In einem Kampf West gegen Ost oder Frankreich gegen China war es der französische Präsident Emanuel Macron, der die ersten Schläge einstecken musste, noch bevor die Messe überhaupt begonnen hatte. Die französische Wirtschaftszeitung Les Echos veröffentlichte am Morgen der Veranstaltung ein knallhartes Interview mit Macron, das den Tenor der Messe vorgab. Mit dem Aufruf zur europäischen Solidarität und der Aufforderung an die Europäer, europäische Produkte zu kaufen, war die Messe eine defensive Heimvorstellung der französischen Automobilhersteller, während die Offensive von einer gleich großen Zahl chinesischer Hersteller getragen wurde.
Automobil-Analyst Matthias Schmidt war bei der Paris Motor Show zugegen und konnte dort seine eigenen Eindrücke sammeln. In seinem Newsletter hat er seine Erlebnisse vor Ort eingeordnet. Dabei zeigt Schmid auf, dass Macron in der Tat nicht viel für die Konkurrenz aus China über hat. Das obwohl Renault sogar zwei in China hergestellte Modelle auf seinen Messeständen, den vollelektrischen Dacia Spring und den Mobilize Limo ausgestellt hat.
Der Analyst beschreibt es sehr bildlich, wie der französische Präsident, als er am BYD-Stand vorbeiging, der sich fast direkt gegenüber den Stellantis-Ständen der verschiedenen Marken befand, nicht einmal einen kurzen Blick auf den chinesischen Stand warf, der möglicherweise der größte Herausforderer der etablierten französischen Hersteller ist. Die Botschaft scheint recht klar, China wollen wir in Frankreich nicht.
Und dennoch sind es gerade die chinesischen Herstellern, von BYD bis Great Wall Motors (WEY/ORA), die unter den hellen Lichtern ihre europäischen Produktoffensiven vorstellten. Diese nutzten die Paris Motor Show um erstmalig sich selbst in Szene zu setzen. Dabei führt Schmidt in seinem Newsletter aus, dass das Vorurteil „billige Produkte aus China“ wohl der Vergangenheit angehören. Die Stromer von Sino würden im Vergleich zum neuen Jeep Avenger diesen eher nicht ganz so positiv dastehen lassen.
Der Innenraum sei vollgepackt mit hartem, dunklem Plastik. „In der Luft lag ein leichter, paradoxer Geruch von ölbasiertem Material, den man eher mit den chinesischen Modellen vergangener Jahre assoziierte, als sie versuchten, den europäischen Markt mit ihren Verbrenner-Produkten zu erobern, und letztlich scheiterten“, so Schmidt weiter. Um mit den eigenen E-Modellen irgendwie Gewinn zu erwirtschaften sparen die Hersteller an allen Ecken und Kanten, nur um die CO2-Vorgaben für die eigene Flotte zu erfüllen.
Das Problem besteht darin, dass diese Abstriche gerade zu einem Zeitpunkt gemacht werden, an dem chinesische Automobilhersteller, die die erste und kritische Skalierungsphase auf ihrem heimischen Markt bereits hinter sich haben in der Lage zu sein scheinen, in diesem mittleren Preissegment ein beruhigenderes Qualitätsgefühl im Innenraum zu bieten, wenn man die BYD Atto 3 und Ora Funky Cat auf ihren jeweiligen Messeständen betrachtet, so der Analyst zu seiner Betrachtung vor Ort.
Er gibt jedoch auch zu verstehen, dass die Grenzen für das Wachstum der chinesischen Hersteller in Europa in den Premiumsegmenten liegen könnten, mit der möglichen Ausnahme von Polestar, das bereits auf dem Vormarsch ist. Denn aus der Premium-Perspektive seien die von BYD angebotene Innenraumanmutung und die Materialien nicht annähernd so gut wie bei den deutschen Premium-Herstellern wie BMW, Mercedes, Audi oder Porsche, sondern eher auf Augenhöhe mit den direkt gegenüber ausgestellten Modellen von DS (Stellantis).
Dennoch wolle BYD zwei Premiumprodukte auf den Markt bringen, den Tang und die Han-Limousine (beide mit einem Preis von 72.000 Euro in Deutschland nach Steuern), die in der gleichen Preiskategorie wie der EQE von Mercedes liegen. Während die Deutschen besser in der Lage sind, die Kosten zu absorbieren und auf die Verbraucher abzuwälzen, wenn sie zu stärker elektrifizierten Modellen übergehen, sind Stellantis (Peugeot/Citroën/Fiat usw.) und Renault in einer schlechteren Position, um diese Kosten weiterzugeben, und sind daher stärker von Kostensenkungen betroffen, was sich in einer spürbar schlechteren Interieur-Gestaltung bemerkbar macht.
Am Ende seiner Stippvisite gibt Matthias Schmidt zu verstehen, dass sich vor allem die französischen Automobilhersteller sich Sorgen um die Zukunft machen sollten, denn ein besorgt dreinblickender Renault-CEO Luca de Meo wurde am Rande der Messe in intensiven Gesprächen mit Macron gesehen. Die Zeit wird zeigen, wie sich der Westen gegen den Osten in Bezug auf Elektromobilität schlägt. Gewinner ist schon heute der Endkunde, der eine breitere Auswahl erhält.