Der EQA 250 ist ein nettes E-Auto. Aber mit nett ist das so eine Sache. Jeder weiß, das kann auch böse gemeint sein. Dabei ist der kompakte SUV, der kleine Bruder vom EQC, perfekt verarbeitet. Da gibt es nichts zu kritisieren. Aber es sticht auch wenig heraus, was echtes Lob verdient hätte.
Da will Daimler-CEO Ola Källenius den Start weiterer E-Autos vorziehen und betont in jeder Ansprache die Bedeutung der Elektromobilität für den Konzern. Zum Auftakt der CES 2020 präsentiert Källenius sogar ein futuristisches AVTR-Fahrzeug mit organischer Batterie in Kooperation mit Avatar-Regisseur James Cameron. Doch die Realität im EQA hat so gar nichts Visionäres. Es mag daran liegen, dass der EQA auf der MFA-2-Plattform basiert. Es ist eine Hybridarchitektur für sämtliche Antriebsarten. Also gibt es hinten im Fußraum einen kleinen Tunnel und der Ladeport ist dort, wo sonst der Tankstutzen liegt – hinten rechts. Für die meisten Schnelllader empfinde ich diese Platzierung als unpraktisch. Der GLA, das Verbrener-Pendant zum EQA, bietet im Kofferraum etwas mehr Platz. Hier stehen nur 340 Liter zur Verfügung (1.320 Liter mit umgeklappter Rückbank). Das Ladekabel muss unter den Boden. In der Front ist dafür kein Platz.
Mercedes-Benz EQA: 316 km sind möglich
Das Öffnen der Fronthaube sorgt für einen Schreckmoment. Während man sonst bei E-Autos auf Kunststoffabdeckungen und Staufächer blickt, bekommt man beim EQA den gesamten Umfang an Frontmotor, Wechsel- und Gleichrichtern, Kühl- und Hochvoltkabeln zu sehen. Schön für Technik-Fans. Schlecht für Leute, die ihr Ladekabel hier ablegen möchten, weil der Kofferraum voll Gepäck ist.
Der Asynchron-Motor leistet bis zu 140 kW Leistung und bringt den 2.040 kg schweren Kompakt-SUV in 8,9 Sekunden auf Tempo 100. Bei 160 km/h wird der EQA abgeriegelt. Die Batterie liefert das Tochterunternehmen Accumotive aus Kamenz. Mit den 66,5 Kilowattstunden soll der EQA 426 km (WLTP) schaffen. Zunächst sind 365 km die höchste Reichweitenanzeige nach meinem ersten Ladestopp. Nach den 14 Testtagen hat sich der Wagen an meine Fahrweise gewöhnt und zeigt realistische 316 km bei vollständiger Ladung. Das Navi bezieht neben der Fahrweise auch Wetterdaten und Topografie (Höhenmeter) mit ein und kommt so zu einer verlässlichen Reichweitenberechnung.
Die Ladegeschwindigkeit ist ebenfalls ein positiver Aspekt. 11 kW am Wechselstrom- und 100 kW am Gleichstromanschluss. Bei Ionity schaffe ich es an einem warmen Sommertag (28 Grad) in 34 Minuten von 13 auf 90 Prozent. In der Spitze zeigt das Display der Ladesäule 113 kW Ladeleistung. Die bleibt bis 61 Prozent SoC dreistellig. So machen lange Strecken mit dem E-Auto Spaß.
Ein Komfort-Traum in Weiß
Laut MBUX-Infotainmentsystem liegt mein Verbrauch bei 18,7 kWh pro 100 Kilometer. Das ist nur eine Kilowattstunde über dem Broschürenwert. 83 Prozent der Energie werden fürs Fahren aufgewandt, neun Prozent für sonstige Verbraucher (Navi, Musik, Ambient-Beleuchtung) und lediglich acht Prozent für die Klimatisierung. Hier zeigt vermutlich die serienmäßig verbaute Wärmepumpe ihre positive Wirkung.
Das Fahren mit dem EQA ist ausgesprochen komfortabel. Der EQA ist weich gefedert. Die weißen Ledersitze lassen sich elektrisch auf die gewünschte Position samt Lordosenstütze einstellen. Memory-Knöpfe an beiden Frontsitzen merken sich insgesamt drei Positionen. Der Motor ist akustisch von Fahrwerk und Karosserie entkoppelt, so dass keine Schwingungen und Geräusche übertragen werden. Die Burmester-Lautsprecher samt der Konfigurations-Möglichkeiten im Menü sorgen für Konzertsaal-Atmosphäre. Das große Glasschiebdach reicht von den Front- bis zu den Rücksitzen. Leider wird es nach 58 cm von einem Balken unterbrochen. Fährt das Glasdach nach hinten, entsteht lediglich eine Öffnung von 38 cm.
Anfahren mit Assistent
Auf der Autobahn aber auch in der Stadt aktiviere ich oft die Assistenten (Abstandstempomat und Spurhalter). Im Head-up-Display (HUD) sehe ich die entsprechenden grünen Symbole neben meinem Tempo, der erlaubten Geschwindigkeit sowie den Navigationsangaben. Wer das so nicht mag, kann das Layout der Anzeigen im HUD als auch Fahrerdisplay seinen Wünschen anpassen. Was mir extrem gut gefällt, ist die automatische Anpassung der Geschwindigkeit, wenn ein neues Tempolimit erkannt wird. Dabei beschleunigt oder verzögert der EQA nicht mit aller Macht, sondern extrem sanft und Energie-schonend. Die Rekuperations-Leistung verstellt der Fahrer in vier Stufen mit Wippen am Lenkrad. Dabei liefert D– die höchste Rekuperationsleistung, die aber keinem One-Pedal-Drive entspricht. Ein Fußtritt auf das Bremspedal ist immer noch notwendig.
Der Fahrassistent bleibt auch bei einem kurzen Ampelstopp aktiv, so dass ein leichtes Antippen des Fahrpedals genügt und der Wagen seine Fahrt fortsetzt. Hat der Assistent seinen Dienst bei einem Stopp eingestellt, hilft ein Druck auf den Reset-Knopf am Lenkrad und eine leichter Tritt auf das Fahrpedal.
Augmented Reality in der Navigation
Beim Abbiegen zeigt das Navi Augmented-Reality-Elemente an. Allerdings nicht im HUD, sondern im mittleren Display. Im Kamerabild werden blaue Abbiegepfeile als auch der Straßenname angezeigt. Mein Highlight ist allerdings die Ampel-Kamera. Stehe ich als erster an einer roten Ampel, schaltet sich die Frontkamera ein und zeigt mir im Weitwinkelmodus die Ampellichter. Als großer Mensch sehe ich oft die oberen Lichter nicht, ohne mich vorzubeugen. Das kann ich mir nun sparen. Auch wenn in den Ablagen wühle, bekomme ich im Augenwinkel immer noch mit, wann die Ampel auf Grün springt.
Bei hohen sommerlichen Temperaturn hätte ich vor der Abfahrt gern den Wagen vorher gekühlt. Auch beim Ladestopp hätte ich gern den Zustand in der App gesehen, doch bei meinem Test musste ich mich entscheiden: App oder Mercedes Me Charge-Karte nutzen? Beides konnte für mich nicht freigeschaltet werden. Da ich den EQC schon mal samt Mercedes Me-App getestet habe, weiß ich, das derartige Dinge aus der Ferne funktionieren. Mit der Mercedes Me Charge stehen dem Nutzer 450.000 AC- und DC-Ladepunkte in 31 Ländern zur Verfügung. Im Test konnte ich keine finden, die meine Ladekarte abgelehnt hätte. Die Karten kostet 99 Euro pro Jahr und die Ladepreise richten sich nach den Betreiber-Vorgaben. Mit dem Ionity-Paket laden Mercedes-Fahrer für 0,29 Euro pro kWh an den Schnelllader. Leider benötigt man für den Start immer noch die Plastikkarte, demnächst soll das mit dem im Fahrzeug hinterlegten Kundenkonto direkt funktionieren.
Voller Umweltbonus
Für Apples CarPlay benötige ich noch ein Kabel. Der Anschluss liegt direkt unter der induktiven Ladematte. Zwei weitere USB-C-Anschlüsse befinden sich in der mittleren Armlehne. Auf „Hallo Mercedes“ reagiert die Sprachsteuerung direkt und setzt meine Wünsche in Sachen Klimaanlage und Navigation fehlerfrei um. Das macht einen guten Eindruck.
Mit seinen 4,46 m ist der EQA 30 cm kürzer als der EQC. Beim Einparken ist das praktisch. Mit Außenspiegeln misst der Wagen 2,02 m in der Breite und 1,62 m in der Höhe. Mit einem Radstand von 2,73 m fällt der Innenraum kompakt aus. Doch der Platz reicht für vier Erwachsene. Die hinten Sitzenden haben ausreichend Bein- und Kopffreiheit sowie zwei Lüftungsauslässe und einen USB-C-Anschluss. In der mittleren Armlehne stecken ausklappbare Getränkehalter. Wer mag, erhält den EQA mit Anhängerkupplung, mit der sich bis zu 750 kg schwere Lasten ziehen lassen. Oder man montiert einen Fahrradträger mit bis zu 80 kg Stützlast.
Mit einem Basispreis von 47.540 Euro ermöglicht der Hersteller die Mitnahme des vollen Umweltbonus. Wer einen Einstieg in die Elektromobilität wagt, geht mit dem EQA kein Risiko ein. Er liefert solides Mittelmaß. Bei meinem Testfahrzeug vielen mir als auch sämtlichen Mitfahrern als erstes die kupferfarbenen AMG-Felgen ins Auge. Darum sage ich: Der EQA 250 ist kupfernes statt goldenes Mittelmaß. Für Mercedes-Benz ist er der Einstieg ins Kompakt-Segment. Weitere Varianten mit Allrad-Antrieb und stärkerem Motor werden folgen.