Die weltweit steigende Nachfrage nach Batterien wird derzeit zum Großteil durch Lithium-Ionen-Batterien gedeckt. Aufgrund von geopolitischen Abhängigkeiten und Ressourcenverfügbarkeiten geraten allerdings zunehmend alternative Batterietechnologien in den Fokus. Dabei stellen sich mehrere Fragen, für die das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI in ihrem aktuellen Batterie-Update nach Antworten sucht.
Welche Alternativen zur Lithium-Ionen-Batterie können die steigende Nachfrage bedienen, die Rohstoffsituation entspannen und geopolitische Abhängigkeiten verringern? Wie können Lieferketten so aufgebaut werden, dass in Europa ein resilientes und technologiesouveränes Batterie-Ökosystem entstehen kann? Und welche Rolle spielen Natrium-Ionen-Batterien, die in Asien bereits in Elektroautos zum Einsatz kommen?
Aktuell beträgt demnach die jährliche Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien (LIB) ungefähr 1 TWh. Für das Jahr 2030 prognostizieren Marktvorhersagen eine Nachfrage von weltweit 2 bis 6 TWh, langfristig werden bis zu 10 TWh als realistisch eingeschätzt. Getrieben werde der Anstieg insbesondere durch den Umstieg von Verbrennern auf Elektroautos.
Schon heute stellen E-Autos mit mehr als 70 Prozent den größten Anteil an der Batterienachfrage, zukünftig werde zudem eine deutliche Nachfragesteigerung durch die Elektrifizierung von (leichten) Nutzfahrzeugen erwartet. Zusätzlich dazu werden auch in anderen bereits etablierten Einsatzbereichen, z.B. im Stromnetz zur Stationärspeicherung von erneuerbaren Energien, sowie in neuen Einsatzbereichen (z.B. Fluganwendungen wie Drohnen) zunehmend Batterien nachgefragt werden.
Für ein resilientes und technologiesouveränes Batterie-Ökosystem in Europa brauche es Zugang zu Lieferketten und damit Rohstoffen und Komponenten, aber auch Zellproduktionskapazitäten, so das Fraunhofer ISI. Derzeitige Strategien, um Rohstoffabhängigkeiten zu reduzieren – z.B. durch den Abbau von Lithium in Europa, den Ausbau von Recyclingkapazitäten und die Verringerung von Ausschuss bei der Produktion – können die existierenden Abhängigkeiten zwar zukünftig verringern, jedoch das Problem nur teilweise lösen, insbesondere im Hinblick auf den deutlichen Anstieg der Nachfrage.
Hier können alternative Batterietechnologien helfen, die aufgrund ihrer Materialien und Struktur der Lieferketten die geopolitischen Abhängigkeiten reduzieren und idealerweise gleichzeitig technologische, ökologische und/oder ökonomische Vorteile erzielen.
Eigenschaften alternativer Batterietechnologien
Eine im Herbst 2023 vom Fraunhofer ISI publizierte Roadmap untersucht, welche Rolle alternative Batterietechnologien – d.h. nicht-LIB-basierte Batterietechnologien – aus technischer, ökonomischer und ökologischer Sicht für den Zeitraum bis etwa 2045 spielen können. Der Fokus liege dabei auf Batterietechnologien, die sich überwiegend noch in der Entwicklung befinden und daher im Markt noch nicht weit verbreitet sind. Insbesondere handelt es sich dabei um vielversprechende Metall-Ionen-, Metall-Schwefel-, Metall-Luft- und Redox-Flow-Batterien.
Die verschiedenen Batterietechnologien unterscheiden sich beispielsweise durch ihren strukturellen Aufbau (z.B. eine Gasdiffusionselektrode bei Metall-Luft-Batterien) und in den verwendeten Materialien (z.B. Natrium oder Zink anstelle von Lithium). Jedoch ergeben sich durch Veränderungen in Struktur oder Material vielfältige Herausforderungen: von geeigneten Aktivmaterialien und Elektrolyten mit hoher Kinetik und Stabilität über skalierbare Produktionsprozesse bis hin zu End-of-Life-Strategien.
Alternative Batteriesysteme zeichnen sich deshalb durch verschiedene technische Vor- und Nachteile aus. Beispielsweise besitzen Natrium-Ionen-Technologien geringere Energiedichten als LIB. Andere vielversprechende Technologien wie Lithium-Schwefel-Batterien können höhere gravimetrische Energiedichten als LIB aufweisen, sind aber relativ groß (geringere volumetrische Energiedichte) und schaffen auch weniger Zyklen.
Entwicklungsstand und Potenziale einzelner alternativer Batterietechnologien
Die betrachteten Technologien unterscheiden sich deutlich bezüglich ihrer technologischen Reife, des Marktpotenzials und möglicher Nachhaltigkeitsvorteile. Einige der Technologien wie Natrium-Schwefel-Hochtemperatur und Redox-Flow-Batterien sind sehr weit entwickelt und werden bereits eingesetzt, andere befinden sich noch in frühen Entwicklungsstadien und der Schwerpunkt der Forschung liegt auf der Entwicklung eines funktionierenden Zelldesigns.
Jedoch weisen auch weniger weit entwickelte Batterietechnologien wie Zink-, Magnesium- oder Aluminium-Ionen-Batterien, Natrium-Schwefel-RT-Batterien oder Zink-Luft-Batterien hier ein hohes Potenzial auf, insbesondere aufgrund der Verfügbarkeit relevanter Ressourcen in Europa. Allerdings besitzen die meisten der betrachteten alternativen Batterietechnologien eine geringere Energiedichte als Lithium-Ionen-Batterien, weswegen typischerweise eine größere Menge an Rohstoffen benötigt wird, um die gleiche Speicherkapazität zu erzielen.
Patent- und Publikationsanalysen weisen darauf hin, dass Europa bezüglich der Entwicklung einiger alternativer Batterietechnologien verhältnismäßig besser aufgestellt ist als derzeit für LIB; beispielsweise für Redox-Flow-Batterien, Lithium-Luft- und Aluminium-Ionen-Batterien. Dennoch bleiben Japan und China die führenden Nationen bei Patent- und Publikationsaktivitäten.
Wann und in welchen Anwendungen alternative Batterietechnologien auf den Markt kommen könnten
Die unterschiedliche technologische Reife und die technologischen Herausforderungen lassen erwarten, dass die alternativen Batterietechnologien voraussichtlich zu unterschiedlichen Zeiten für den Markteintritt zur Verfügung stehen. Zudem eignen sich die alternativen Batterietechnologien aufgrund ihrer technischen Eigenschaften, z.B. Energiedichte oder Lebensdauer, für unterschiedliche Anwendungen.
Obige Grafik zeigt, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Anwendung eine Batterietechnologie in den Markt kommen könnte. Beispielsweise könnten Natrium-Ionen-Batterien in naher Zukunft vermehrt in Mobilitätsanwendungen (insb. Kleinwagen), Lithium-Schwefel-Batterien mittelfristig in kleineren Fluganwendungen (z.B. Drohnen) und Natrium-Schwefel- oder Zink-Ionen-Batterien im stationären Bereich eingesetzt werden.
Jedoch weise keine der betrachteten Technologien die gleiche Anwendungsbreite wie Lithium-Ionen-Batterien auf. Dementsprechend sei davon auszugehen, dass LIB den Markt zukünftig weiter dominieren werden. Die alternativen Batterietechnologien können LIB in einzelnen Anwendungen ergänzen oder sogar ersetzen und so den Batteriemarkt diverser machen.
Natrium-Ionen-Batterie als vielversprechende Technologie
Insbesondere die Natrium-Ionen-Batterie erweist sich als besonders vielversprechend – auch die Industrie hat hier in den letzten Monaten deutlich Fahrt aufgenommen. So hat der chinesische Batteriehersteller CATL bereits im Frühjahr 2023 die Produktion von Natrium-Ionen-Batterien für Chery-Modelle angekündigt. Anfang Januar 2024 stellte die neue Marke Yiwei der chinesischen JAC-Gruppe das weltweit erste in Serie produzierte Elektro-Kompaktfahrzeug mit Natrium-Ionen-Batterien des Batterieherstellers HiNa vor; ein zweites Modell soll in Kürze von der chinesischen Firma JMEV mit Batterien von Farasis Energy folgen. In Europa hat der schwedische Hersteller Northvolt im November 2023 eine Natrium-Ionen-Batterie für den stationären Einsatz entwickelt, die mobile Anwendung soll folgen.
Natrium-Ionen-Batterien können aufgrund ihrer relativ geringen Energiedichte als Alternative zu Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP) eingesetzt werden. Gegenüber LFP-Batterien haben sie eine etwas geringerer Energiedichte und Zyklenlebensdauer, bieten jedoch Vorteile hinsichtlich einer höheren Sicherheit und besserer Leistungsfähigkeit bei kalten Temperaturen. Zudem können sie kostengünstiger sein als LIB und der Rohstoff Natrium ist deutlich besser verfügbar als Lithium. Ein weiterer Vorteil ist ihre Eigenschaft als „Drop-in“-Technologie, d.h. bestehende Produktionsanlagen könnten genutzt werden und somit die Produktionskapazität schnell hochgefahren werden.
Wie ein zukunftsfähiges Batterie-Ökosystem aufgebaut werden kann
Neben dem Meistern technischer Hürden für viele der betrachteten alternativen Batterietechnologien müsse ein resilientes und technologisch souveränes Batterie-Ökosystem aufgebaut werden, so das Fraunhofer ISI abschließend. Hierfür müssen unter anderem Verfügbarkeiten von Rohstoffen, Produktionskapazitäten, Lieferketten und Recycling berücksichtigt werden.
Am einfachsten wäre es, wenn zunächst auf existierende Produktionslinien und Lieferketten aufgebaut werden könnte. Der Aufbau neuer Lieferketten sei nur für Technologien mit speziellen Anwendungsfällen realistisch, insbesondere solche mit einer mittel- bis langfristig ausreichend großen Nachfrage. Gerade in der Anfangsphase, in der die zukünftige Marktentwicklung noch ungewiss ist, können hier politische Anreize hilfreich sein.
Quelle: Fraunhofer ISI – Pressemitteilung vom 06.02.2024