Laden zum monatlichen Flatrate-Tarif – egal an welchem Ladepunkt. Keine Weiterberechnung einer Blockiergebühr. Ladekosten-Erstattung an Säulen, die nicht von der App abgedeckt werden. Entweder sind die Macher von Elvah furchtbar naiv oder der Traum eines jeden E-Auto-Fahrers. “Wir wollen Elektromobilität mit datengetriebenen Lösungen so einfach wie möglich gestalten”, sagt CEO und Co-Gründer Gowry Sivaganeshamoorthy im Gespräch mit Elektroauto-News.
Elvah befindet sich in der Public-Beta-Phase. Die Kunden wählen zwischen einem Flat- oder einem Flex-Abo. Flex-Abos bieten in vier Fahrzeugkategorien jeweils vier Kilowattstunden-Pakete. Los geht es in Stufe 1 mit monatlich 25 Euro für 50 kWh. Der VW ID.3 oder das Model 3 von Tesla laden beispielsweise im M-Flex-Abo bis zu 290 kWh pro Monat für 139 Euro.
Fremdladekosten werden erstattet
Bei den Flatrate-Abos sind die Energiemengen nicht begrenzt. Für die genannten Fahrzeuge kostet ein M-Flat-Abo 159 Euro pro Monat. Es umfasst sämtliche Ladevorgänge an allen öffentlichen Ladepunkten in Deutschland. Lässt sich eine Säule nicht mit der App aktivieren oder lädt ein Tesla-Fahrer am Supercharger, kann er oder sie die Fremdkosten Elvah in Rechnung stellen. Sie werden innerhalb von 48 Stunden gutgeschrieben.
“Bis maximal zum Monatstarif erstatten wir Fremdkosten”, sagt Sivaganeshamoorthy. Menschenliebe oder ökonomischer Wahnsinn? Die Frage stellt sich im Gespräch immer wieder. “Wir glauben an das Gute im Menschen und darin unterstützen uns unsere Daten”, so der Gründer. Als “obsessive Kundenorientierung” beschreibt er das Credo von Elvah. Kaum ein Nutzer stehe länger als vier Stunden an einem Ladepunkt, so dass sich der Aufwand für die Weiterberechnung der Blockiergebühr nicht lohne. Wenn ein gewähltes Abo nicht passt, kann der Kunde zum Monatsende wechseln.
Ein beruhigendes Gefühl geben
Als Kunde stimmt man einer Fair Use-Policy zu, die bislang kaum jemand missbraucht. Gedacht sind die Flatrates ausschließlich für Privatnutzer. Doch beim genannten M-Tarif müsste man monatlich 1.600 km oder jährlich über 19.000 km fahren, damit sich die monatliche Gebühr rechnet (bei 20 kWh Verbrauch und 0,49 Euro / kWh als DC-Vergleichstarif). “Wir haben als Zielgruppe nicht den engagierten Early-Adopter im Sinn, sondern den Massenmarkt. Wir wollen Kunden das beruhigende Gefühl mit auf den Weg geben, einfach überall laden zu können”, sagt Sivaganeshamoorthy. Er hält Ladeverluste sowie saisonale Schwankungen im Verbrauch dem Rechenbeispiel mit den 1.600 km entgegen. Zudem belegen Daten, dass Menschen mit E-Autos mehr Kilometer pro Jahr fahren als zuvor mit ihren Verbrennern.
Überhaupt ist Sivaganeshamoorthy extrem datenorientiert. Der IT-Fachmann hat mit seinen Kollegen in einer Digital-Agentur Angebote für die Champions League der UEFA sowie Kunden aus dem Tourismus- und Luftfahrt-Bereich entwickelt. Dann kam die Pandemie. Nach acht Wochen “Schockstarre” fiel der gemeinschaftliche Entschluss, ein Angebot in der Elektromobilität zu entwickeln. Sivaganeshamoorthy fährt seit vier Jahren E-Auto. Zusammen mit seinen Mitgründern Wilfried Röper und Sören Ziems firmierte das Unternehmen zur Elvah GmbH um. Firmensitz ist der Ort Grafschaft in Rheinland-Pfalz.
Mehr Ladepunkte als im BNetzA
Im September 2020 begann die Implementierung der Software. Einige hundert Verträge mit Roaming-Plattformen sowie Ladesäulenbetreibern mussten ohne persönliche Treffen abgeschlossen werden. Inzwischen umfasse die Elvah-Datenbank mehr öffentliche Ladepunkte als die Verzeichnisse der Bundesnetzagentur (BNetzA) oder des BDEW (Ladesäulenregister), so der Gründer. Rund 92 Prozent dieser erfassten Ladepunkte lassen sich mit der Elvah-App aktivieren. Auf eine physische Ladekarte verzichtet das Unternehmen aufgrund der Kopiergefahr von RFID-Karten. Bei Standorten mit schlechtem Mobilfunkempfang setzt Elvah auf die Freischaltung der Säule per NFC-Chip im Smartphone. Allerdings kommt diese Funktion erst in einer der kommenden App-Versionen.
Nicht nur die Flatrate soll dem Fahrer die notwendige Gelassenheit im Umgang mit dem E-Auto verschaffen. “Über Mechanismen des maschinellen Lernens erstellen wir Empfehlungen für verlässliche Ladepunkte in der Umgebung des Nutzers”, sagt Sivaganeshamoorthy. Elvah wertet Daten zu Ladeabbrüchen sowie Fehlermeldungen der öffentlichen Ladepunkte aus. In einem zweiten Schritt werden auch Vorlieben und Ladegewohnheiten des Nutzers in die Empfehlungen einfließen.
Autocharge geplant
Neben einem Angebot für gewerbliche Nutzer steht auch eine Autocharge-Lösung auf der To-do-Liste des Start-ups. Etliche Ladeanbieter ermöglichen bereits einen automatisierten Ladestart, sobald Säule und Auto miteinander verbunden sind. Fastned beispielsweise nennt diese Funktion Autocharge und nutzt dazu die Mac-Adresse des Elektroautos.
Wie viele Kunden die Elvah-App bereits nutzen, mag Sivaganeshamoorthy nicht verraten. Mit rund 450.000 E-Auto-Fahrern in Deutschland sieht er sich einer spitzen Zielgruppe gegenüber, die er ausschließlich mit digitalen Marketing-Maßnahmen erreichen will.
Für eine Bewertung, ob Elvah naiv oder genial die Sache heran geht, ist es zu früh. Auf jeden Fall sind hier ambitionierte und überzeugte Elektromobilisten am Werk, denen reibungslose Interoperabilität am Herzen liegt. Haben sie mit der Lade-Flatrate Erfolg, schaffen sie in etlichen Geldbörsen Platz. Die Ladekarten-Sammlung hat dann ausgedient.