„Elektroautos werden durch eine Ladesäulenförderung nicht billiger“, schreibt Kerstin Andreae, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in einem aktuellen Gastbeitrag bei Tagesspiegel Background. Der Staat sollte lieber „bessere Rahmenbedingungen schaffen, die die Anschaffungskosten von E-Fahrzeugen senken“, anstatt weiterhin den Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur zu fördern.
Derzeit seien – trotz bereits erfolgten Kürzungen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds – im Bundeshaushalt 1,9 Milliarden Euro vorgesehen, um den Aufbau von Lade- und Tankinfrastruktur finanziell zu unterstützen. Für die BDEW-Chefin eine „Verschwendung von Steuergeld“. Sie empfindet den Fördertopf als „überdimensioniert“ und als Maßnahme, die „am falschen Ende investiert“. Zumal gleichzeitig der Umweltbonus, die gezielte Förderung zur Anschaffung von Elektroautos für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen, vorzeitig, plötzlich und ersatzlos gestrichen wurde.
Viel effizienter als die Förderung von Ladeinfrastruktur seien ihrer Meinung nach „bessere Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen und niedrigere Anschaffungskosten für E-Autos“. Andreae schreibt: „Um zum Hochlauf der Elektromobilität beizutragen, muss das Geld richtig kanalisiert werden“. Und sie nennt drei konkrete Gründe, warum öffentliche Ladeinfrastruktur nicht mehr gefördert werden soll.
Erstens findet sie, dass es den Förderprogrammen an Effizienz fehle. Sie seien „überkomplex in der Beantragung und vor allem sehr langwierig in ihrer Bewilligung und nicht praxisgerecht“. Erschwerend hinzu kämen in der Praxis schwer einzuhaltende Fristen, und die Beschaffung müsse für jedes Projekt einzeln erfolgen, was kostengünstigere Rahmenverträge blockiere. Abschreckend seien zudem „aufwändige Berichtspflichten im Nachgang sowie vorgegebene Mindestbetriebsdauern“, welche wiederum „nicht zu den schnellen Innovationsentwicklungen der Ladeinfrastrukturtechnologie und laufenden Veränderungen des Rechtsrahmens passen – zum Beispiel die anstehende Ausstattungspflicht mit PIN-Pads und dynamischen QR-Codes.“
„Der Markt baut schneller, als der Staat fördert“
Zweitens spreche „die Effektivität der bisherigen Programme für öffentliche Ladesäulen gegen die Auflage neuer Programme“. Die Bedeutung derartiger Förderungen sei zu vernachlässigen: Im Jahr 2019 sei nur jede Dritte Ladesäule vom Bund gefördert worden, Ende 2023 sogar nur noch jede Fünfte. Die Fördertöpfe seien in den vergangenen fünf Jahren nie auch nur annähernd ausgeschöpft worden, in der Spitze seien 2021 nur 40 Prozent der vorgesehenen Mittel abgerufen worden, so die BDEW-Chefin. „Das heißt, der Markt baut schneller, als der Staat fördert“, fasst Andreae zusammen.
„Besonders offensichtlich wird dies beim Deutschlandnetz“, schreibt sie, das als flächendeckendes Schnellladenetz noch vom damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im August 2021 als „Ladeturbo“ angekündigt wurde, „der ‚bis 2023 kommt‘“, wie Andreae einordnet. Das Programm aber wurde verschleppt: „Nach der Förderausschreibung im Oktober 2021 erfolgten erst im September 2023 die Zuschläge für 900 zuvor definierte regionale Suchräume“. Und während in den Amtsstuben Anträge bearbeitet wurden, wurde draussen bereits fleißig gebaggert und gewerkelt: „In demselben Zeitraum wurden in mehr als der Hälfte der Suchräume bereits privatwirtschaftlich Schnellladestandorte errichtet“, so Andreae.
Drittens findet die BDEW-Chefin, dass die Förderprogramme zu sehr in einen „sich dynamisch entwickelnden Markt“ einmischen, was Verwerfungen mit sich bringe: Standorte in den staatlich definierten Suchräumen verteuerten sich „signifikant“, gleichzeitig werden attraktive Standorte „nicht dem Markt zur Verfügung gestellt: So fehlt es nach wie vor an Flächen des Bundes, insbesondere auch entlang der Autobahnen“, moniert Andreae und übt Kritik: „Entgegen der seit 2020 wiederholt erfolgten Zusage der Bundesregierung, ihre Flächen zeitnah für die Errichtung von Ladesäulen bekannt zu geben, werden sie immer noch intern auf ihre Eignung geprüft und im Zweifelsfall nur im Rahmen eigener Förderprogramme angeboten.“
Sie verweist auch darauf, dass bereits 2021 das Bundeskartellamt in einem Sachstandsbericht „zu Recht darauf hingewiesen“ habe, dass sich der Staat nicht den Aufbau von öffentlicher Ladeinfrastruktur einmischen sollte und „‚marktorientierte und ordnungsrechtliche Steuerungsinstrumente wie der CO2-Preis oder ein Auslaufpfad für Verbrennungsmotoren als die geeigneteren Maßnahmen‘“ erscheinen.
Bei Elektro-Lkw droht die „nächste Fehlentwicklung“
Beim Aufbau der für eine klimafreundlichere Transportlogistik essenziellen Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw zeichne sich die „nächste Fehlentwicklung“ ab. Eigentlich war geplant, bis 2025 ein „‚initiales Ladenetz’ für E-Lkw entlang der Autobahnen“ aufzubauen. Gebaut allerdings wird – genau – noch nicht: „Anstatt die Flächen pragmatisch den Ladesäulenbetreibern anzubieten, wird noch immer geprüft, ob das ‚initiale Ladenetz‘ so wie das Deutschlandnetz als Dienstleistung ausgeschrieben werden soll.“ Ihr Fazit: „So kommen wir nicht voran.“
Statt in den Aufbau von Ladeinfrastruktur einzugreifen, den ohnehin viele Unternehmen und auch immer mehr Autohersteller selbst in den Hand genommen haben, müsse das Ziel der Regierung sein, dafür zu sorgen, ihren Plan von 15 Millionen zugelassenen Elektroautos bis 2030 zu verwirklichen, den die Energie- und Ladebranche „ganz klar“ unterstütze. Der Bund sollte also lieber am „größten Problem für die Elektromobilität in Deutschland“ ansetzen: „die hohen Anschaffungspreise für E-Pkw – und künftig auch für E-Lkw –, deren Förderung aber gestrichen wurde.“
Quelle: Tagesspiegel Background – Wir brauchen keine neuen Förderprogramme für Ladesäulen