Stetig wird es mehr und mehr E-Autos auf den Straßen geben – Benzin und Diesel werden also zukünftig weniger oft getankt. Doch was bedeutet das eigentlich für die Tankstellen? Einer, der sich mit dieser Frage beschäftigen muss, ist Aral-Vorstand Alexander Junge. Mit rund 2400 Stationen ist er der Chef des größten nationalen Tankstellennetzes. Im Gespräch mit dem Onlineportal T-Online erklärt er, was der Konzern für die Zukunft plant.
Tankstellenbetreiber Aral gehört zum Mineralölkonzern BP, dennoch muss das Unternehmen verstärkt auf Elektromobilität setzen. Denn, wenn es nach der Politik geht, sollen bis 2030 allein hierzulande 15 Millionen E-Autos fahren. Fünf Jahre später greift dann das Verbrenner-Aus der EU, allenfalls dürfen dann nur noch mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge verkauft werden. So entwickelt sich die E-Mobilität immer mehr zum Zukunftsgeschäft für Tankstellenbetreiber wie Aral. Unter dem Namen “Aral Pulse” baut das Unternehmen seine Ladeinfrastruktur immer weiter aus. Nach eigenen Angaben konnte man das Ladenetz im zweiten Halbjahr 2022 um 50 Prozent auf knapp mehr als 1300 Ladepunkte verdoppeln. Mit 1500 Ladepunkten betreibt Aral schon heute eines der größten Ultraschnellladenetze mit Säulen, die bis zu 300 kW Leistung abgeben. Bis zum Ende dieses Jahres möchte der Konzern die Anzahl noch einmal auf 3000 verdoppeln. Hierfür nehme man bis zu 100 Millionen Euro in die Hand.
Fakt ist: Für Deutschlands Tankstellen sieht die Zukunft wenig rosig aus. Zur Zapfsäule werden wohl weniger Leute fahren, das Geschäft mit dem Sprit lohnt sich dann kaum mehr. Jüngst erklärte der französische Ölkonzern Total, seine Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden zu verkaufen und sich künftig auf Elektromobilität sowie Wasserstoff fokussieren zu wollen. Und der Betreiber Aral? Hat bisweilen keine Verkaufspläne durchsickern lassen. Allerdings erklärt der Vorstandsvorsitzende Alexander Junge im Gespräch mit T-Online: “Die Tankstelle wird definitiv nach dem Verbrenner-Aus noch bestehen, aber sie wird anders aussehen müssen und andere Funktionen übernehmen.”
Tankstellen könnten zum Mobilitätshub werden
In Berlin habe man dazu ein Pilotprojekt gestartet, bei dem die Tankstelle als Mobilitätshub fungieren soll. Mit den Verkehrsbetrieben teste man sie als eine Art Knotenpunkt, an dem zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln gewechselt werden kann. “Drumherum gibt es dann noch Einkaufsmöglichkeiten und weiterhin Dienstleistungen wie Autowäsche”, erklärt Junge weiter. Dass es auch mehr Ladestationen für E-Autos geben wird, stehe ohnehin außer Frage. Dort, wo es sinnvoll ist, möchte Aral wie bereits erwähnt noch mehr Schnellladesäulen installieren. Schon jetzt könnten die bis zu 300 kW starken Ladepunkte schneller Energie ins Auto “pumpen“, als es technisch bei vielen Fahrzeugen aktuell möglich sei.
“Wir glauben aber dennoch, dass im Ultraschnellladen die Zukunft liegt, denn nur wenn Laden so schnell geht wie Tanken können wir größere Kundengruppen dafür gewinnen”, sagt der Manager. Dennoch müssten auch die Autobauer und die Batterien ihren Teil dazu leisten. Der günstigere Preis für Strom im Vergleich zu Benzin oder Diesel sei für die Menschen allerdings nur bedingt ein Argument “Pro Elektroauto“, meint Junge. Schnellladen koste aufgrund der umgelegten Investitionskosten der Betreiber mehr und die Anschaffung von Elektroautos sei auch teurer als die eines Verbrenners. Dafür hätten elektrisch betrieben Fahrzeuge deutlich geringere Wartungskosten. “Es ist also immer eine Mischkalkulation”, meint Junge. Dennoch hält er am Konzept Schnellladen fest, weil er weiß, wie kleinkinderunfreundlich das Reisen mit Elektroautos samt langer Ladestopps sein kann.
Die Hochrechnung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), dass es für eine erfolgreiche Elektromobilitäts-Transformation rund eine Million Ladepunkte brauche, sieht der Aral-Vorstand als “angemessen” an. Jedoch weiß er: “Als diese Zahl ursprünglich herausgegeben wurde, gab es noch keine Ultraschnellladesäulen, dementsprechend war das eine angemessene Hochrechnung. Wenn nun aber die Autos jeweils deutlich kürzer laden müssen, braucht es auch weniger Ladesäulen.” Junge rechnet damit, dass 100.000 bis 150.000 öffentliche Ladesäulen reichen würden. Hinzu kämen außerdem viele private Ladepunkte. Und da liegt die Krux: Weil viele Menschen zukünftig bequem zuhause laden werden, wäre der Besuch einer Tankstelle “nicht mehr zwingend nötig”. Aral habe deswegen sein Angebot angepasst und biete auch Firmenkunden Ladesäulen für ihre Stellplätze an.
Politik muss E-Autos richtig verstehen – für sinnvolle Regelungen
“Im vergangenen Jahr war die Anzahl der verkauften Kilowattstunden an unseren Tankstellen im zweiten Halbjahr bereits doppelt so hoch wie im ersten”, wird Junge weiter zitiert. Deshalb ist er sich sicher, dass E-Autofahrer Tankstellen weiterhin schätzen würden. Vor allem, weil sie praktisch und sicher seien und eine Toilette bieten. Aber auch, weil sie die Möglichkeit böten, “einen Kaffee, gekühlte Getränke oder ein belegtes Brötchen zu kaufen”, sei der Stopp an einer Tankstelle nach wie vor ein gutes Argument. Dass Aral mittlerweile über 800 Rewe-To-go-Shops in seine Tankstellen integriert hat, spiele da zusätzlich in die Karten.
Doch müsse die Politik E-Autos richtig verstehen, um sinnvolle Regelungen einzuführen, mahnt Junge: “Betreiber können Ladesäulen zwar ohne Genehmigung bauen. Aber zum ultraschnellen Laden braucht es fast immer Trafos und die sind bisher nicht genehmigungsfrei.” Würde dies geändert, könnte der Ladeinfrastruktur-Ausbau auch schneller vonstattengehen. Außerdem habe der Koalitionsausschuss Ende März beschlossen, dass jede Tankstelle einen Ladepunkt erhalten soll. Diese Versorgungsauflage sei laut Jung jedoch ein “ungeeignetes Instrument“, weil es an manchen Orten einfach keinen Platz für Ladesäulen gebe. Seine Meinung gegenüber T-Online: “Wir können die Auflage so also nicht erfüllen, daher wäre es sinnvoller, entweder keine hundert Prozent vorzuschreiben oder das Einrichten von Ladepunkten außerhalb von Tankstellen etwa bei Supermärkten oder Shoppingcentern in die Berechnung einfließen zu lassen.” Und er wird deutlicher: Ihn erinnere das Handeln der Politik an eine Planwirtschaft.
Abschließend hat sich der CEO noch zu den Themen synthetische Kraftstoffe und Stromversorgung geäußert. Er hält es für falsch, dass die Debatte E-Fuels und Elektrifizierung gegeneinander ausspiele. “Alles, was den Verkehr dekarbonisiert und wirtschaftlich darstellbar ist, ist gut und dafür braucht es Technologieoffenheit. Gerade für Langstreckenflüge oder Containerschiffe können E-Fuels sinnvoll sein”, erklärt Junge. Zudem mache er sich hinsichtlich der Abschaltung von Atomkraftwerken wenig Sorgen. Die Industrie arbeite bereits an intelligenten Lösungen für die Stromversorgung. Seiner Meinung nach könnten E-Autos zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen, wenn bei Engpässen Strom aus den Autos zurück in die Netze gespeist werde. “Deshalb bin ich absolut sicher, dass wir auch die angestrebten 15 Millionen E-Autos bis 2030 mit ausreichend und grünerem Strom versorgen können”, so der Aral-Vorstand weiter. Jedenfalls glaubt Junge an die E-Mobilität. Ob bis zum Jahr 2030 hierzulande tatsächlich 15 Millionen Elektroautos unterwegs sein werden, weiß er nicht. Aber der Trend hin zur Elektromobilität sei klar und deutlich.
Quellen: T-Online – “Das erinnert an Planwirtschaft” / Aral – Pressemitteilung vom 18.04.2023 / Handelsblatt – Total verkauft alle Tankstellen in Deutschland