Matthias Schmidt, Automobil-Analyst, zeigte uns bereits im April 2020 auf, dass die Elektroauto-Zulassungszahlen in Europa in 2020 eher rückläufig sein werden. Im Rückblick betrachtet war zumindest noch das erste Quartal 2020 positiv geprägt, insbesondere im Vergleich zum Weltmarkt entwickelte sich der europäische Elektroautomarkt positiv. Und noch immer zeigt sich der Markt mit einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr. Wobei die Automobilhersteller für die Erreichung ihrer CO2-Vorgaben vor allem davon profitieren werden, dass der Gesamtabsatz 2020 am europäischen Markt gesunken ist.
Erst vor kurzem konnten wir berichten, dass Europas Elektroauto-Markt an China vorbei rast – ohne Tesla-Rückenwind wohlgemerkt. Bereits im September 2020 soll laut Automobil-Analyst Schmidt das Gesamtjahresvolumen des europäischen Elektroautomarktes vom Gesamtjahr 2019 übertroffen werden; werden wir bei der Betrachtung im nächsten Monat sehen. Aktuell werfen wir einen Blick auf die Daten Stand Ende August 2020. Hierbei sind vor allem die CO2-Flottenvorgaben für die Hersteller wieder in den Mittelpunkt gerutscht. Nicht zuletzt durch entsprechende Reaktionen einzelner Hersteller. Dazu in den folgenden Abschnitten mehr.
Schlusssprint im letzten Quartal des Jahres erwartet
Hierzu sei gesagt, dass es üblicherweise Anfang des dritten Quartals ruhiger am Automarkt wird. 2020 könnten die Hersteller jedoch weiterhin Strom geben, um frühzeitig das Erreichen der CO2-Vorgaben zu gewährleisten. Man darf davon ausgehen, dass die Branche die CO2-Zielvorgaben frühzeitig erfüllen möchte, um dann die Volumina für die verbleibenden Monate zu reduzieren. Mittlerweile haben sich Stromer und Plug-In-Hybride bei ihren Zulassungszahlen stark angenährt und machen gemeinsam fast 597.000 Einheiten Ende August aus. Bis Jahresende geht Schmidt davon aus, dass die eine Millionen-Grenze geknackt wird. Bei einem PKW-Gesamtmarkt von rund 11 Millionen Fahrzeugen in 2020 durchaus eine Ansage. Insbesondere Hersteller die bei ihren CO2-Flottenzielen hinterher hinken geben derzeit mehr Strom.
Trotz Subventionen und Unterstützung vonseiten der Politik sollte man nicht davon ausgehen, dass das E-Auto-Volumen für 2020 wesentlich ansteigt. Was auch daran liegt, dass etablierte Hersteller wahrscheinlich eine Reihe von Auslieferungen bis 2021 zurückhalten werden, was zu langen Lieferzeiten führen wird. Die Reduzierung des Angebots bis 2021 wird den Automobilhersteller helfen, die strengeren CO2-Ziele für 2021 zu erreichen. Und trotz Bemühungen etwaige CO2-Polster ins neue Jahr zu verschieben, müssen zunächst die Ziele 2020 erreicht werden.
Mercedes-Benz setzt 2020 auf Plug-In-Hybride als CO2-Senker
Mercedes-Benz hat immer mehr Modelle mit Plug-in-Hybridtechnologie im Programm und will damit eine breite Kundengruppe ansprechen. Dieser Trend kann einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zur CO2-neutralen Mobilität leisten, die Mercedes-Benz mit seiner Dekarbonisierungs-Strategie konsequent verfolgt. Plug‑in‑Hybride bieten die Möglichkeit, rein elektrisch und somit lokal emissionsfrei zu fahren, insbesondere in urbanen Räumen.
Dass die Strategie Früchte trägt offenbaren die Zulassungszahlen Ende August 2020. 5.761 reine E-Autos sowie 32.653 Plug-In-Hybride hat man beim Stuttgarter Autobauer zugelassen. Alleine im August sei jeder fünfte inländische Mercedes mit einem Stecker ausgeliefert worden. Insbesondere die Teilzeitstromer der unteren Mittelklasse – im Fall von Mercedes die A-Klasse – konnte mit 1.939 Zulassungen alleine im August 2020 überzeugen. Dies führt dazu, dass 40 Prozent aller deutschen A-Klasse-Auslieferungen im August auf einen Plug-In-Hybriden entfielen.
Dies trug dazu bei, dass der deutsche CO2-Durchschnitt der A-Klasse unter 100g/km (WLTP) im August fiel, weit unter dem durchschnittlichen Flottenziel von rund 121g/km im gleichen Zeitraum. Zusätzlich profitiert das Modell von den sogenannten Superkredite, welche zumindest noch die nächsten Jahre greifen. Diese hatten wir im Artikel: “Analyst: VW ist auf bestem Weg die CO2-Flottenwerten einzuhalten” bereits erläutert.
Sollte das CO2-Ziel dennoch in nicht erreichbare Ferne verschwinden, hält sich Daimler entsprechende Optionen offen. Durch seinen chinesischen Partner Geely könnte Daimler an Volvo, Polestar sowie Lynk&Co gelangen und sich von dort ein entsprechendes CO2-Polster sichern.
VW Konzern sichert sich Unterstützung zur CO2-Ziel-Erfüllung aus China
Laut exklusiven Informationen der Branchenpublikation European Electric Car Report ist MG Motors, welches zu Chinas SAIC Motors gehört, für den Zeitraum 2020 bis 2022 dem CO2-Pool des Volkswagen-Konzerns in der EU sowie der Marke SAIC Motors Europe BV beigetreten. Mit der eigenen Marke MG Motors unterstützt man Kooperationspartner VW beim Erreichen der CO2-Emissionsziele in Europa. Gegenüber Schmidt gab Volkswagen zu verstehen, dass man diesen Zusammenschluss als “Absicherungsmaßnahme” im Hinblick auf die “verstärkte Vorschau von Unsicherheiten” aufgrund der COVID-Pandemie sehe.
Der Analyst selbst geht aber eher davon aus, dass sich VW für potentielle separate CO2-Emissionsziele in Großbritannien ab 2021 wappnen will. Bis Ende August 2020 konnte die Marke bereits den Absatz von 6.451 rein elektrische Modelle in den 18 Märkten der westeuropäischen Region verzeichnen. Damit erreichte deren E-Auto-Anteil an den gesamten regionalen Zulassungen im gleichen Zeitraum 45,4 Prozent, was etwas mehr als zwei Prozent des gesamten 317.800 Elektroauto-Marktes in den ersten acht Monaten des Jahres ausmachte. 2020 legte der Automobilhersteller nach und kündigt mit dem MG 5 den ersten E-Auto-Kombi für Europa an, mit diesem dürfte der Absatz weiter steigen. Und damit das CO2-Polster für den VW Konzern.
Parallel dazu arbeite man daran die CO2-Ziele aus eigener Kraft zu erreichen. Laut Thomas Ulbrich, Mitglied des Markenvorstands Volkswagen für das Vorstandsressort „E-Mobilität“, fahren derzeit täglich rund 600 MEB-Stromer vom Band. Ende des Jahres will man bei 800 E-Autos angelangt sein, für das erste Halbjahr 2021 sollen dann 1.500 MEB-Einheiten pro Tag gefertigt werden.
CO2-Flottenwerte in Deutschland sinken weiter
Die durchschnittlichen CO2-Emissionen der deutschen Flotte lagen bei nur 140,1g/km (WLTP) im Juli. Ein neues Rekordtief seit dem der WLTP-Zyklus eingeführt wurde. Zum Vergleich: Die jüngsten Daten für Großbritannien verzeichneten einen leichten niedrigerer 136 g/km WLTP-Level im Juni (neueste Daten) laut deren Regierungsdaten. Es wird erwartet, dass beide Märkte weiterhin in den kommenden Monaten erhebliche Rückgänge verzeichnen. Deckt sich auch mit der Betrachtung der Strategien der beiden Hersteller Mercedes-Benz und dem VW Konzern.
Quelle: Matthias Schmidt – The European Electric Car Report West European Market Intelligence Edition 08.2020