Am Wochenende hat der diesjährige E-Cannonball stattgefunden. 60 Teams und mehr als 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Strecke zwischen Berlin und Moers zurückgelegt. Die Vergleichsfahrt hat eines wieder gezeigt: Bei langen Reisen braucht es neben einer vernünftigen Routenplanung auch immer noch ein Quäntchen Glück. Unsere Odyssee in Magdeburg hat das eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Wir sind mit der Startnummer 44 in den E-Cannonball gegangen – dementsprechend waren die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon eine Weile unterwegs. Gemeinsam mit unserem Rally-Cockpit war unsere Strategie, dass wir in Magdeburg den ersten längeren Ladestopp einlegen würden.
Diesen Plan hatten jedoch auch andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Kurz vor der Ankunft am Tesla Supercharger stellten wir fest, dass schon alle Plätze belegt waren. Eigentlich kein Problem, es gibt ja noch andere Schnellladestationen in der Nähe – so hatten wir es zumindest recherchiert. Auch ein Ladeversuch auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants war nicht erfolgreich – genau in dem Moment, als wir ankamen, begannen zwei andere Elektroautos ihren Ladevorgang an den vorhandenen Säulen.
Teslas Ladeinfrastruktur top – der Rest ein Flop
Um nicht unnötig weiter Zeit zu verlieren, versuchten wir entsprechend auf weitere Ladesäulen in der Umgebung auszuweichen. Die nächste Ernüchterung: auf dem Parkplatz eines Möbelhauses konnten wir nur extrem langsam laden – für eine Vergleichsfahrt, bei der auch die Zeit zählt, eher suboptimal. Also haben wir die nächste Ladestation bei einem Autohaus aufgesucht.
Dort stellten wir zu unserer Enttäuschung und Frustration fest, dass die im Internet angegebene Ladekapazität nicht stimmte – auch hier hätten wir nur sehr langsam laden können. Zu allem Überfluss war die Säule dann auch noch kaputt – für uns hieß das also zurück zum Schellrestaurant, um dort endlich entsprechend schnell zu laden. Unser Fazit: wir hätten von Anfang an am Supercharger von Tesla warten sollen, da dieser funktioniert. Das hätte uns Stress und Zeit gespart.
Es hakt auch bei der Abrechnung
Auch die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des E-Cannonball machten ähnliche Erfahrungen: Die Kommunikation zwischen den Autos und den Ladesäulen funktioniert häufig nur bedingt – ein zusätzliches Problem zu den ohnehin schon konkurrierenden Systemen von CHAdeMO, CCS, Typ 2 oder dem Tesla Supercharger. Bei dem schlussendlich erfolgreichen Laden brauchte es fünf Versuche, bis die Kommunikation zwischen Auto und Ladesäule endlich klappte.
Hinzu kommt, dass auch die Abrechnung des Stroms Schwierigkeiten bereitet. Es ist häufig intransparent, was das Laden des Autos kostet. Außerdem ist es für den Fahrer oder die Fahrerin eines Elektroautos umständlich, mühsam und teuer, sich mit den verschiedenen Systemen der einzelnen Anbieter auseinander zu setzen.
Die Autos sind top, aber…
Ein Elektroenthusiast brachte es mit einem Tweet auf den Punkt: Die Autos sind bereits top, die Ladeinfrastruktur drum herum ist es aber nicht. Das ist insbesondere bemerkenswert, weil beim E-Cannonball eine diverse Bandbreite an unterschiedlichen Fahrzeugen von verschiedensten Herstellern vertreten war. Es geht jetzt nicht mehr darum, dass die richtigen und komfortablen Autos gebaut werden, sondern dass das Laden überall und günstig funktioniert.
Dabei sei natürlich der Fairness halber gesagt: Der E-Cannonball ist eine Zuspitzung, die die meisten Fahrerinnen und Fahrer in ihrem Alltag nicht erleben. Häufig werden die Autos zuhause oder bei der Arbeit geladen – dort wo sie ohnehin schon stehen. Auch verteilen sich normalerweise die Anzahl der Elektroautos besser zeitlich und räumlich – bei einer Vergleichsfahrt kommt es natürlich zu einer Ballung, da die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem ähnlichen Zeitkorridor das gleiche Ziel haben.
Was muss sich ändern
Und trotzdem hat das Event am Wochenende gezeigt, dass wir noch mehr tun müssen, um es allen Fahrerinnen und Fahrern zu ermöglichen, überall und preiswert laden zu können. Dafür braucht es zwei Dinge: Einerseits muss die bestehende Infrastruktur aufgewertet werden, indem Informationen zu Ladepunkten verlässlich verfügbar gemacht werden. Es ist offensichtlich, dass existierende Ladesäulen jederzeit funktionstüchtig sein sollten.
Andererseits muss der bestehende Tarifdschungel entwirrt werden und ein transparentes und übersichtliches Angebot an Elektrostromtarifen geschaffen werden. Das gilt – wie bereits angesprochen – besonders für das Laden unterwegs. Dazu sind vor allem die Standardisierung und Harmonisierung der Abrechnung der Ladevorgänge nötig. In Zukunft sollte das Laden mit Elektroauto wie auch das Handy-Roaming im Ausland funktionieren: es funktioniert, wenn man unterwegs ist, ohne Probleme – egal welchen Tarif ich normalerweise nutze.
Am Ende bleibt die Einsicht, dass der E-Cannonball mehr als nur ein großes Branchentreffen ist. Er ist ein Familientreffen und zeigt, welch rasantes Wachstum die Elektromobilität hierzulande hinlegt. Natürlich deckt eine Fahrt unter Extrembedingungen dann die noch bestehenden Schwachpunkte ganz besonders auf. Jetzt gilt es, diese so schnell wie möglich aufzuheben. Beim E-Cannonball 2021 schauen wir dann, was sich getan hat!
Verfasst wurde dieser Expertenartikel von Ulrich Setzermann, Principal Consultant bei Lumenaza