In einem Interview mit dem ADAC erklärt der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck, ab wann in Deutschland aus seiner Sicht keine Verbrenner mehr zugelassen werden sollten, was die Grünen gegen Staus und schlechte Luft machen wollen und warum Klimaschutz den Portemonnaies der Bürger nicht wehtun wird.
„Mobilitätswende heißt nicht, den Stau elektrisch zu machen“, sagt Habeck zu Beginn des Gesprächs angesichts überfüllter Innenstadtrouten. Er selbst habe kein eigenes Auto mehr, allerdings erst, seitdem seine Kinder aus dem Haus sind. „Bis dahin war ich wie viele andere Menschen auch auf das Auto angewiesen“, so der Grünen-Politiker. Es sei wichtig, Alternativen zu Pkw und „bessere Verbundsysteme zu schaffen, damit die Verkehrsdichte abnimmt“.
Und zwar sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, wo sich z.B. mit Carsharing die Notwendigkeit eines eigenen Autos für viele Bewohner erübrigen könnte: „Ich kenne Gemeinden, die E-Mobile für die Dorfgemeinschaft zum Teilen anschaffen“, so Habeck. „Bei uns in Schleswig-Holstein nennen wir sie Dörpsmobile.“ Ein „zentraler Punkt“ der Grünen-Agenda sei auch, „den Schienen- und Busverkehr zu unterstützen“, wobei es nur mit dem Ausbau von Park&Ride-Anlagen nicht getan sei.
Wo eine Citymaut sinnvoll sein könnte
In „einzelnen Städten“ mit besonders hoher Staubelastung hält Habeck auch die Einführung einer Citymaut für sinnvoll, und dürfte dabei vor allem Metropolen wie Berlin, Hamburg und München im Blick haben. Wobei er aber betont, es sei „nicht Aufgabe des Bundes, das von oben zu verordnen“. Eine Gebühr für die Einfahrt in überfüllte Innenstädte könne aber „durchaus eine ökologische Lenkungswirkung erzielen“, was sich etwa in London gut beobachten lasse. Wichtig sei aber, „dass gleichzeitig der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird, damit die Menschen auch wirklich Alternativen haben.“
Zu seiner Vorstellung nach der Mobilitätswende gefragt sagt Habeck, dass der Verkehr in zehn Jahren ein ganz anderer sein werde als heute. Wie genau das aussieht, werde sich von Stadt zu Stadt unterscheiden. „Aber dass wir Staus und Blechlawinen wie im Moment haben, würde ich sehr stark bezweifeln“, meint der Grünen-Politiker, und bringt ein anschauliches Beispiel: „Denken Sie daran, wie schnell Handys oder Streamingdienste eingeführt wurden. Früher hatten wir Schallplatten und VHS-Kassetten, und heute haben wir ein wahnsinniges Unterhaltungsangebot, aber keine Dinge mehr, die wir in Regale stapeln müssen“, so Habeck. Dank Sharing-Angeboten etwa könne ein komplett neues Bild der Mobilität entstehen: „Wir erweitern das Angebot, man kann sich sehr schnell, sehr günstig, in einer großen Vielfalt an Angeboten von A nach B bewegen. Aber wir müssen nicht eine gefühlte Ewigkeit im Parkhaus durch fünf Etagen kurven und ein Ticket ziehen, um das Auto loszuwerden“. Das bedeute auch „mehr Freiheit“.
„Kein Klimaschutz wird wehtun“
Dabei stellt Habeck klar, dass Klimaschutz im Portemonnaie der Bürger nicht schmerzen werde: „Kein Klimaschutz wird wehtun“, sagt er. Es ist, so der Konsens in Wissenschaft und Forschung, das Gegenteil der Fall, Klimaschutz wird immer teurer, je länger man damit wartet. „Wir sind zu langsam und müssen Zeit gutmachen“, sagt Habeck. „Im Gegensatz zur Bundesregierung“ machen die Grünen auch Vorschläge, „wie Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden kann“, erklärt der Parteivorsitzende: Die Grünen wollen zum Beispiel die Einnahmen aus dem CO2-Preis, der ganz unabhängig von der nächsten Regierung bereits von der aktuellen Großen Koalition beschlossen wurde, „vollständig an die Menschen zurückgeben: Zum einen durch eine Senkung der EEG-Umlage, zum anderen über das Energiegeld, also eine pauschale Pro-Kopf-Rückerstattung, die jede Bürgerin und jeder Bürger zu Jahresbeginn ausbezahlt bekommt.“
Damit erfolge eine „Umverteilung im System“, denn „Besserverdienende zahlen im Schnitt einen höheren CO2-Preis“, da sie in der Regel auch „einen größeren ökologischen Fußabdruck haben“, weil sie größere Autos fahren und in größeren Wohungen und Häusern leben. Stufenweise wollen die Grünen die Kfz-Steuer nur noch am CO2-Ausstoß ausrichten, womit der Betrieb von großen und schweren Verbrennern teurer werden dürfte. Es soll allerdings „Bestandsschutz gelten“ für bereits zugelassene Fahrzeug. Das Fernziel aber sei klar: „Am Ende muss der Verkehr emissionsfrei werden.“ Deshalb begrüßt er auch den Plan der EU, Verbrenner ab 2035 faktisch zu verbieten. „Deutschland als Industrienation“ jedoch müsse „etwas schneller vorangehen“, findet Habeck, und sollte schon ab 2030 nur noch emissionsfreie Neuwagen zulassen.
„Wir müssen schneller werden, wir müssen Geld investieren“
Der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur für Elektroautos sei bis dahin auch erreichbar, so Habeck. „Aber es ist natürlich kein Selbstläufer, sondern geht nur, wenn es politisch vorangetrieben wird. Wir müssen schneller werden, wir müssen Geld investieren“, so der Grünen-Politiker. Und Deutschland habe die besten Voraussetzungen dafür, es sei „ein reiches Land, das sich das leisten kann“. Mehr Elektroautos allein allerdings „reichen aber nicht für mehr Klimaschutz, wir brauchen dafür auch mehr Ökostrom“, stellt Habeck klar: „Das heißt mehr erneuerbare Energie in Deutschland, wir müssen Wasserkraft aus Norwegen und Österreich importieren und Solarstrom aus Spanien oder Nordafrika.“
Habeck sieht zwar auch die Chancen und Vorteile von anderen emissionsfreien Technologien wie etwa Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. „Klar ist aber: Infrastrukturen sowohl für Strom und Wasserstoff als auch für E-Fuels mit Steuergeld aufzubauen, obwohl man weiß, dass Batteriefahrzeuge am effizientesten sind, ist haushalterisch keine gute Idee“.
Quelle: ADAC – „Mobilitätswende heißt nicht, den Stau elektrisch zu machen“