Zum Ende des Jahres wird in Berlin ein Förderprogramm für das Laden von Elektroautos an Straßenlaternen auslaufen. Bisher aber habe sich das Konzept des Laternenladens in Deutschland nicht weit verbreitet, wie der Tagesspiegel berichtet. Und das, obwohl es viele Vorteile bietet. Ein Blick auf die Entwicklung.
Im Rahmen des Sofortprogramms “Saubere Luft”, bereits 2017 initiiert von der Bundesregierung, wurden 90 Städte mit den höchsten Stickstoffdioxid-Werten aufgefordert, Projekte zur Förderung der Elektromobilität zu entwickeln. Dieses Programm erhielt breite Zustimmung, bei dem die vielversprechendsten Projekte ausgewählt wurden. Berlin hat sich ebenfalls an diesem Vorhaben beteiligt, wobei ein Konsortium aus Vertretern der Politik, Wirtschaft und Forschung Unterstützung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erhalten hat.
Berlin sei mit 557 ladefähigen Laternen Vorreiter, wie aus einem Bericht des Tagesspiegel hervorgeht (sowie Rückmeldung Ubitricity). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hatte rund sieben Millionen Euro Fördermittel für das Projekt “Neue Berliner Luft” bereitgestellt. Anfangs waren insgesamt 1000 Standorte geplant, vorrangig in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf und in Steglitz-Zehlendorf. Immerhin werden im Jahr 2023 nach Angaben des Ladelösungsanbieters Ubitricity, einer Tochtergesellschaft von Shell, voraussichtlich doppelt so viele öffentliche AC-Laternenladepunkte in Betrieb genommen wie AC-Normal- und DC-Schnellladepunkte zusammen.
Mehr Herausforderungen als gedacht
Doch der Erfolg kommt spät, auch weil das Projekt mit anfänglichen Schwierigkeiten begonnen hatte. Zunächst mussten mess- und eichrechtskonforme Lösungen entwickelt werden, um eine genaue Abrechnung des Ladestroms sicherzustellen, erklärte das BMWK laut Tagesspiegel. Inzwischen sei das Problem gelöst, aber in Berlin habe dies dazu geführt, dass die Installation der 1000 Ladepunkte im Jahr 2020 teilweise neu ausgeschrieben werden musste. Ursprünglich hätten die Ladepunkte im Herbst 2019 und dann im zweiten Quartal 2021 installiert werden sollen. Laut Ladeanbieter Ubitricity hat es eineinhalb Jahre gedauert, bis zahlreiche erste Laternenladepunkte ausgerollt wurden und sich dabei Prozesse etabliert haben. Die zweite Phase des Projekts habe erst im Spätsommer 2023 begonnen, drei Monate vor dem geplanten Projektende.
Verschiedene Hindernisse hätten den Fortschritt behindert. Dazu gehörten Fachkräftemangel bei den Vorarbeiten, bürokratische Hürden durch die zweistufige Verwaltung, ungeeignete Standorte aufgrund von Bauarbeiten und fehlende Beschilderung, sodass Verbrenner die Ladepunkte zuparkten. Einige Politiker äußerten zudem Bedenken, dass Laternenladepunkte nur in bestimmten Gebieten sinnvoll seien, während viele umgerüstete Laternen in weniger dicht besiedelten Regionen zu finden waren. Gerade dort aber werde zumeist auf dem eigenen Grundstück geladen. Ubitricity plante, weniger frequentierte Standorte wie Marzahn-Hellersdorf zu nutzen, um auch in Bezirken mit geringerer Nachfrage nach Ladestrom niedrigschwellige Angebote bereitzustellen, um den Umstieg auf Elektromobilität zu fördern. Diese Standortwahl stieß jedoch auf Kritik. Die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt plane nun eine Untersuchung. ubitritcity gab gegenüber EAN zu verstehen: “Die Standorte für die Berliner Laternenladepunkte wurden und werden durch die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt und ihre Partner getroffen. Wir als ubitricity haben hierauf kaum Einfluss.”
Einzelstandorte weniger gut geeignet
Auch in einigen Städten in Nordrhein-Westfalen und Kirchberg in Sachsen können Elektroautos an Straßenlaternen geladen werden. Dabei werden AC-Ladepunkte mit 3,7 Kilowatt Leistung installiert, was den Vorteil bietet, dass keine zusätzliche Versiegelung von Gehwegen erforderlich ist. Trotz des Potenzials für schnellen und kostengünstigen Ausbau ist das Konzept des Laternenladens in Deutschland bisher wenig verbreitet. Aus dem gleichen BMWK-Fördertop sollten im Ruhrpott, genauer gesagt in Dortmund, Schwerte und Iserlohn, bis zu 680 Laternenladepunkte in öffentlichen, halböffentlichen und privaten Bereichen errichtet werden.
Das mit etwa zehn Millionen Euro geförderte Projekt wurde jedoch aufgrund rechtlicher Änderungen und lokaler Einschränkungen nicht umgesetzt. Ubitricity war ursprünglich am Projekt beteiligt, konnte aber die geplante Hardware so kurzfristig nicht anpassen, wie weiter berichtet wird. Norbert Vetter, der ehemalige Leiter des Förderprojekts in Schwerte, erklärt: “Auf den Prospekten von Ubitricity sah das mit dem Laternenladen ganz einfach aus. Aber niemand hat sich angeschaut, wo das Straßenmobiliar wirklich steht und ob sich eine Laterne zum Laden eignet.”
Die Standortwahl war eine Herausforderung, weswegen letztendlich weniger Ladepunkte errichtet wurden als geplant. In Schwerte sollen es inzwischen 128 Ladepunkte an 64 Standorten sein. In Dortmund und Iserlohn sei die genaue Anzahl der Ladepunkte unklar. “Einzelstandorte sind weniger gut geeignet aufgrund des sehr begrenzten Parkraums im öffentlichen Raum. Besser sind Ladeparks mit zehn bis 20 Ladesäulen an zentralen Stellen im Stadtbereich”, bilanziert Vetter. Dennoch zeigt er sich nicht unzufrieden. In Schwerte seien letztendlich mehr Ladepunkte errichtet worden als ursprünglich geplant. Aktuell seien keine weiteren Planungen zur Errichtung von Ladeinfrastruktur seitens der Stadt geplant.
Kommunen zeigen wenig Interesse
In Berlin gehen die Ladepunkte nach der Installation und dem Projektende zum Jahresende in den Besitz des Landes Berlin über. Es sei unwahrscheinlich, dass die restlichen 528 Ladepunkte bis dahin errichtet werden. Ubitricity werde die Laternenladepunkte weiterhin betreiben, wenig genutzte Punkte könnten außerdem an neue Standorte verlegt werden. Obwohl Laternenladen viele Vorteile bietet, zeigen Kommunen wenig Interesse an Fördermöglichkeiten. Weder BMDV noch BMWK planen hierfür weitere Förderprogramme. Sie wollen jedoch die Entwicklungen auf diesem Gebiet weiterverfolgen und sich mit Unternehmen austauschen, die solche Lösungen anbieten. Das BMWK zeigt sich optimistisch und „erhofft sich durch den Aufbau von 1000 Ladepunkten im Berliner Projekt eine Signalwirkung, die die Vorzüge des Laternenladens verdeutlicht“, wie eine Sprecherin dem Tagesspiegel sagte.
Auch Ubitricity sei aufgrund der positiven Nutzungszahlen zuversichtlich für die Zukunft. Das Unternehmen habe in Großbritannien mehr als 7000 öffentliche Laternenladepunkte eingerichtet und sei überzeugt, dass dieses Konzept auch in Deutschland fester Bestandteil des öffentlichen Ladeangebots sein wird. In Großbritannien haben Anwohner dieses bequeme Ladeangebot in ihrer Nähe schnell in ihren Alltag integriert.
Quellen: Tagesspiegel Background – Laternenladepunkte kommen in Deutschland nur langsam voran / Bundesministerium für Digitales und Verkehr – Sofortprogramm Saubere Luft / Ubricity – Pressemitteilung vom 17.04.2023