Aral-CEO: „Tankstellen werden künftig andere Funktionen übernehmen“

Cover Image for Aral-CEO: „Tankstellen werden künftig andere Funktionen übernehmen“
Copyright ©

Aral

Felix Katz
Felix Katz
  —  Lesedauer 6 min

Stetig wird es mehr und mehr E-Autos auf den Straßen geben – Benzin und Diesel werden also zukünftig weniger oft getankt. Doch was bedeutet das eigentlich für die Tankstellen? Einer, der sich mit dieser Frage beschäftigen muss, ist Aral-Vorstand Alexander Junge. Mit rund 2400 Stationen ist er der Chef des größten nationalen Tankstellennetzes. Im Gespräch mit dem Onlineportal T-Online erklärt er, was der Konzern für die Zukunft plant.

Tankstellenbetreiber Aral gehört zum Mineralölkonzern BP, dennoch muss das Unternehmen verstärkt auf Elektromobilität setzen. Denn, wenn es nach der Politik geht, sollen bis 2030 allein hierzulande 15 Millionen E-Autos fahren. Fünf Jahre später greift dann das Verbrenner-Aus der EU, allenfalls dürfen dann nur noch mit E-Fuels betriebene Fahrzeuge verkauft werden. So entwickelt sich die E-Mobilität immer mehr zum Zukunftsgeschäft für Tankstellenbetreiber wie Aral. Unter dem Namen „Aral Pulse“ baut das Unternehmen seine Ladeinfrastruktur immer weiter aus. Nach eigenen Angaben konnte man das Ladenetz im zweiten Halbjahr 2022 um 50 Prozent auf knapp mehr als 1300 Ladepunkte verdoppeln. Mit 1500 Ladepunkten betreibt Aral schon heute eines der größten Ultraschnellladenetze mit Säulen, die bis zu 300 kW Leistung abgeben. Bis zum Ende dieses Jahres möchte der Konzern die Anzahl noch einmal auf 3000 verdoppeln. Hierfür nehme man bis zu 100 Millionen Euro in die Hand.

Fakt ist: Für Deutschlands Tankstellen sieht die Zukunft wenig rosig aus. Zur Zapfsäule werden wohl weniger Leute fahren, das Geschäft mit dem Sprit lohnt sich dann kaum mehr. Jüngst erklärte der französische Ölkonzern Total, seine Tankstellen in Deutschland und den Niederlanden zu verkaufen und sich künftig auf Elektromobilität sowie Wasserstoff fokussieren zu wollen. Und der Betreiber Aral? Hat bisweilen keine Verkaufspläne durchsickern lassen. Allerdings erklärt der Vorstandsvorsitzende Alexander Junge im Gespräch mit T-Online: „Die Tankstelle wird definitiv nach dem Verbrenner-Aus noch bestehen, aber sie wird anders aussehen müssen und andere Funktionen übernehmen.“

Aral-CEO Junge: "Tankstellen werden künftig andere Funktionen übernehmen"
Aral setzt nach wie vor auf Schnellladesäulen, die bis zu 300 kW Ladeleistung besitzen – mehr als viele aktuelle Autos überhaupt können. „Nur wenn Laden so schnell geht wie Tanken können wir größere Kundengruppen dafür gewinnen“, weiß CEO Junge | Bild: Aral

Tankstellen könnten zum Mobilitätshub werden

In Berlin habe man dazu ein Pilotprojekt gestartet, bei dem die Tankstelle als Mobilitätshub fungieren soll. Mit den Verkehrsbetrieben teste man sie als eine Art Knotenpunkt, an dem zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln gewechselt werden kann. „Drumherum gibt es dann noch Einkaufsmöglichkeiten und weiterhin Dienstleistungen wie Autowäsche“, erklärt Junge weiter. Dass es auch mehr Ladestationen für E-Autos geben wird, stehe ohnehin außer Frage. Dort, wo es sinnvoll ist, möchte Aral wie bereits erwähnt noch mehr Schnellladesäulen installieren. Schon jetzt könnten die bis zu 300 kW starken Ladepunkte schneller Energie ins Auto „pumpen„, als es technisch bei vielen Fahrzeugen aktuell möglich sei.

„Wir glauben aber dennoch, dass im Ultraschnellladen die Zukunft liegt, denn nur wenn Laden so schnell geht wie Tanken können wir größere Kundengruppen dafür gewinnen“, sagt der Manager. Dennoch müssten auch die Autobauer und die Batterien ihren Teil dazu leisten. Der günstigere Preis für Strom im Vergleich zu Benzin oder Diesel sei für die Menschen allerdings nur bedingt ein Argument „Pro Elektroauto„, meint Junge. Schnellladen koste aufgrund der umgelegten Investitionskosten der Betreiber mehr und die Anschaffung von Elektroautos sei auch teurer als die eines Verbrenners. Dafür hätten elektrisch betrieben Fahrzeuge deutlich geringere Wartungskosten. „Es ist also immer eine Mischkalkulation“, meint Junge. Dennoch hält er am Konzept Schnellladen fest, weil er weiß, wie kleinkinderunfreundlich das Reisen mit Elektroautos samt langer Ladestopps sein kann.

Die Hochrechnung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), dass es für eine erfolgreiche Elektromobilitäts-Transformation rund eine Million Ladepunkte brauche, sieht der Aral-Vorstand als „angemessen“ an. Jedoch weiß er: „Als diese Zahl ursprünglich herausgegeben wurde, gab es noch keine Ultraschnellladesäulen, dementsprechend war das eine angemessene Hochrechnung. Wenn nun aber die Autos jeweils deutlich kürzer laden müssen, braucht es auch weniger Ladesäulen.“ Junge rechnet damit, dass 100.000 bis 150.000 öffentliche Ladesäulen reichen würden. Hinzu kämen außerdem viele private Ladepunkte. Und da liegt die Krux: Weil viele Menschen zukünftig bequem zuhause laden werden, wäre der Besuch einer Tankstelle „nicht mehr zwingend nötig“. Aral habe deswegen sein Angebot angepasst und biete auch Firmenkunden Ladesäulen für ihre Stellplätze an.

Aral-CEO: "Tankstellen werden künftig andere Funktionen übernehmen"
Für E-Autofahrer dürften Tankstellen weiterhin interessant bleiben – weil sie praktisch und sicher sind, zudem Toiletten und Einkaufsmöglichkeiten bieten | Bild: Aral

Politik muss E-Autos richtig verstehen – für sinnvolle Regelungen

„Im vergangenen Jahr war die Anzahl der verkauften Kilowattstunden an unseren Tankstellen im zweiten Halbjahr bereits doppelt so hoch wie im ersten“, wird Junge weiter zitiert. Deshalb ist er sich sicher, dass E-Autofahrer Tankstellen weiterhin schätzen würden. Vor allem, weil sie praktisch und sicher seien und eine Toilette bieten. Aber auch, weil sie die Möglichkeit böten, „einen Kaffee, gekühlte Getränke oder ein belegtes Brötchen zu kaufen“, sei der Stopp an einer Tankstelle nach wie vor ein gutes Argument. Dass Aral mittlerweile über 800 Rewe-To-go-Shops in seine Tankstellen integriert hat, spiele da zusätzlich in die Karten.

Doch müsse die Politik E-Autos richtig verstehen, um sinnvolle Regelungen einzuführen, mahnt Junge: „Betreiber können Ladesäulen zwar ohne Genehmigung bauen. Aber zum ultraschnellen Laden braucht es fast immer Trafos und die sind bisher nicht genehmigungsfrei.“ Würde dies geändert, könnte der Ladeinfrastruktur-Ausbau auch schneller vonstattengehen. Außerdem habe der Koalitionsausschuss Ende März beschlossen, dass jede Tankstelle einen Ladepunkt erhalten soll. Diese Versorgungsauflage sei laut Jung jedoch ein „ungeeignetes Instrument„, weil es an manchen Orten einfach keinen Platz für Ladesäulen gebe. Seine Meinung gegenüber T-Online: „Wir können die Auflage so also nicht erfüllen, daher wäre es sinnvoller, entweder keine hundert Prozent vorzuschreiben oder das Einrichten von Ladepunkten außerhalb von Tankstellen etwa bei Supermärkten oder Shoppingcentern in die Berechnung einfließen zu lassen.“ Und er wird deutlicher: Ihn erinnere das Handeln der Politik an eine Planwirtschaft.

Abschließend hat sich der CEO noch zu den Themen synthetische Kraftstoffe und Stromversorgung geäußert. Er hält es für falsch, dass die Debatte E-Fuels und Elektrifizierung gegeneinander ausspiele. „Alles, was den Verkehr dekarbonisiert und wirtschaftlich darstellbar ist, ist gut und dafür braucht es Technologieoffenheit. Gerade für Langstreckenflüge oder Containerschiffe können E-Fuels sinnvoll sein“, erklärt Junge. Zudem mache er sich hinsichtlich der Abschaltung von Atomkraftwerken wenig Sorgen. Die Industrie arbeite bereits an intelligenten Lösungen für die Stromversorgung. Seiner Meinung nach könnten E-Autos zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen, wenn bei Engpässen Strom aus den Autos zurück in die Netze gespeist werde. „Deshalb bin ich absolut sicher, dass wir auch die angestrebten 15 Millionen E-Autos bis 2030 mit ausreichend und grünerem Strom versorgen können“, so der Aral-Vorstand weiter. Jedenfalls glaubt Junge an die E-Mobilität. Ob bis zum Jahr 2030 hierzulande tatsächlich 15 Millionen Elektroautos unterwegs sein werden, weiß er nicht. Aber der Trend hin zur Elektromobilität sei klar und deutlich.

Quellen: T-Online – „Das erinnert an Planwirtschaft“ / Aral – Pressemitteilung vom 18.04.2023 / Handelsblatt – Total verkauft alle Tankstellen in Deutschland

worthy pixel img
Felix Katz

Felix Katz

Felix Katz liebt alles, was vier Räder und einen oder gleich mehrere Motoren hat. Nicht nur Verbrenner, sondern vor allem Elektroautos haben es ihm angetan. Als freiberuflicher Autojournalist stromert er nicht nur fast jeden Tag umher, sondern arbeitet seit über zehn Jahren für viele renommierte (Fach-)Medien und begleitet den Mobilitätswandel seit Tag eins mit.

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Roma:

So offene und klare Worte findet man nicht allzu oft von einem Öl-Riesen.
In Norwegen sieht man ja sehr gut, wo die Reise hinführt.
In unserer Region kann nur die launische Politik selbst im Weg stehen, begleitet von der unnötig komplizierten Bürokratie.

Johannes:

In Bochum habe ich das erste mal Ladesäulen anstelle der Tanksäulen gesehen. Überhaupt sind die Aral-Charger intelligent aufgestellt, sie stehen neben dem Parkplatz statt am Ende. So kann man vorwärts reinfahren und das Kabel kommt von der Seite. Manchmal kann man auch durchfahren, gut für Gespanne. Und nicht zuletzt kann ich dort mit 70 kW über CHAdeMO laden :)

brainDotExe:

Angebot und Nachfrage.
Wenn es wirklich Leute geben sollte, die zum Schnellladen von der Autobahn abfahren wird sich auch das etablieren.

Im Vergleich, Zuhause, PV geführt kostet es 1malig die Investitionskosten.

Damit hast du es quasi auf den Punkt gebracht. Wer zahlt denn die Investitionskosten den Schnellladern? Die werden auf die kWh Preise umgelegt.

Und wenn man es ganz genau nimmt, hast du danach noch die „Kosten“ der entgangenen Einspeisevergütung ;)

Aber ja, mache ich genau so. Seit Februar nur PV Überschuss geladen :)

wenn doch aus dem Netz dann ab 0ct (Awattar)

Nicht in DE…
Minimum sind ca. 15 Cent/kWh.

brainDotExe:

Auch der Großstädter wird doch irgendwo einen Stellplatz für sein Fahrzeug haben und sei es nur der Straßenrand.

Auch dafür gibt es technische Lösungen.
https://www.hs-koblenz.de/hochschule/organisation/pressebereich/aktuelles/detail/_n/e-auto-an-der-laterne-in-rekordtempo-laden-hochschule-koblenz-meldet-patent-fuer-innovativen-ansatz-an

Ich denke die wenigsten Großstädter werden regelmäßig extra zum Schnellader fahren und dort 10-30 Minuten warten.

Erik:

Naja, man sollte hier schon zwischen Großstadt und dem eher ländlichen Raum unterscheiden. Wer kann in einer Großstadt schon zu Hause laden? Der Anteil von EFH-Besitzern ist dort eher gering. Aber ob es dann immernoch die Tankstelle sein wird, wo der Großstädter den Schnelllader suchen und vor allem finden wird…? Es bleibt spannend.

Ulrich:

Ich weiß nicht wie es in DE ist, aber hier sperren mehr und mehr Tankstellen zu

Wir haben aktuell noch rund 14500, die übrig geblieben sind. Tendenz langsam fallend. er. In den 70er Jahren lag der Höchststand bei fast 46000 Tankstellen, nahm dann aber bis in die Mitte der 80er Jahre schnell auf rund 20000 ab.

Wobei unsere Tankstellen fast schon Supermärkten gleichen, an denen man rein zufällig auch ein wenig Sprit bekommt ;-) Das Nebengeschäft macht’s, mit Kraftstoffen alleine wären die wenigsten überlebensfähig.
Wir laden zuhause vom Dach, bei Fernreisen nehmen wir entweder die Ladestationen direkt an den Autobahnen oder fahren einige Kilometer ins Umland. Da unser BEV nur mit max 22 kWh laden kann, nutzen wir diese Gelegenheiten, uns auch abseits der Reiseroute attraktive Orte anzuschauen. Der Weg gehört für uns mit zum Ziel.
Oder wir fahren mit der Bahn. ;-)

brainDotExe:

Ladestationen haben nur die auf der Autobahn, aber das kommt auch noch…

Da ist ja auch der größte Bedarf.
Bei den Tankstellen abseits der Autobahn können die Leute meist zu Hause, beim Arbeitgeber oder beim Einkaufen laden.

Ich kann zu Hause laden und fahre zur Tankstelle nur noch mit dem Sonntagswagen oder für den Rasenmäher.

Ähnliche Artikel

Cover Image for Porsche Cayenne Electric: Der neue Maßstab?

Porsche Cayenne Electric: Der neue Maßstab?

EAN Redaktion  —  

Bei einer ersten Ausfahrt darf der Elektro-Cayenne zeigen, was er kann. Und wir stellen erfreut fest: Endlich mal wieder ein Porsche fürs Grobe.

Cover Image for Grünen-Politiker fordert gezielte E-Auto-Förderung für ländliche Regionen

Grünen-Politiker fordert gezielte E-Auto-Förderung für ländliche Regionen

Michael Neißendorfer  —  

Menschen auf dem Land seien stark aufs eigene Auto angewiesen, während Menschen in Großstädten auch gut ohne vorankommen, so der Grünen-Abgeordnete Kellner.

Cover Image for Porsche fokussiert Batterieaktivitäten auf Zell- und Systementwicklung

Porsche fokussiert Batterieaktivitäten auf Zell- und Systementwicklung

Michael Neißendorfer  —  

Eine eigene Fertigung von Batteriezellen verfolgt Porsche aus Volumengründen und fehlenden Skaleneffekten nicht weiter.

Cover Image for Lyten muss nach Northvolt-Übernahme Investoren überzeugen

Lyten muss nach Northvolt-Übernahme Investoren überzeugen

Tobias Stahl  —  

Nach der Übernahme des insolventen Batterieherstellers Northvolt muss Lyten die nächste Herausforderung meistern: Autobauer zur Rückkehr zu überzeugen.

Cover Image for Kia-Europachef: „Wir halten am E-Auto-Kurs fest“

Kia-Europachef: „Wir halten am E-Auto-Kurs fest“

Michael Neißendorfer  —  

Kia bleibt auf E-Auto-Kurs: Bis 2030 will die zum Hyundai-Konzern gehörige Marke 15 Elektroauto-Modelle im Angebot haben und am Verbrenner-Ende nicht rütteln.

Cover Image for Vision O: Škoda zeigt erste Bilder seines künftigen Innenraumdesigns

Vision O: Škoda zeigt erste Bilder seines künftigen Innenraumdesigns

Michael Neißendorfer  —  

Nach ersten Exterieur-Andeutungen vor wenigen Wochen hat Škoda nun auch die ersten Details zum Innenraum des Konzeptfahrzeugs Vision O enthüllt.