Die Elektromobilität ist auf dem Vormarsch. Im ersten Quartal wurden in Europa mehr als 124.000 Elektroautos neu registriert. Allein in Deutschland gab es im März mehr als 10.000 Neuzulassungen. Doch noch gibt es Hindernisse und Skepsis. Wie, wo und wann lade ich mein Elektroauto? Wie ist es am günstigsten? Autofahrer kennen die Tankstellen auf ihren typischen Strecken, wissen wo es am preiswertesten ist, wer auch spät noch offen ist. Die Zapfsäule könnten sie im Schlaf bedienen. Der Vorgang ist Teil des Alltags. Die Neuorientierung stellt eine Herausforderung dar und es bedarf der Umgewöhnung. Das kann unbequem sein.
Um die Akzeptanz der Elektromobilität weiter zu erhöhen und Elektroautos jedem zugänglich zu machen, müssen wir es allen Autofahrern ermöglichen, einfach und preiswert laden zu können. Der aktuelle Tarifdschungel ist kompliziert – stattdessen muss das Angebot an Elektrostromtarifen transparent und übersichtlich sein. Dabei ist die intelligente Vernetzung der Ladeinfrastruktur, also die Nutzung von Daten zur Koordination von Ladevorgängen und Netzsteuerung, ein wesentliches Puzzlestück. Sie ermöglicht die vollständige Elektrifizierung des Privatverkehrs, einen effizienten und stabilen Netzbetrieb und dass das Potenzial der Erneuerbaren voll ausgeschöpft wird.
Wie funktioniert es momentan?
Bisher mussten Verbraucher beim Laden zu Hause auf den klassischen Haushaltsstromtarif zurückgreifen. Dieser Standardtarif passt zur bisherigen Stromnutzung, in der unser Stromverbrauch mehr oder weniger vorhersehbar ist. Morgens machen wir die Kaffeemaschine an, abends kochen wir und schauen Filme und Serien, und Lichter gehen an, wenn es dunkel wird. Dieses Verhalten war gut planbar, sodass die Energieversorger ihre Produktion darauf einstellen konnten. Die Netzbetreiber konnten ohne große Eingriffe dafür sorgen, dass der Strom bei uns zu Hause ankam.
Dezentrale Energieversorgung und Laststeuerung
Die Energiewende macht die Stromproduktion weniger planbar. Sie findet jetzt nicht mehr nur in zentralen Kraftwerken statt, sondern auch dezentral, also z. B. durch des Nachbars PV-Anlage auf dem Dach. Die dezentrale Energieerzeugung erschließt das Potenzial der erneuerbaren Energien und ermöglicht, viele kleine Energieanlagen zusammenzubringen und den erzeugten Strom dann wie gewohnt zu nutzen. Doch wie wir alle wissen, scheint die Sonne und weht der Wind nicht immer dann, wenn wir die Elektrizität brauchen. Es bedarf also auch Batterien, die den Strom zwischenspeichern bis wir ihn benötigen.
Natürlich verändert sich auch das Nutzungsverhalten. Statt mit Verbrennern fahren wir mit elektrischen Fahrzeugen. Auch die Wärme- oder Kältesysteme werden wieder elektrisch betrieben, um grünen Strom effizient nutzen und entsprechend steuern zu können.
Das Zusammenspiel von Erzeugung und Verbrauch ist jetzt komplexer und muss koordiniert werden. Die Steuerung kann sowohl auf Erzeugungsseite als auch auf Verbraucherseite stattfinden. Letzteres nennt sich Laststeuerung und ist im privaten Bereich neu. Sie bedarf einer hochkomplexen Datenverarbeitung, für die traditionelle Energieversorger nicht gerüstet sind. Es gibt aber innovative Unternehmen, die sich der grünen Energiewelt verschrieben haben und Lösungen entwickeln, von denen nicht nur Energieversorger profitieren, sondern auch Verbraucher.
Was bedeutet Paragraph 14a?
Eine solche Lösung ist ein Stromtarif, der speziell auf die Bedürfnisse von Besitzern von Elektrofahrzeugen zugeschnitten ist. Nach §14a des Energiewirtschaftsgesetz muss auf Strom, der von steuerbaren Verbraucheranlagen bezogen wird, ein geringeres Netzentgelt gezahlt werden. Steuerbar bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Netzbetreiber automatisiert Verbraucheranlagen wie z. B. Elektroautos vom Stromnetz trennen können. Ein geringeres Netzentgelt führt direkt zu einem niedrigeren Strompreis, denn die eingesparten Netzentgelte entsprechen in etwa 20- 25% des traditionellen Haushaltsstromtarifs.
Räumen Besitzer von Elektroautos dem zuständigen Netzbetreiber das Recht ein, den Ladevorgang kurzzeitig zu unterbrechen, können diese den Vorgang z.B. dann unterbrechen, wenn die Stromanfrage besonders hoch ist. So können E-Autos zur Stabilität des Netzes beitragen. Im Gegenzug zahlt der Stromkunde entsprechend wesentlich weniger für die Nutzung der Infrastruktur. Elektroautobesitzer können also zu einem speziellen, günstigeren Preis laden. Dazu bedarf es eines neuen, smarten Tarifs.
Solche smarten Elektromobilitätstarife gibt es bereits, z. B. unseren T&T eMobil Strom. Mit diesem wird das Potenzial von Paragraph 14a bereits an Verbraucher weitergegeben, denn der Tarif ist bis zu 25% günstiger als Haushaltstarife. Um den Tarif zu nutzen brauchen Verbraucher zurzeit noch einen zweiten Stromzähler. Die Einrichtung kann aber relativ einfach durchgeführt werden und macht jetzt schon das Laden mit grünem günstigem Strom möglich.
Wenn das E-Auto zum Stromspeicher wird
Dies ist jedoch nur der Anfang. Zukünftig werden das Stromnetz und die Ladeinfrastruktur intelligent vernetzt. Elektroautos können dann als flexibler Stromspeicher für zu Hause genutzt werden und der Netzdienlichkeit sowie dem sogenannten Peak-Shaving, der Lastspitzenkappung, dienen. Das wird zur optimalen Nutzung der Erneuerbaren und zu einem stabilen Netzbetrieb beitragen. Idealerweise wird man dann am Auto einen Teil der Batterie als nutzbaren Speicher freigeben.
Momentan ist das bidirektionale Laden nur mit einem CHAdeMO Stecker möglich, der nur bei asiatischen Automodellen üblich ist. Der in Europa gängige Typ 2 Stecker ist nicht für die Rückspeisung von Strom vorgesehen und der neue für Europa geplante CCS Stecker soll dies erst ab 2025 können. Die netzdienliche Nutzung ist somit zurzeit nur mit wenigen Modellen und hohem Aufwand möglich.
Auch die immer noch auf sich wartende Einführung der Smart Meter wird aufgrund der derzeit geplanten Ausführung erstmal keine Vereinfachung bringen. Smart Meter sollten nicht nur die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen abdecken, sondern so effizient wie möglich genutzt werden und Verbrauchern Vorteile eröffnen. Sie sollten Verbrauchern beispielsweise die Steuerung und Rückspeisung für intelligente Tarife, die Direktvermarktung von selbsterzeugtem Strom und netzdienliche Leistungen einfacher als mit den derzeit eingesetzten Zählern und Geräten ermöglichen.
Was getan werden muss
Um es Verbrauchern einfacher zu machen und die Elektromobilität wirklich voranzutreiben, brauchen wir einheitliche Standards, Schnittstellen und Protokolle sowie insbesondere den politischen Willen zur regulatorischen Gestaltung, im Idealfall auf europäischer Ebene. Industrie, Politik, Stromanbieter, Netz- und Messstellenbetreiber, Autobauer sowie die Hersteller von Wallboxen und Elektroladesäulen müssen dazu alle an einem Strang ziehen.
Elektrofahrzeuge werden dann nicht nur zur Netzstabilisierung beitragen, sondern mit ihren Batterien auch die heute fehlenden Speicherungsmöglichkeiten für Strom aus Erneuerbaren bieten. So ermöglichen sie jederzeit den Einsatz emissionsfreien Stroms. Elektroautos als Stromspeicher zu nutzen wird zur hundertprozentigen Energiewende beitragen, während Autofahrer eine wirklich bequeme und preiswerte Lösung erhalten.
Verfasst wurde dieser Expertenartikel von Ulrich Setzermann, Principal Consultant bei Lumenaza