Auf den ersten Blick ist VinFast einfach ein weiterer asiatischer Autobauer. Doch hinter dem Hersteller steckt noch viel mehr. Ein großer Mischkonzern, der eine entscheidende Rolle für die Zukunft Vietnams spielt.
Pham Nhat Vuongs Lebenslauf liest sich wie die so mancher Selfmade-Milliardäre, die mit Ehrgeiz, Talent und Durchsetzungskraft zu Wohlstand gekommen sind und sich jetzt als Automobilhersteller versuchen. Der Sohn eines Luftwaffenoffiziers und einer Teeladenbesitzerin studierte an der Universität für Bergbau und Geologie, ehe er mit einem Stipendium in Moskau seinen Abschluss machen konnte. Schon jetzt hatte der Vietnamese mehr erreicht als viele seiner Landsleute.
Doch sein Glück machte Pham im ukrainischen Charkiw, wo er ein Verfahren für die Herstellung von Trockenfutter ersann und dieses im Jahr 2009 für angeblich 150 Millionen Dollar an den US-amerikanischen Lebensmittelkonzern Nestlé verkaufte. Diese Summe wurde nie bestätigt, fragt man heute bei Angestellten bei seinem Unternehmen Vingroup nach, erhält man ein freundliches Lächeln und die unverbindliche Antwort: „Tut mir leid, ich kenne die exakte Zahl nicht.“
Pham Nhat Vuong scheut das Licht der Öffentlichkeit und gibt möglichst wenig von sich preis. Nur ein enger Kreis von Mitarbeitern haben Zugang zu dem milliardenschweren Unternehmer. Bekannt ist aber, dass er mit Immobilien in seiner Heimat Vietnam ein Vermögen verdient hat und jetzt als Autobauer durchstarten will. „Sein Ziel ist es, den Wohlstand des vietnamesischen Volkes zu verbessern“, betonen die Vingroup-Angestellten immer wieder mit leuchtenden Augen. Die Mission findet den erwarteten Widerhall: Eine von Campaign Asia und NielsenIQ durchgeführte Umfrage im Jahr 2021 hat ergeben, dass die Vingroup die beliebteste einheimische Marke in Vietnam ist. Für den Mann an der Spitze des Unternehmens zahlt sich das ebenfalls aus. Das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 7,5 Milliarden US-Dollar, womit er den ersten Platz in Vietnam und den 344. Platz auf der weltbekanntem Milliardärsliste belegt.
Wie man es dreht oder wendet: Die Vingroup ist eine Erfolgsstory. Der Mischkonzern erwirtschaftet 1,5 Prozent des vietnamesischen Bruttoinlandsproduktes und stellt 13 Prozent des Börsenwertes am Ho Chi Minh Stock Exchange dar. Immense Werte. Und das alles mit dem Segen der vietnamesischen Regierung. Denn die Vingroup ist eines der wenigen Unternehmen des sozialistischen Staates, das nicht direkt unter der Kontrolle der kommunistischen Partei steht. Allerdings geht in der Sozialistischen Republik Vietnam ohne gute Verbindungen zur Parteispitze wenig bis nichts. Zumal die Branchen der Vingroup etliche Bereiche des öffentlichen Lebens durchdringen. Neben den Immobilien gehören Krankenhäuser, Hotels, Restaurants, Schulen, eine Art vietnamesisches Ebay, Einkaufszentren und natürlich auch der Automobilhersteller VinFast zum Reich des Multi-Milliardärs.
Jetzt also Autos. Auch hier lautet die Devise nicht kleckern, sondern klotzen. Die Vietnamesen setzen auf Elektroautos und wollen noch dieses Jahr in den USA, Deutschland, Frankreich sowie den Niederlanden loslegen. Im Jahr 2026 sollen bereits 950.000 Autos vom Band laufen. Deswegen zieht der asiatische Automobil-Newcomer in North Carolina und in Europa Fabriken hoch. Ein mutiges Vorhaben, da diese Märkte nicht zu den einfachsten gehören und sich etablierte Hersteller mit Milliardeneinsatz um die Pfründe kämpfen. Aber alles politisch korrekt. „Vingroup strebt ein nachhaltiges und umweltfreundliches Portfolio an. Neben Autos, Elektrorollern, Energie und „grünen“ Technologien konzentriert sich Vingroup auch auf die Entwicklung intelligenter Gebäude und die Verwendung energiesparender Materialien in den Bereichen Immobilien, Resorts, Einzelhandel und soziale Infrastruktur“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Wie ambitioniert Phams Nhat Vuongs Pläne sind, erkennt man an Vinhomes Ocean Park im Herzen der Metropole Hanoi entsteht eine Stadt in der Stadt mit einem künstlich angelegten Salzsee inklusive Sandstränden, einer riesigen Mall und einem Wohnkomplex, in dem sich aufstrebende Mittelschicht des asiatischen Landes wohlfühlen soll. Allerdings ist die Frage, ob dieses Klientel schon in ausreichender Anzahl vorhanden ist. Bei einem einfacheren Apartment kostet der Quadratmeter 1.500 US-Dollar, soll es etwas nobler sein, werden rund 4.000 Dollar fällig. Wer sich für eine Villa entscheidet, muss mindestens zwei Millionen US-Dollar hinblättern.
Bei unserem Besuch war auf den kerzengeraden Straßen und den postkartenartig aufgereihten Gebäuden. Um den Erfolg des Unternehmens zu gewährleisten, hat die Vingroup gleich nebenan eine private Universität errichtet, in der die geistige Elite des Landes lehren und forschen soll. Dass auch hier „think big“ gilt, zeigt das Auditorium mit 1.500 Plätzen. Ob sich das Multi-Geschäftsunternehmen bei dem Tanz auf vielen Hochzeiten nicht verzettelt und die Automobilsparte darunter leidet, wird sich in weniger Jahren zeigen.