Elvah: Der Sorglos-Tarif für den Massenmarkt

Cover Image for Elvah: Der Sorglos-Tarif für den Massenmarkt
Copyright ©

Elvah

Dirk Kunde
Dirk Kunde
  —  Lesedauer 4 min

Laden zum monatlichen Flatrate-Tarif – egal an welchem Ladepunkt. Keine Weiterberechnung einer Blockiergebühr. Ladekosten-Erstattung an Säulen, die nicht von der App abgedeckt werden. Entweder sind die Macher von Elvah furchtbar naiv oder der Traum eines jeden E-Auto-Fahrers. „Wir wollen Elektromobilität mit datengetriebenen Lösungen so einfach wie möglich gestalten“, sagt CEO und Co-Gründer Gowry Sivaganeshamoorthy im Gespräch mit Elektroauto-News.

Elvah befindet sich in der Public-Beta-Phase. Die Kunden wählen zwischen einem Flat- oder einem Flex-Abo. Flex-Abos bieten in vier Fahrzeugkategorien jeweils vier Kilowattstunden-Pakete. Los geht es in Stufe 1 mit monatlich 25 Euro für 50 kWh. Der VW ID.3 oder das Model 3 von Tesla laden beispielsweise im M-Flex-Abo bis zu 290 kWh pro Monat für 139 Euro.

Fremdladekosten werden erstattet

Bei den Flatrate-Abos sind die Energiemengen nicht begrenzt. Für die genannten Fahrzeuge kostet ein M-Flat-Abo 159 Euro pro Monat. Es umfasst sämtliche Ladevorgänge an allen öffentlichen Ladepunkten in Deutschland. Lässt sich eine Säule nicht mit der App aktivieren oder lädt ein Tesla-Fahrer am Supercharger, kann er oder sie die Fremdkosten Elvah in Rechnung stellen. Sie werden innerhalb von 48 Stunden gutgeschrieben.

„Bis maximal zum Monatstarif erstatten wir Fremdkosten“, sagt Sivaganeshamoorthy. Menschenliebe oder ökonomischer Wahnsinn? Die Frage stellt sich im Gespräch immer wieder. „Wir glauben an das Gute im Menschen und darin unterstützen uns unsere Daten“, so der Gründer. Als „obsessive Kundenorientierung“ beschreibt er das Credo von Elvah. Kaum ein Nutzer stehe länger als vier Stunden an einem Ladepunkt, so dass sich der Aufwand für die Weiterberechnung der Blockiergebühr nicht lohne. Wenn ein gewähltes Abo nicht passt, kann der Kunde zum Monatsende wechseln.

Ein beruhigendes Gefühl geben

Als Kunde stimmt man einer Fair Use-Policy zu, die bislang kaum jemand missbraucht. Gedacht sind die Flatrates ausschließlich für Privatnutzer. Doch beim genannten M-Tarif müsste man monatlich 1.600 km oder jährlich über 19.000 km fahren, damit sich die monatliche Gebühr rechnet (bei 20 kWh Verbrauch und 0,49 Euro / kWh als DC-Vergleichstarif). „Wir haben als Zielgruppe nicht den engagierten Early-Adopter im Sinn, sondern den Massenmarkt. Wir wollen Kunden das beruhigende Gefühl mit auf den Weg geben, einfach überall laden zu können“, sagt Sivaganeshamoorthy. Er hält Ladeverluste sowie saisonale Schwankungen im Verbrauch dem Rechenbeispiel mit den 1.600 km entgegen. Zudem belegen Daten, dass Menschen mit E-Autos mehr Kilometer pro Jahr fahren als zuvor mit ihren Verbrennern.

Gowry Sivaganeshamoorthy, Gründer von Elvah | Manuel Thomé

Überhaupt ist Sivaganeshamoorthy extrem datenorientiert. Der IT-Fachmann hat mit seinen Kollegen in einer Digital-Agentur Angebote für die Champions League der UEFA sowie Kunden aus dem Tourismus- und Luftfahrt-Bereich entwickelt. Dann kam die Pandemie. Nach acht Wochen „Schockstarre“ fiel der gemeinschaftliche Entschluss, ein Angebot in der Elektromobilität zu entwickeln. Sivaganeshamoorthy fährt seit vier Jahren E-Auto. Zusammen mit seinen Mitgründern Wilfried Röper und Sören Ziems firmierte das Unternehmen zur Elvah GmbH um. Firmensitz ist der Ort Grafschaft in Rheinland-Pfalz.

Mehr Ladepunkte als im BNetzA

Im September 2020 begann die Implementierung der Software. Einige hundert Verträge mit Roaming-Plattformen sowie Ladesäulenbetreibern mussten ohne persönliche Treffen abgeschlossen werden. Inzwischen umfasse die Elvah-Datenbank mehr öffentliche Ladepunkte als die Verzeichnisse der Bundesnetzagentur (BNetzA) oder des BDEW (Ladesäulenregister), so der Gründer. Rund 92 Prozent dieser erfassten Ladepunkte lassen sich mit der Elvah-App aktivieren. Auf eine physische Ladekarte verzichtet das Unternehmen aufgrund der Kopiergefahr von RFID-Karten. Bei Standorten mit schlechtem Mobilfunkempfang setzt Elvah auf die Freischaltung der Säule per NFC-Chip im Smartphone. Allerdings kommt diese Funktion erst in einer der kommenden App-Versionen.

Nicht nur die Flatrate soll dem Fahrer die notwendige Gelassenheit im Umgang mit dem E-Auto verschaffen. „Über Mechanismen des maschinellen Lernens erstellen wir Empfehlungen für verlässliche Ladepunkte in der Umgebung des Nutzers“, sagt Sivaganeshamoorthy. Elvah wertet Daten zu Ladeabbrüchen sowie Fehlermeldungen der öffentlichen Ladepunkte aus. In einem zweiten Schritt werden auch Vorlieben und Ladegewohnheiten des Nutzers in die Empfehlungen einfließen.

Ladeempfehlung durch Elvah | Elvah

Autocharge geplant

Neben einem Angebot für gewerbliche Nutzer steht auch eine Autocharge-Lösung auf der To-do-Liste des Start-ups. Etliche Ladeanbieter ermöglichen bereits einen automatisierten Ladestart, sobald Säule und Auto miteinander verbunden sind. Fastned beispielsweise nennt diese Funktion Autocharge und nutzt dazu die Mac-Adresse des Elektroautos.

Wie viele Kunden die Elvah-App bereits nutzen, mag Sivaganeshamoorthy nicht verraten. Mit rund 450.000 E-Auto-Fahrern in Deutschland sieht er sich einer spitzen Zielgruppe gegenüber, die er ausschließlich mit digitalen Marketing-Maßnahmen erreichen will.

Für eine Bewertung, ob Elvah naiv oder genial die Sache heran geht, ist es zu früh. Auf jeden Fall sind hier ambitionierte und überzeugte Elektromobilisten am Werk, denen reibungslose Interoperabilität am Herzen liegt. Haben sie mit der Lade-Flatrate Erfolg, schaffen sie in etlichen Geldbörsen Platz. Die Ladekarten-Sammlung hat dann ausgedient.

worthy pixel img
Dirk

Dirk

Dirk Kunde beschäftigt sich mit dem Wandel der Mobilitäts- und Energiebranche. Neben neuer Antriebstechnik und Vernetzung im Fahrzeug, bringt die Verknüpfung mit dem Energiesektor große Umbrüche. Bei seinen Praxistests hat der Diplom-Volkswirt stets ein Auge auf die wirtschaftlichen Aspekte. Ein Lächeln ins Gesicht zaubert dem technikverliebten Journalisten jede vernetzte Anwendung im Auto oder als App, die Mobilität komfortabler macht.

Artikel teilen:

Schreib einen Kommentar und misch dich ein! 🚗⚡👇


Markus:

Warum ist b: EC-Karte relevant?
Ein EC-Kartenleser und Abrechnungsmodell verteuert die Ladesäule immens und somit am Ende auch den kWh Preis.

Norbert Seebach:

Warum zum Teufel gibt es überhaupt Flatrates beim Laden? Ich möchte so wie beim Tanken des Verbrenners a: sehen was mich die kWh kostet, b: an Ort und Stelle mit meiner EC-Karte bezahlen können und c: natürlich auch nur das bezahlen, was ich geladen habe. Was daran ist sooo kompliziert???

Wolfbrecht Gösebert:

„So funktioniert halt eine bezahlbare Flatrate, es ist immer eine Mischkalkulation.“

+1 Ja, sehe ich genauso, wenn sie „preiswert“ daherkommen soll!

Mike:

So funktioniert halt eine bezahlbare Flatrate, es ist immer eine Mischkalkulation.

Daniel W.:

Für das Autodach mit etwa 2m² wird mit 200 Euro gerechnet, die sich in 1 – 2 Jahren amortisieren.

Für die Karosserie (ca. 7 – 8 m²) – wie beim Sion – schätze ich die Kosten auf ca. 1.000 Euro.

bergfex:

Schon wieder ein aufwändiges Lademodell. Für Leute, die nur gelegentlich auswärts laden und meistens daheim, und das sind 80% der E-Mobilisten, ist so eine Flat viel zu teuer.
Ich vermisse noch immer eine einfache Lademöglichkeit: Anstecken und laden, egal wo. Abgerechnet wird automatisch und zwar nach Verbrauch, nicht nach Pauschalen. Das macht bis jetzt nur Tesla.
Können oder wollen die deutschen Stromanbieter nichts Vernünftiges auf die Reihe kriegen?

Und Daniel W.: Wie hoch ist der Aufpreis für eine Solarzellenkarosserie, wenn sie jemals kommen sollte? Möglicher Weise wäre selbst eine Ladeflat billiger. Mein Auto steht übrigens meistens in der Garage, da kommt keine Sonne durch…

Peter Bigge von Berlin:

Prinzipiell ein tolles Angebot für alle, welche viel fahren müssen und kein Interesse an unkalkulierbaren Kosten, durch z. B. Wucherladesäulenbetreiber, haben.
Der Normal Nutzer fährt weniger als 19.000km im Jahr, und damit mit dieser Flat zu teuer.
Ob Taxifahrer, Vertreter und Co. dieses Angebot nutzen dürfen, muss auf Dauer bewiesen werden. Selbst Tesla hat sein kostenloser Angebot eingestampft bzw. die Nutzerregeln angepasst – wegen Überstrapazierung.

Daniel W.:

Vermutlich wird mit vielen Leuten gerechnet, die das bezahlte Volumen nicht voll ausnutzen und die Leute, die unrentabel sind, weil sie es übertreiben, die werden einfach ausortiert – und schon rechnet es sich.

Für die meisten E-Autofahrer dürfte sich der Zuhausetarif (ca. 30 Cent pro kWh) oder das Laden beim Arbeitgeber bzw. beim Bau- und Supermarkt eher rechnen. Wenn die Solarzellenkarosserie zum Standard wird, dann werden 6.000 km bzw. 8.500 km (Tandem-Technologie) automatisch und kostenlos geladen.

Ähnliche Artikel

Cover Image for Renault R4 Fahrbericht: Zwischen Nostalgie und Moderne

Renault R4 Fahrbericht: Zwischen Nostalgie und Moderne

Sebastian Henßler  —  

Der Renault R4 kehrt als Elektro-SUV zurück: Retro-Design, moderne Technik und ein effizienter Antrieb prägen den Auftritt, der Alltagstauglichkeit betont.

Cover Image for Zulassungszahlen: Deutschlands Autotrends im August

Zulassungszahlen: Deutschlands Autotrends im August

Maria Glaser  —  

Die neusten Zulassungszahlen des KBA zeigen: VW, Mercedes und BMW bleiben Top 3, während Tesla weiter an Beliebtheit verliert und chinesische Marken wachsen.

Cover Image for Schwab, Valeo: „Flexibilität ist unser größter Vorteil“

Schwab, Valeo: „Flexibilität ist unser größter Vorteil“

Sebastian Henßler  —  

Holger Schwab erklärt, wie Valeo mit modularen Antrieben, Range Extendern und Softwarekompetenz flexibel auf Marktschwankungen reagieren kann.

Cover Image for Kia preist neuen EV5 bei 45.990 Euro ein

Kia preist neuen EV5 bei 45.990 Euro ein

Michael Neißendorfer  —  

Zunächst gibt es den Kia EV5 als Fronttriebler mit 81,4 kWh-Akku und bis zu 530 km Reichweite, weitere Antriebsvarianten folgen 2026.

Cover Image for BMW-Chef Zipse: „Einige Automarken werden verschwinden“

BMW-Chef Zipse: „Einige Automarken werden verschwinden“

Michael Neißendorfer  —  

Die aktuellen Herausforderungen der Autobranche gelten „für alle Hersteller und Zulieferer“. Zipse geht davon aus, dass nicht jedes Unternehmen überleben wird.

Cover Image for Was Ford auf der IAA in München zeigen will

Was Ford auf der IAA in München zeigen will

Michael Neißendorfer  —  

Für Ford steht die IAA Mobility in München unter ganz besonderen Vorzeichen: Vor ziemlich genau 100 Jahren startete Ford als Hersteller in Deutschland.