisse zeigen demnach, dass die Gleichzeitigkeit von Ladevorgängen offenbar nicht so hoch wie erwartet ist: „Bisher haben nie mehr als vier der zehn Fahrzeuge zeitgleich geladen. Dadurch ist die Netzbelastung auch weniger hoch als befürchtet“, sagt Dr. Martin Konermann, Technischer Geschäftsführer des Verteilnetzbetreibers Netze BW.
Man kann also festhalten, dass nicht „die Energiemenge der zu erwartenden Elektrofahrzeuge die kritische Größe“ sei, wie Innogy mitteilt. Zu Problemen könnte es kommen, sollte eine große Zahl Elektroautos gleichzeitig am Stromnetz angeschlossen werden, zum Beispiel gegen 18 Uhr, wenn die Menschen aus der Arbeit nach Hause kommen, wie eine Studie des Beratungsunternehmens Oliver-Wyman zu Bedenken gibt: Bei einer Ortsnetzgröße von 120 Haushalten würden bereits 36 Elektroautos ausreichen, „um das Netz lokal zu überlasten“, heißt es.
Allerdings sei dieses extreme Szenario kaum realistisch: „Der Laderhythmus der Bewohner ist so unterschiedlich, dass wir bisher noch gar nicht in die Nähe einer Engpass-Situation kamen. Von den zehn Elektroautos gingen bislang maximal fünf gleichzeitig ans Netz – ohne dass wir das beeinflusst haben“, sagte etwa Christian Bott, der für EnBW ein E-Auto-Projekt in Ostfildern leitet.
Das Stromnetz scheint nicht zu schwach für Millionen von E-Autos
Daher ist die Aussage von Steiger, dass das heutige Stromnetz für Millionen von Batterieautos zu schwach sei nicht so einfach unterschreiben. Vielmehr kommt es darauf an, dass man mit entsprechenden Stromspitzen umgehen kann. Entsprechende Vehicle-2-Grid-Ansätze könnten hier eine Lösung sein.
Denn der automobile Wandel hin zu Elektroautos wird zwar die Nachfrage nach Strom erhöhen. Doch Elektroautos bieten auch einige Vorteile, die diesen Nachteil wieder wettmachen. Eine neue Studie aus dem Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien zeigt, wie sich durch eine intelligente Steuerung der Stromlast Investitionen in Milliardenhöhe einsparen lassen.
“Vor allem im Straßengüterverkehr wird der Verbrennungsmotor noch lange gebraucht werden” so Steiger weiter. Ob diese Aussage so stimmt, das werden wir erst rückblickend beantworten können.
Quelle: Focus.de – Stromnetz laut CDU-Wirtschaftsrat einem E-Autoboom nicht gewachsen