„Wir müssen aufhören mit dem Jammern und Zweifeln am Elektroauto“, sagte Ford Deutschlandchef Martin Sander in einem aktuellen und sehr ausführlichen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Eine Krise der E-Mobilität, wie sie derzeit manche heraufbeschwören, sei für ihn nicht erkennbar: „In ganz Europa wurden 2023 gut 30 Prozent mehr Elektroautos zugelassen als im Jahr zuvor. In Europa wurden dieses Jahr wieder 30 Prozent mehr Elektroautos zugelassen als im gleichen Zeitraum von 2023“, rückt er die Zahlen zurecht.
Sogar „überrascht“ haben Sander demnach „die kräftigen Wachstumsraten selbst in Brasilien, Australien, Thailand, überall in der Welt“. Was ihn zum Schluss kommen lässt: „Ich glaube, wir reden uns in Deutschland die Elektromobilität derzeit ein wenig kaputt“, weil „ansonsten überall in der Welt Wachstum“ zu verzeichnen sei. Ford sei weiterhin „fest davon überzeugt, dass das Elektroauto die Zukunft ist“, und werde von diesem Kurs nicht abweichen.
Er räumt allerdings auch ein, dass es noch einige Baustellen gibt, die abgearbeitet werden müssen, bis Elektroautos auch in der breiten Masse ankommen können, vor allem in urbanen Gebieten, wo nicht jeder über einen eigenen Stellplatz und ergo nicht über eine eigene Lademöglichkeit verfügt: „In den Innenstädten, in den Gegenden mit Mehrfamilienhäusern brauchen viele Menschen eine Gelegenheit zum Laden“, so Sander. Und wenn nicht zu Hause, dann dort, „wo sie oft mit ihrem Auto hinfahren, also am Supermarkt, auf der Arbeit, am Fitnessstudio oder vor dem Kino“. Wenn das gewährleistet sei, „ist das Elektroauto eine einzige Freude“, so Fords Deutschlandchef.
Er sieht den Aufbau von Ladeinfrastruktur als eine Herausforderung, bei der die Autoindustrie „dringend“ die Unterstützung der Politik brauche, „um dem Thema Lademöglichkeiten die nötige Breite zu geben“. Weniger gehe es dabei um Schnellladestationen entlang der Autobahn, „da sehen wir eine ganz gute Entwicklung“. Dennoch müsse der Ausbau auch dort weiter vorangehen, da die Zahl der Lademöglichkeiten „natürlich zu niedrig ist, gemessen an der Entwicklung, die langfristig die Elektromobilität nehmen wird“.
Kritik übt Sander an zuletzt häufiger gehörten Stimmen aus Politik und Industrie, die den Erfolg der E-Mobilität anzweifeln: „Es bringt uns nicht weiter, wenn wir immer wieder die Elektromobilität infrage stellen“, so der Manager. „Wenn ich das als Konsument fünfmal höre, warte ich natürlich auch erst einmal die weitere Entwicklung ab und fahre mein altes Auto weiter. Oder ich kaufe mir noch mal einen Benziner. Und damit ist der Umwelt nicht geholfen.“
„Es gibt keine Alternative zum batterieelektrischen Fahrzeug“
Eine „wirkliche Alternative zum batterieelektrischen Fahrzeug“ sieht Sander nicht, schon gar nicht E-Fuels, wie er anhand der Prozesskette verdeutlicht: „Es ist nicht sinnvoll, in Afrika Energie zu produzieren, sie in einem verlustbehafteten Prozess in chemische Energie umzuwandeln, mit Lkws und Schiffen rund um den Globus zu bringen, in Tankstellen einzufüllen und am Ende mit einem Wirkungsgrad von gerade mal 30 Prozent in einem Verbrennungsmotor zu nutzen“, erklärt er.
Und er bekräftigt seine positive Haltung gegenüber dem Elektroauto mit einem kleinen Gedankenspiel: „Man stelle sich andersherum vor, wie der Verbrenner in einer Welt von Elektroantrieben gesehen würde, hätte sich die Welt vor 100 Jahren für Elektroantriebe entschieden“. Die Technologie hätte kaum eine Chance, sich gegen E-Autos durchzusetzen: „Verglichen mit einem Elektromotor ist ein Verbrennungsmotor deutlich schwerer, hochkomplex, braucht Öl, Kerzen und Filter, wird mit stinkender Flüssigkeit betankt und erzeugt Abgase“, die gesundheits- und klimaschädlich sind. Den Lärm, den Verbrenner verursachen, sowie die Umweltschäden bei der Förderung von Erdöl, vergaß Sander dabei glatt zu erwähnen.
Die einzige Prämisse, unter der Sander E-Fuels zulassen würde, wäre die Versorgung der Bestandsflotte mit einem nachhaltigen Treibstoff. Allerdings unter der Voraussetzung, dass „die Energiebilanz aufgeht. Da müssen wir uns tatsächlich fragen, wie diese Autos klimafreundlich betrieben werden können“.
Ein weiterer Schwachpunkt, der der E-Mobilität aktuell noch hinderlich ist, ist die mangelnde Verfügbarkeit preisgünstiger Elektroautos. Auch hier ist laut Sander Besserung in Sicht: „Auf diesem Markt wird es in den kommenden Jahren mehr Modelle geben“, sagt er, und erklärt, warum sie bislang noch Mangelware waren: „Zu Beginn, als Batterien besonders teuer und rar waren, hat man die natürlich vorzugsweise in größere Fahrzeuge eingebaut, deren Kundschaft bereit war, einen höheren Preis zu zahlen“, schließlich wollten Autohersteller trotz der höheren Kosten noch an ihren Produkten verdienen.
Ein günstiges Elektroauto spielt „in der Strategie von Ford nur eine untergeordnete Rolle“
„Jetzt gehen mit höheren Stückzahlen die Batteriepreise langsam zurück, und das ermöglicht es nun, auch kleinere Autos mit ordentlichen Reichweiten zu angemessenen Preisen anzubieten“, sagt Sander. Ein solches günstiges E-Auto von Ford allerdings sei unwahrscheinlich, da der Hersteller „die alte Produktstrategie hinter sich gelassen“ habe, „mit der man in der Vergangenheit in jedem Marktsegment ein Produkt anbieten wollte“. In Zukunft wolle Ford „viel selektiver nur noch diejenigen Segmente bedienen, die zur Marke passen“. Ein kleines Elektroauto tue dies nicht und spiele daher „in der Gesamtstrategie der Ford Motor Company nur eine untergeordnete Rolle“.
Die wachsende und immer forschere Konkurrenz aus China fürchtet Sander indes nicht: Europa sei „extrem komplex“ und bestehe aus mehr als 30 Ländern „mit verschiedenen Sprachen und gesetzlichen Regelungen“. Hier habe Ford als Hersteller, „der seit über 100 Jahren in Europa produziert und verkauft, einen riesengroßen Vorteil“. Dennoch müsse man chinesische Marken „sehr ernst nehmen, die haben wettbewerbsfähige Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen und bauen nun Händlernetze auf“.
Quelle: FAZ – „Wir reden die E-Mobilität kaputt“