Cariad-Krise: VWs Software-Dilemma endet nicht

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Volkswagen

Sebastian Henßler
Sebastian Henßler
  —  Lesedauer 3 min

Bei Volkswagen und seinen Tochterunternehmen stapeln sich die Probleme. Wieder einmal verantwortlich ist die Softwaretochter Cariad, wie das Manager-Magazin berichtet. Die Verzögerungen bei der Entwicklung und Auslieferung von Software und Auto-Modellen betreffen Marken wie VW, Audi und Porsche. Peter Bosch, der Leiter von Cariad, steht vor der ebenso gewaltigen wie kniffligen Aufgabe, die Einheit zu sanieren und gleichzeitig drastische Kostensenkungen zu erreichen.

Und das nicht erst seit gestern. Schon länger beobachten wir die Entwicklungen rund um Cariad. CEO Oliver Blume hatte Ende 2023 beschlossen, die internen Entwicklungskosten bis 2028 jährlich um 20 Prozent zu reduzieren. In einem weiteren Schritt zur Restrukturierung von Cariad wurde Sanjay Lal, ein ehemaliger Google- und Tesla-Manager, zum neuen Chief Software Officer ernannt. Gerüchte über Jobkürzungen bei Cariad kamen ebenfalls, nachdem Blume Peter Bosch von Bentley als CEO des Unternehmens einsetzte und damit Dirk Hiligenberg ablöste. Bosch sollte „signifikante Veränderungen“ in der Softwarestrategie von Volkswagen vorantreiben. Laut einem älteren Bericht plant der Autohersteller, im Zuge einer Restrukturierung ab 2024 etwa 2000 Stellen bei Cariad abzubauen.

In Wolfsburg traf sich die Führungsebene von Volkswagen, um sich mit den anhaltenden Elektronikproblemen auseinanderzusetzen, die bereits seit über vier Jahren bestehen und sogar zur Entlassung des früheren Konzernchefs Herbert Diess geführt hatten. Insbesondere die Verzögerungen bei den Modellen Q6 e-tron von Audi und Macan von Porsche, die drei Jahre hinter dem Zeitplan liegen, waren Gesprächsthema. Überraschend kam auch das Thema der Softwareversion E3 1.1 wieder auf, die ursprünglich für kleinere und mittlere Autos gedacht war und bereits für überwunden gehalten wurde.

Thomas Ulbrich, Vorstandsmitglied für Elektromobilität, räumte ein, dass die Software in den zukünftigen Modellen weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, was zu erheblichen Verzögerungen führe. Besonders in China stoße VW auf „gewaltige Probleme“ bei der Integration neuer, speziell entwickelter Features in die Cariad-Softwarearchitektur.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt man in Wolfsburg optimistisch, zumindest was die Marke VW angeht. Neue Modelle könnten auch mit weniger leistungsfähiger Software auf den Markt gebracht werden. Das neue SUV Tiguan beispielsweise wird nur einige Monate später als geplant erscheinen. Die Probleme bei Cariad haben auch Auswirkungen auf Audi und Porsche, wo sich die Verzögerungen besonders bemerkbar machen. Ab Ende Juni darf der Macan (Verbrenner) zumindest in Europa nicht mehr verkauft werden, weil er eine neue Vorschrift für Cybersicherheit nicht mehr erfüllt. Hier wird es zeitnah notwendig sein, dass Porsche die E-Variante auf die Straße bekommt.

Cariad steht vor der schwierigen Aufgabe, seine Software- und Elektronikarchitekturen zu modernisieren und gleichzeitig mit den Entwicklungen in China Schritt zu halten, wo die Konkurrenz in Sachen Konnektivität bereits weiter fortgeschritten ist. Die Situation bei anderen Autoherstellern zeigt jedoch, dass Volkswagen nicht allein mit diesen Herausforderungen kämpft. Was an sich für den Konzern natürlich kein Trost ist.

Peter Bosch, der als Problemlöser gilt, steht nun vor der vielleicht größten Herausforderung seiner Karriere: Kann er die tiefgreifenden Probleme bei Cariad lösen und die Zukunft der Volkswagen-Gruppe im Bereich Software und Elektronik sichern? Gegenwärtig scheint dies eher fraglich.

Quelle: Manager-Magazin – Volkswagens Softwaretochter Cariad fährt in die nächste Krise

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Sebastian Henßler

Sebastian Henßler

Sebastian Henßler hat Elektroauto-News.net im Juni 2016 übernommen und veröffentlicht seitdem interessante Nachrichten und Hintergrundberichte rund um die Elektromobilität. Vor allem stehen hierbei batterieelektrische PKW im Fokus, aber auch andere alternative Antriebe werden betrachtet.

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Manfred:

Ich fahre auch den Enyaq seit 2021, die Softwareprobleme und Ausfälle die wir hatten – waren alles andere als feierlich…..Am meisten ärgere ich mich, dass die Batterieheizung zum optimalen Vorheizen mit einem Update abgeschafft wurde, was im Winter sehr ärgerlich ist.

Rudi S.:

Tesla kann Software.

Sledge:

Tesla stolpert von Softwareversagen zu Softwareversagen

Also der war gut, danke für den Lacher des Tages.

egon_meier:

Man kann bei jedem Hersteller schauen .. bei der Software tun sich Abgründe auf.

– Hat Stellantis überhaupt irgendwas, was man Software nennen könnte?
– Bei Hyundai/Kia lautet die Frage in den Foren ob der Abstandstempomat lebensgefährlich oder nur unbrauchbar ist.
– Tesla stolpert von Softwareversagen zu Softwareversagen (macht nix .. der Furzmodus kompensiert alles)
– usw usw ..

Der Unterschied ist nur: Bei VW wird das ganze relativ offen diskutiert und beklagt .. bei anderen Konzerne lächelnd ignoriert.

Vom Prinzip ist es richtig, dass man als großer Konzern eine eigene Softwarestruktur aufbaut und sich nicht in die Händer der Datenabsauger begiebt.
Es wird noch ein bisschen dauern … leider …

obwohl – was fehlt eigentlich: Ich fahre seit 3 Jahren Enyaq und alles, was Software heißt funktioniert ordentlich. Der Rest sowieso.
Luft nach oben ist immer.

Flo:

„Neue Modelle könnten auch mit weniger leistungsfähiger Software auf den Markt gebracht werden“ – ohne Worte da OTA sicher noch immer nicht geht.

MMM:

Nur, wenn die man die Datenkrake aus Amerika ernsthaft als Softwarelieferant in Erwägung zieht.
Das werden einerseits die Kunden nicht unisono zu schätzen wissen, und da „Daten das neue Gold“ sind, VW auch nicht.
Polestar hat sich der Situation einfach ergeben, was im Ergebnis zwar zu einem „irgendwie funktionierenden“ System führt, aber auch nicht glücklich macht. Weder die Kunden, noch Polestar selbst.
Nur Google. Die bestimmt.

Wolfbrecht Gösebert:

„Man kann schon von Dilemma reden …“

Nö. Es gab und gibt für VW weitere Wahlmöglichkeiten, u.a. könnten die einzelnen Marken die Entscheidungen für eigene Software selber treffen [siehe die vorher parallel geführte Entwicklungsarbeit für Audi und Porsche] anstelle der zentralisierten Cariad-Erstellung … da endet man dann in einem Trilemma oder gar einem Polylemma – ob DAS dann ein *passenderer* Ausdruck ist ?-) … nein, ich bleibe bei »DESASTER«, aber das war eh nur eine Nebenbemerkung :P

Peter:

Man kann schon von Dilemma reden, man hatte ja die Wahl zwischen Google-Automotive(wie Polestar) oder selbst schnitzen.

Wolfbrecht Gösebert:

Auch wenn begrifflich hier wohl eher NICHT von einem „Dilemma“ (Wahl zwischen zwei Möglichkeiten) die Rede sein kann und da IMO doch der Ausdruck »Desaster« weitaus besser paßt, so ist es insgesamt m.E. noch ein wenig früh für ein Urteil:

Die Umstrukturierungsmaßnahmen, bei denen nach dem „Rausschmiss“ von Diess vor allem der ehemalige Google- und Tesla-Manager Sanjay Lal die Wende bringen soll, können ja eigentlich noch nicht greifen, da der erst mit Wirkung ab Januar 2024 zum neuen »Chief Software Officer« ernannt wurde.

Mit einem erfolgreichen Markteintritt und positiven Kundenecho der langverspäteten Q6 e-tron von Audi und Macan von Porsche wird sich schon mal zeigen können, ob bei Cariad die ersten Schritte einer dringend erforderlichen „Stabilisierung“ erfolgreich gegangen wurden …

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