Michael Müller-Görnert, verkehrspolitischer Sprecher beim ökologisch ausgerichteten Verkehrsclub Deutschland (VCD), sprach mit Inpact ausführlich über Themen wie Elektromobilität und Antriebswende in all ihren Facetten. Bei all dem hat Müller-Görnert nicht nur Kraftfahrzeuge im Blick – und wirbt viel mehr für eine echte Verkehrswende.
Gerade in der Stadt sei „die Verkehrswende anderen Überlegungen geschuldet“, weg vom Pkw, so der VCD-Sprecher. Wer sich in einer Stadt bewegt, könne gut auch ohne Auto mobil sein, findet er, zumal Privatautos im Schnitt weniger als eine Stunde am Tag genutzt werden und den Rest der Zeit ungenutzt auf Parkplätzen stehen und somit wertvollen Stadtraum beanspruchen. Der VCD sähe in Städten, als Ergänzung zum ÖPNV, lieber mehr Ride- und Carsharing-Konzepte mit Elektroautos. Das hätte neben weniger Lärm und besserer Luft auch weitere ökologische Vorteile, so Müller-Görnert: „Im städtischen Verkehr mit dem vielen Stop und Go und der dadurch erfolgten Bremskraftrückgewinnung ist ein Elektroauto besonders effizient“, sagt er. Zudem reiche für E-Autos fürs Urbane eine kleinere und somit umweltschonendere Batterie.
Auch bei den großzügigen staatlichen Förderungen für Elektroautos, die gut 10.000 Euro plus steuerliche und verkehrspolitische Vergünstigungen bedeuten, ist Müller-Görnert „zwiegespalten“. Er findet es zwar generell gut, dass es Anreize zum Umstieg auf nachhaltigere Pkw gibt. Allerdings fände er eine aufkommensneutrale Ausgestaltung, etwa als Bonus-Malus-Regelung, steuerpolitisch gerechter. Fahrzeuge, die weniger CO2 ausstoßen, sollten dem VCD-Sprecher zufolge einen Bonus bekommen. „Gegenfinanziert würde er durch Fahrzeuge, die entsprechend mehr CO2 ausstoßen“, so sein Vorschlag. Realisierbar wäre dies zum Beispiel durch eine Kaufsteuer im ersten Jahr der Anschaffung, wie es sie in anderen Ländern wie unter anderem Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden oder Norwegen bereits gibt. In all diesen Ländern liegen Müller-Görnert zufolge „die CO2-Flottenwerte deutlich niedriger als in Deutschland“.
So ließe sich verhindern, dass die Steuerzahler die Umstellung auf E-Mobilität bezahlen müssen, was Müller-Görnert ungerecht findet: „Man muss ehrlicherweise sagen, dass ausgerechnet diejenigen Käufer von der Kaufprämie profitieren, die sich die modernen Elektroautos sowieso eher leisten können“, sagt er. Auch die steuerlichen Vorteile wie etwa der Entfall der Kfz-Steuer, die Sonderabschreibung für Unternehmen sowie der geringere Satz bei der Versteuerung des geldwerten Vorteils kämen vor allem jenen zugute, die eigentlich nicht unbedingt darauf angewiesen wären.
„Wir sollten auch über andere Formen der Mobilität nachdenken“
Für die Langstrecke, wie etwa bei Urlaubsfahrten, schlägt Müller-Görnert vor, „auch über andere Formen der Mobilität“ nachzudenken: „Man sollte sich vielleicht überlegen, ob es nicht zielführender und bequemer wäre, die Langstrecke mit der Bahn zu absolvieren und sich vor Ort ein Fahrzeug zu mieten – vielleicht ein E-Auto, aber warum nicht einen E-Roller, ein Pedelec oder ein Fahrrad?“, so sein Vorschlag. Dies wäre zudem in vielen Fällen komfortabler und zeitsparender, als die Strecke mit dem Auto zurückzulegen.
Generell sei aber „klar“, dass die Automobilindustrie „in Richtung Elektro geht, auch international“. Wer hierbei nicht jetzt schon präsent sei, verliere den Anschluss, sagt Müller-Görnert voraus. Andererseits: „Wer sich rechtzeitig aufgestellt hat, wie Volkswagen, hat hier einen Wettbewerbsvorteil“, so der VCD-Sprecher weiter. VW habe das Thema Elektromobilität „konsequent“ in Angriff genommen, etwa mit dem Elektrobaukasten MEB und dem Aufbau eigener Batteriefabriken. „Andere Hersteller, wie Daimler oder BMW, werden sich jetzt mehr anstrengen müssen“, so Müller-Görnert.
Dem von Kritikern der E-Mobilität gerne angeführten Argument, dass Elektroautos nicht nachhaltiger seien als Verbrenner, widerspricht Müller-Görnert vehement: „Einer aktuellen Studie zufolge verbraucht eine Batterie für ein Elektrofahrzeug bei ihrer Herstellung nur 30 Kilo (nicht recyclebarer, Anm. d. Red.) Rohstoffe, während ein durchschnittliches Auto 17.000 Liter Öl verbraucht“, welches unwiederbringlich verloren ist und das Klima anheizt, sagt er. Außerdem sorgen technologische Fortschritte dafür, dass die Menge an kritischen Rohstoffen in Batterien immer weiter abnimmt. „Zudem haben Batterien für Elektroautos auch nach der Nutzung im Verkehr noch ein zweites Leben“, so der VCD-Sprecher, und können noch viele viele Jahre „als stationäre Energieträger genutzt werden. Der ökologische Fußabdruck der Batterien wird auf diese Weise noch einmal deutlich verkleinert.“
Großflächiger Einsatz von Wasserstoff „utopisch“
Wasserstoffantriebe oder E-Fuels für Kraftfahrzeuge als Alternativen zum Batterieauto hingegen findet Müller-Görnert nicht zielführend: „Nimmt man die Effizienzverluste hinzu, die bei der Produktion von Wasserstoff oder von synthetischen Kraftstoffen entstehen, bräuchte man die fünf- oder sechsfache Menge an erneuerbarem Strom“ als für Batterieautos. Das halte der VCD energiepolitisch für unrealistisch, zumal der Ausbau an erneuerbaren Energien, vor allem der Windkraft, ins Stocken gekommen ist.
Auch einen großflächigen Einsatz von Brennstoffzellen-Lkw hält Müller-Görnert für „utopisch“. Es werde notwendig sein, mehr Güter auf die Bahn umzuschichten. „Aber es ist klar, dass die Bahn die Menge an Gütern, die derzeit auf den Straßen transportiert werden, nicht aufnehmen kann“, schildert er die Crux an der Sache. Seine Lösung: Im Regionalverkehr seien batterieelektrische Lkw sinnvoll, für den Fernverkehr seien „Autobahnabschnitte mit Oberleitungen durchaus eine Option“, zumal dies im Vergleich zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft „eine kostengünstige und schnell umzusetzende Lösung“ wäre.
Quelle: inpact – „E-Mobilität: Nachhaltiger, als viele denken“