Die EU hat Ende der vergangenen Woche CO2-Ziele für schwere Nutzfahrzeuge mit über 7,5 Tonnen Gewicht festgelegt, die den Verkauf neuer Diesel-Lkw ab 2040 weitestgehend auslaufen lassen werden. Die Hersteller müssen demnach die durchschnittlichen Emissionen neuer Lkw bis zum Jahr 2030 im Flottendurchschnitt um 45 Prozent, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent senken. Es wird erwartet, dass das Parlament und der Rat noch vor April über die Vereinbarung abstimmen werden.
Laut der der Vereinbarung dürfen E-Fuels oder Biokraftstoffe nicht angerechnet werden, da die CO2-Emissionen am Auspuff gemessen werden. Ob synthetische Kraftstoffe nicht doch als klimaneutral angerechnet werden dürften, soll jedoch bei einer Überprüfung der Verordnung 2027 neu diskutiert werden. Nach Pkw sind schwere Nutzfahrzeuge der zweitgrößte Verursacher von CO2 im europäischen Verkehrssektor.
„Die EU gibt den Lkw-Herstellern klar vor, wann fast alle ihre Fahrzeuge emissionsfrei sein müssen. Die europäischen Hersteller haben jetzt einen klaren Fahrplan, um die Produktion von Elektro- und Wasserstoff-Lkw hochzufahren und für die Herausforderung durch Tesla und chinesische Konkurrenten gerüstet zu sein“, lobt Fedor Unterlohner, Frachtmanager bei Transport & Environment (T&E), den Kompromiss und die dadurch entstehende Planungssicherheit in einer Mitteilung der Umweltorganisation.
T&E zeigt sich erleichtert, dass die Verhandlungsführer dem Druck der fossilen Brennstoffindustrie widerstanden haben, eine Hintertür für E-Fuels und Biokraftstoffe zu schaffen – die zwar klimaneutral hergestellt werden könnten, aber nur mit sehr hohem Energieaufwand, und dennoch Lärm durch Verbrennungsmotoren verursachen sowie am Auspuff gesundheitsgefährdende Stoffe wie Stickoxide ausstoßen.
Unterlohner weiter: „Kein Stakeholder hat alles bekommen, was er wollte, aber die Wahrheit ist, dass es sich um einen sehr ausgewogenen Deal und eine positive Nachrichten handelt. Einer der größten Umweltverschmutzer Europas hat einen Pfad vorgelegt bekommen, um umweltfreundlicher zu werden. Den Herstellern und der Speditionsbranche wird damit langfristige Investitionssicherheit gegeben. Jetzt beginnen wir mit der Umsetzung.“
T&E zufolge sollten die EU-Ziele dazu führen, dass im Jahr 2030 rund 30 Prozent und im Jahr 2040 mindestens drei Viertel aller verkauften Lkw emissionsfrei sein werden – sei es mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb.
ACEA mahnt ausreichende Lade- und Wasserstoffinfrastruktur an
Auch der Verband der europäischen Automobilhersteller ACEA wertet das Signal aus Brüssel positiv: Lkw- und Bushersteller unterstützen eine ehrgeizige Dekarbonisierungsagenda voll und ganz, schreibt der ACEA in seiner Mitteilung – weist allerdings auch darauf hin, dass der vereinbarte Umsetzungszeitplan in Ermangelung wichtiger Voraussetzungen herausfordernd sei.
„Infrastruktur zum Aufladen und Tanken von Elektro- und Wasserstofffahrzeugen, umfassende CO2-Preisregelungen und sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen für Verkehrsbetreiber, um schnell zu investieren: Dies sind die Schlüsselkomponenten für die schnelle Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrssektors“, betonte Sigrid de Vries, ACEA-Generaldirektorin. Man könne „nicht weiterhin ehrgeizige Ziele für Fahrzeughersteller setzen und eine schnelle und reibungslose Umsetzung erwarten. Ohne einen Rahmen, der die Nachfrage nach den Null-Emissionsmodellen stützt, wird es unmöglich sein, die Ziele zu erreichen – insbesondere mit dem geplanten Zeitplan“, mahnt de Vries.
Um die Ziele bis 2030 zu erreichen, müssen mehr als 400.000 batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Fahrzeuge auf der Straße sein, rechnet der ACEA vor, und mindestens ein Drittel aller neuen Zulassungen müssen demnach emissionsfreie Modelle sein. Europa benötige dafür mindestens 50.000 geeignete Ladestationen (größtenteils Megawatt-Ladesysteme) und mindestens 700 Wasserstoff-Tankstellen, damit die Gleichung aufgeht.
Die Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs erfordere eine kollektive Anstrengung einer Vielzahl von Interessengruppen im gesamten Verkehrsökosystem. „Wir tragen unseren Teil bei, indem wir in die Serienproduktion von emissionsfreien Lastwagen und Bussen investieren und diese hochfahren. Aber hängen von der Fähigkeit unserer Kunden ab, dass sie in diese neuen Fahrzeuge investieren, um ältere Fahrzeuge zu ersetzen, die derzeit noch auf Europas Straßen unterwegs sind“, fügte de Vries hinzu. Die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten gleichermaßen müssten sich dazu verpflichten, dass Mängel frühzeitig erkannt und behoben werden, um das Dekarbonisierungsziel gemeinsam zu erreichen.
„Wir schaffen Planungssicherheit für eine der wichtigsten europäischen Industriebranchen“
Bas Eickhout (Grüne), der niederländische Verhandlungsführer der Delegation im Europäischen Parlament, unterstrich, dass die Grenzwerte nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz seien, sondern auch für sauberere Luft in Europa sorgten. „Wir schaffen jetzt Planungssicherheit für eine der wichtigsten europäischen Industriebranchen und setzen starke Anreize, in Elektrifizierung und Wasserstoff zu investieren“, fügte er mit Blick auf alle betroffenen Unternehmen und Hersteller hinzu. Eigentlich hatten die Grünen den Verbrennungsmotor bis 2040 sogar komplett abschaffen wollen, aber das sei wohl zu weit gegangen, räumte er ein. „Dennoch bin ich mit diesen Zielen sehr zufrieden, denn es ist eine enorme Beschleunigung, und der Geltungsbereich des Gesetzes wurde in den Verhandlungen erweitert“, so Eickhout.
Christel Schaldemose, die zuständige Abgeordnete der sozialdemokratischen S&D-Fraktion, begrüßte das Ergebnis, das ihrer Meinung nach nicht leicht zu erzielen war. Die Einigung sei „nicht perfekt, aber angesichts des derzeitigen politischen Klimas ganz gut“, schrieb sie auf X (vormals Twitter).
E-Fuel Alliance mit fragwürdiger Kritik
Der Lobbyverband der Mineralölindustrie EFuel Alliance äußert sich naturgemäß enttäuscht. Und scheint langsam auch keine wirklich stichhaltigen Argumente mehr für E-Fuels und Biokraftstoffe zu haben. „Die Logistikbranche wird durch diese Entscheidung dazu gezwungen, sich aktiv ins Ungewisse zu stürzen“, kritisiert Ralf Diemer, CEO der EFuel Alliance. Nur: Was ist daran ungewiss, wenn der Pfad nun klar Richtung Batterie- und Wasserstoff-Lkw weist?
Diemer weiter: „Bislang können batteriebetriebene Lkw oder Fahrzeuge mit Brennstoffzellen tägliche Fahrleistungen zwischen 500 und 1000 Kilometern nicht abdecken. Ferner besteht weder europaweit ein flächendeckendes, für Lkw notwendiges, Megawatt-Ladenetz, noch ist dieses in greifbarer Nähe“, kritisiert Diemer. Nur: Bis 2040 sind noch 16 Jahre hin, die Technologien für höhere Reichweiten und auch das Ladenetz können nun planungssicher entwickelt und auf- und ausgebaut werden.
Besonders absurd ist Diemers Einwurf, „dass dem Klimaschutz dadurch nicht wirklich zum Durchbruch verholfen wird, weil es in dieser Regulierung vollkommen egal ist, wieviel CO2 bei der Erzeugung des Stroms oder des Wasserstoffs ausgestoßen wird, während ein mit 100 Prozent erneuerbaren E-Fuels betankter Lkw mit Verbrennungsmotor wegen der lokalen CO2-Emission am Auspuff als Option ausgeschlossen wird“. Hier schafft der CEO der EFuel Alliance tatsächlich den Spagat, in einem einzigen Satz Elektro- und Wasserstoff-Lkw als klimaschädlich und gleichzeitig E-Fuel-Verbrenner als klimafreundlich hinzustellen – obwohl sie alle die für ihr Vorwärtskommen benötigte Energie aus ein und demselben Stromnetz beziehen.
Auch die generell schlechte Energiebilanz von E-Fuels kehrt Diemer unter den Tisch. Unmengen an Strom sind nötig, um synthetische Kraftstoffe und auch Wasserstoff überhaupt herstellen zu können. Grob überschlagen ist es so, dass mit ein und derselben Menge Energie ein E-Fuel-Verbrenner 100 km weit kommt, ein Wasserstoff-Lkw 300 km und ein Batterie-Lkw 600 km.
Die EFuel Alliance verweist in ihrer Argumentation auch auf die Rechnung des ACEA, wonach in Europa bis 2025 insgesamt 15.000 und bis 2030 50.000 Ladepunkte für schwere Nutzfahrzeuge benötigt werden, und diese seien „bislang schlichtweg nicht existent. Dasselbe gilt für die Betankungsinfrastruktur von Wasserstoff“. Nur: Ausreichend Erzeugungskapazitäten für E-Fuels, um den Bedarf von schweren Nutzfahrzeugen zu decken, sind ebenfalls „schlichtweg nicht existent“, um im Duktus des Verbands zu bleiben. Und auch nichtmal in greifbarer Nähe, wie vor kurzem das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) herausgefunden hat.
Dem PIK zufolge waren für 2035 weltweit Stand Anfang 2023 etwa 60 neue E-Fuel-Projekte angekündigt, von denen nur gut 1 Prozent mit einer finalen Investitionsentscheidung tatsächlich auch gesichert waren. Alle diese weltweiten Projekte entsprechen zusammengenommen nur etwa 10 Prozent des unverzichtbaren E-Fuel-Bedarfs allein Deutschlands und nur für jene Sektoren, in denen Batterien und Wasserstoff keine Option sind, also im Flugverkehr, dem Schiffsverkehr und dem Chemiesektor.
„Das ist ein Glücksspiel auf dem Rücken unserer Industrie“
Auch Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Europäischen Parlament, argumentiert etwas fragwürdig: „Statt einen Wettbewerb der besten Technologien zu ermöglichen, heißt es erneut: Alles auf eine Karte. Eine Rückfalloption ist nicht vorgesehen. Das ist ein Glücksspiel auf dem Rücken unserer Industrie“, sagte er. Nur: Es gibt sehr wohl mehrere Optionen und einen Wettbewerb, zwischen Elektro-Lkw mit Batterie und Elektro-Lkw mit Brennstoffzelle sowie Wasserstoff-Verbrennungsmotoren.
Allesamt Antriebe, die energetisch und was in letzterem Fall auch die Emissionen am Auspuff betrifft, um einiges nachhaltiger und sauberer sind, als es E-Fuels je sein könnten.
Quelle: Transport & Environment / ACEA / EFuel Alliance – Pressemitteilungen vom 18.01.2024 / Euractiv – Einigung: EU setzt auf emissionsfreie Lkw und Busse / DVZ – EU einigt sich auf strengere CO2-Grenzwerte für Lkw