Mehr als jeder Dritte Tscheche kann sich aktuell den Kauf eines Elektrofahrzeuges nicht vorstellen. Etwa jeder Fünfte hingegen denkt im Nachbarland Deutschlands darüber nach. Dies berichtete Helena Truchlá, Analystin beim soziologischen Think-Tank STEM, der Redaktion von Euractiv. „Die tschechische Öffentlichkeit nimmt die Elektromobilität immer noch negativ wahr. Das hängt damit zusammen, dass Elektroautos für einen großen Teil der Bevölkerung immer noch zu teuer und für den Alltag etwas zu ungewohnt sind“, wird die Expertin zitiert.
Die tschechische Öffentlichkeit sei mehrheitlich gegen den Plan der EU, den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 zu verbieten, berichtet Truchlá ferner. Offenbar gebe es dabei aber auch Verständnisprobleme der neuen Verordnung durch die Europäische Kommission. So hätten offenbar nur 27 Prozent der Befragten verstanden, dass noch vorhandene Verbrennerfahrzeuge über 2035 hinaus noch gefahren werden dürfen. Die Hälfte der Befragten sei sich hingegen sicher gewesen, dass das Fahren von konventionell betriebenen Fahrzeugen ab 2035 verboten wäre.
Laut European Investment Bank ziehen lediglich 17 Prozent aller Tschechen für den Kauf ihres nächsten Autos ein vollelektrisches Fahrzeug in Erwägung – einer der schlechtesten Werte in der gesamten EU. Weitere 31 Prozent denken zumindest über den Kauf eines Plug-in-Hybriden nach. Für 52 Prozent der Tschechen kommt jedoch auch als nächstes Fahrzeug ausschließlich ein Fahrzeug mit alleinigem Verbrennungsmotor in Betracht.
Mitte 2022 waren von etwa 4 Millionen in Tschechien zugelassenen Fahrzeugen gerade einmal 12.000 vollelektrisch. Das entspricht einem Anteil von lediglich 0,3 Prozent – und das, obwohl mit dem Skoda Enyaq ein attraktives europäisches Elektromodell sogar in Tschechien selbst gebaut wird. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Anteil inzwischen bei etwa 2,1 Prozent. Dass die Tschechen sich mit der Elektromobilität so schwer täten, habe vor allem finanzielle Gründe, so Helena Truchlá.
Der Durchschnittslohn in Tschechien lag zuletzt laut der Beratungsfirma Mazars bei etwas mehr als 1.500 Euro im Monat, in Deutschland waren es 4.130 Euro. Somit verdient der deutsche Arbeitnehmer im Schnitt fast dreimal so viel wie sein tschechisches Pendant.
Quelle: Euractiv – „Viele Tschechen halten Umstieg auf E-Auto für völlig unvorstellbar“
Kann sein, dass zudem in Tschechien auch die Arbeitsplatzdiskussion und -sorge eine wesentliche Rolle spielt. Das Land hat viele Arbeitnehmer in der (traditionellen) Automobilindustrie und bei Zulieferern. Und Škoda ist trotz Enyaq nicht gerade Vorreiter in Sachen schnellen BEV-Umstiegs und hat diese Rolle auch nicht im VW-Konzern zugewiesen bekommen.
Mit den finanziellen Gründen ist ja mittlerweile auch widerlegt. Wer es sich über Jahrzehnte einen Verbrenner leisten kann, der kann sich erst recht über Jahrzehnte ein E-Auto leisten, weil der TOC nunmal geringer ist. Um den hohen Anfangsinvest zu umgehen gibt es Kredite und Leasing.
Schockierend ist auch, wie viele Leute Populistenquatsch glauben, obwohl die Wahrheit so einfach herauszufinden ist. Also dass die Neuzulassung verboten ist, nicht die Weiternutzung.
.. und das alles ist natürlich in der Slowakei, in Bulgarien, in Rumänien, in Ungarn und in Südosteuropa durchaus ähnlich. Wird in weiten Teilen Europas ein lang andauernder Prozess des Umstiegs auf BEV sein.
Saubere Luft ist eben nicht jedem gleich viel wert. Umweltbewusstsein ist bekanntermaßen unterschiedlich stark in der Bevölkerung verankert. Wenn man sich über Jahrzehnte hinweg an stinkende Abgase gewöhnt hat vergisst man eben auch, dass es anders geht. Ist doch bei uns im ländlichen Raum mit den Holzöfen auch nichts anderes oder? Holz verbrennen ist ja so umweltfreundlich.
Abgesehen davon gehört zu einem sauberen Auto eben auch ein sauberer Strommix. Davon ist Tschechien leider noch strahlend weit entfernt.
Ich gehe davon aus, das in den östlichen EU Ländern die Transformation viel schneller als in Deutschland startet und abläuft.
Zum einen wird es ja die positiven Beispiele aus Deutschland und anderen Ländern geben (Haltbarkeit, Reparaturanfälligkeit).
Zum anderen können diese Länder auf einem viel höhern Level als wir bei der Meinungsbildung starten. Egal wie fortschrittlich eine ZoE oder ein i3 zu ihrer Zeit waren, die aktuellen Modelle sind viel besser (Ladeverhalten, Ausstattung, Reichweite…).
Auch in Norwegen haben sie mal klein angefangen … :-)