Habeck: „Am Ende muss der Verkehr emissionsfrei werden“

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Bündnis 90 / Die Grünen

Michael Neißendorfer
Michael Neißendorfer
  —  Lesedauer 4 min

In einem Interview mit dem ADAC erklärt der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck, ab wann in Deutschland aus seiner Sicht keine Verbrenner mehr zugelassen werden sollten, was die Grünen gegen Staus und schlechte Luft machen wollen und warum Klimaschutz den Portemonnaies der Bürger nicht wehtun wird.

Mobilitätswende heißt nicht, den Stau elektrisch zu machen“, sagt Habeck zu Beginn des Gesprächs angesichts überfüllter Innenstadtrouten. Er selbst habe kein eigenes Auto mehr, allerdings erst, seitdem seine Kinder aus dem Haus sind. „Bis dahin war ich wie viele andere Menschen auch auf das Auto angewiesen“, so der Grünen-Politiker. Es sei wichtig, Alternativen zu Pkw und „bessere Verbundsysteme zu schaffen, damit die Verkehrsdichte abnimmt“.

Und zwar sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, wo sich z.B. mit Carsharing die Notwendigkeit eines eigenen Autos für viele Bewohner erübrigen könnte: „Ich kenne Gemeinden, die E-Mobile für die Dorfgemeinschaft zum Teilen anschaffen“, so Habeck. „Bei uns in Schleswig-Holstein nennen wir sie Dörpsmobile.“ Ein „zentraler Punkt“ der Grünen-Agenda sei auch, „den Schienen- und Busverkehr zu unterstützen“, wobei es nur mit dem Ausbau von Park&Ride-Anlagen nicht getan sei.

Wo eine Citymaut sinnvoll sein könnte

In „einzelnen Städten“ mit besonders hoher Staubelastung hält Habeck auch die Einführung einer Citymaut für sinnvoll, und dürfte dabei vor allem Metropolen wie Berlin, Hamburg und München im Blick haben. Wobei er aber betont, es sei „nicht Aufgabe des Bundes, das von oben zu verordnen“. Eine Gebühr für die Einfahrt in überfüllte Innenstädte könne aber „durchaus eine ökologische Lenkungswirkung erzielen“, was sich etwa in London gut beobachten lasse. Wichtig sei aber, „dass gleichzeitig der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird, damit die Menschen auch wirklich Alternativen haben.“

Zu seiner Vorstellung nach der Mobilitätswende gefragt sagt Habeck, dass der Verkehr in zehn Jahren ein ganz anderer sein werde als heute. Wie genau das aussieht, werde sich von Stadt zu Stadt unterscheiden. „Aber dass wir Staus und Blechlawinen wie im Moment haben, würde ich sehr stark bezweifeln“, meint der Grünen-Politiker, und bringt ein anschauliches Beispiel: „Denken Sie daran, wie schnell Handys oder Streamingdienste eingeführt wurden. Früher hatten wir Schallplatten und VHS-Kassetten, und heute haben wir ein wahnsinniges Unterhaltungsangebot, aber keine Dinge mehr, die wir in Regale stapeln müssen“, so Habeck. Dank Sharing-Angeboten etwa könne ein komplett neues Bild der Mobilität entstehen: „Wir erweitern das Angebot, man kann sich sehr schnell, sehr günstig, in einer großen Vielfalt an Angeboten von A nach B bewegen. Aber wir müssen nicht eine gefühlte Ewigkeit im Parkhaus durch fünf Etagen kurven und ein Ticket ziehen, um das Auto loszuwerden“. Das bedeute auch „mehr Freiheit“.

„Kein Klimaschutz wird wehtun“

Dabei stellt Habeck klar, dass Klimaschutz im Portemonnaie der Bürger nicht schmerzen werde: „Kein Klimaschutz wird wehtun“, sagt er. Es ist, so der Konsens in Wissenschaft und Forschung, das Gegenteil der Fall, Klimaschutz wird immer teurer, je länger man damit wartet. „Wir sind zu langsam und müssen Zeit gutmachen“, sagt Habeck. „Im Gegensatz zur Bundesregierung“ machen die Grünen auch Vorschläge, „wie Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden kann“, erklärt der Parteivorsitzende: Die Grünen wollen zum Beispiel die Einnahmen aus dem CO2-Preis, der ganz unabhängig von der nächsten Regierung bereits von der aktuellen Großen Koalition beschlossen wurde, „vollständig an die Menschen zurückgeben: Zum einen durch eine Senkung der EEG-Umlage, zum anderen über das Energiegeld, also eine pauschale Pro-Kopf-Rückerstattung, die jede Bürgerin und jeder Bürger zu Jahresbeginn ausbezahlt bekommt.

Damit erfolge eine „Umverteilung im System“, denn „Besserverdienende zahlen im Schnitt einen höheren CO2-Preis“, da sie in der Regel auch „einen größeren ökologischen Fußabdruck haben“, weil sie größere Autos fahren und in größeren Wohungen und Häusern leben. Stufenweise wollen die Grünen die Kfz-Steuer nur noch am CO2-Ausstoß ausrichten, womit der Betrieb von großen und schweren Verbrennern teurer werden dürfte. Es soll allerdings „Bestandsschutz gelten“ für bereits zugelassene Fahrzeug. Das Fernziel aber sei klar: „Am Ende muss der Verkehr emissionsfrei werden.“ Deshalb begrüßt er auch den Plan der EU, Verbrenner ab 2035 faktisch zu verbieten.Deutschland als Industrienation“ jedoch müsse „etwas schneller vorangehen“, findet Habeck, und sollte schon ab 2030 nur noch emissionsfreie Neuwagen zulassen.

„Wir müssen schneller werden, wir müssen Geld investieren“

Der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur für Elektroautos sei bis dahin auch erreichbar, so Habeck. „Aber es ist natürlich kein Selbstläufer, sondern geht nur, wenn es politisch vorangetrieben wird. Wir müssen schneller werden, wir müssen Geld investieren“, so der Grünen-Politiker. Und Deutschland habe die besten Voraussetzungen dafür, es sei „ein reiches Land, das sich das leisten kann“. Mehr Elektroautos allein allerdings „reichen aber nicht für mehr Klimaschutz, wir brauchen dafür auch mehr Ökostrom“, stellt Habeck klar: „Das heißt mehr erneuerbare Energie in Deutschland, wir müssen Wasserkraft aus Norwegen und Österreich importieren und Solarstrom aus Spanien oder Nordafrika.

Habeck sieht zwar auch die Chancen und Vorteile von anderen emissionsfreien Technologien wie etwa Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. „Klar ist aber: Infrastrukturen sowohl für Strom und Wasserstoff als auch für E-Fuels mit Steuergeld aufzubauen, obwohl man weiß, dass Batteriefahrzeuge am effizientesten sind, ist haushalterisch keine gute Idee“.

Quelle: ADAC – „Mobilitätswende heißt nicht, den Stau elektrisch zu machen“

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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Helmuth Meixner:

Sie fragen warum die GRÜNEN es IMMER verbockt haben? IMMER schon! Ganz einfach, weil es NICHT reicht dass einige Leute gute Ideen haben. – ABER die Masse ihrer Anhänger und Mitglieder die Realität nicht begreifen wollen. Aus hautnah gemachter Erfahrung mit der alten Oberliga dieser GRÜNEN + ROTEN + EU war mir schon um 2002 klar und sehr deutlich geworden, was dort in Berlin, München, Brüssel passiert, das wird nix. Zu viele Egozentriker, zu viele Leute die träumen und selbst das Gegenteil tun, das wird nix, Gar nix und immer wieder das gleiche „Spiel“. An Ende sind die Leute doch wie vorher. Sie wollen und wagen keine Veränderung und was dann? Das alte „SPIEL“. Man kennt es ja schon. Nur nix ändern. Genau wie hier in diesen „Diskussionen“. Man weiß vage, was mit dem Planeten los ist. Bleiben wir bei diesen Auto-Freaks. Natürlich wurde DAS AUTO verändert. Aber doch nicht freiwillig, sondern wegen Selbstbetrug. Alternativen bei UNS elektrisch, ein wenig elektrisch, aber doch wie gewohnt, Gross, teuer, schwer, schnell auf dem Papier. Protzig nicht schlecht. Masse für Massen die träumen… Endlich ein alter Traumwagen, bezahlbar wegen Billigkredit….. Was kostet der Sprit? Egal! Wird mit Plastilkarte bezahlt? …. Das Kreuzerl wird schwarz. die die Umwelt…. Wetten das?

adson:

1++

adson:

Wenn ich auch nicht in allen Punkten mit Herrn Habeck und seiner Partei übereinstimme, werde ich doch vorsichtshalber einen grünen Stift mit zur Wahl nehmen!

Farnsworth:

Das ist das Hamsterrad aus dem keiner rausspringen will. „Ich brauche aber das Auto um zur Arbeit zu kommen!“ „… weil Du dank des Autos einen Job angenommen hast, den Du ohne Auto nicht angenommen hättest“ oder eben näher an die Arbeit gezogen wärst. Ich bin jahrelang 100km am Tag gependelt, heute frage ich mich, warum ich das so lange gemacht habe.

Wir haben früher 200m neben der Arbeitsstelle meines Vaters gewohnt. Wir hatten zwar ein Auto, aber eher als Luxusgegenstand, nicht als Notwendigkeit. Was der in der ganzen Zeit an Sprit und Fahrzeit gespart hat. Und ich war auch immer glücklich, wenn mein Papa mit uns zusammen Mittag gegessen hat.

Zum Glück hat Corona Home-Office im großen Stil durchgedrückt und pendeln im großen Stil überflüssig gemacht. Hoffen wir, dass diese Errungenschaft nachhaltig bleiben wird.

Farnsworth

Farnsworth:

„Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt“ – die Ärzte

Farnsworth:

Heute morgen gab es einen Artikel in der Zeitung der von einer Studie des Mobility Institute Berlin berichtete, dass in deutschen Städten der ÖPNV um Faktor 2 langsamer ist als das Auto. Und das trifft auch auf meine Erfahrung zu. Mit dem ÖPNV bin ich doppelt so lang unterwegs wie mit dem Auto und das nur die reine Fahrzeit, nicht die Zeitverluste durch den Takt. An unserem Bahnhof fahren die Züge zweimal die Stunde. Das heißt aber lange noch nicht dass sie halbstündlich fahren. Zwei Züge im Abstand von 10 Minuten dann 50 Minuten Pause. Klar während der Fahrt mit dem ÖPNV kann ich währenddessen was anderes tun, wie z.B. ein Buch lesen. Beim Autofahren muss ich auf den Verkehr konzentriert sein. Das ändert aber nichts an der Tatsache dass ich doppelt so lange für den Weg brauche.

Für mich wäre der einzige Ausweg aus dem Dilemma das Robotaxi. Da es auf dem Automobil passiert hat es auch eine ähnliche Fahrzeit wie ein Auto. Durch Cab-Sharing in der Rush-Hour würde der Bestand an Fahrzeugen enorm reduziert werden. Und es würde sich alles über den Preis regeln. Zum Beispiel wäre ein einzelnes Fahrzeug für sich während der Rush Hour viel teurer als würde man Cab-Sharing nutzen. Ebenso müsste Cab-Sharing nur funktionieren wenn man an Hauptverkehrsstraßen zu steigt und nicht in Wohngebieten. Durch diese Randbedingungen könnte die Effizienz des Systems in Stoßzeiten deutlich erhöht werden. Da so viel mehr Menschen mit ähnlicher Fahrtrichtung effizient zusammengefasst werden können, ohne dass es für die anderen Mitfahrer zu großen Zeitverzögerungen durch Umwege kommen würde. Lediglich die ein und Ausstiegszeiten würden dazu kommen. Klar muss man dann vielleicht am Ziel noch 200 m laufen aber das muss man im Zweifelsfall am Firmenparkplatz ja auch.

Farnsworth

David:

Ich habe gar nicht erklärt, wo ich stehe, sondern warum die Grünen bisher so ein schlechtes Bild abgeben.

Markus Doessegger:

Nirgendswo habe ich postuliert, dass es weder nur noch ÖV oder nur noch Elektroautos geben soll. Es soll kein e-Auto vs. ÖV geben, sondern ein ergänzendes Miteinander. Weil eben gerade Erfolg/Misserfolg der Autoindustrie inklusive einer Unmenge von Zulieferern, wie ein damokles Schwert über Allem steht, was dann auch politisch entschieden wird, hat der ÖV immer das nachsehen. Das ist kein nachhaltiger Zustand. Quasi ein To-Big-To-Fail. Haben oder hatten wir in der Schweiz ebenfalls mit den Banken und der Uhrenindustrie. Ich behaupte, dass gerade dieser Umstand in der Vergangenhieit wesentlich dazu beigetragen hat, dass kein Wechsel hin zu einer ausgewogenen Transportinfrastruktur stattfinden konnte. Das ist eine exzentrische Ausrichtung auf nur eine Verkehrsart.

Genau das, was Du beklagst, könnte vielleicht schon lange kein Problem mehr für Dich sein, wenn der ÖV in der Vergangenheit als gleichberechtigter Partner gesehen worden wäre.

Die Macht der OEM’s und des internationalen H2-Öl-Kartells ist viel zu gross, so dass auch die Politik immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner aushandeln kann. Und das ist und war eben viel zu wenig, so dass diese Situation in der wir uns alle befinden, hätte vermieden werden können.

Und niemand wollte sich vor 10, 20, 30 oder auch 40 Jahren unbeliebt machen. Und heute sind wir in einer Situation, wo es bald einmal keinen Weg mehr an der Unbeliebtheit vorbei geben wird. Und das ist ein Dilemma. Irgendwann muss es eine Regierung geben, die nicht mehr anders kann.

Ich frage mich immer nur, wieso braucht die Menschheit immer diese eigentlich sinnlose Herausforderung? Seit Jahren wissen wir das und doktern immer wieder an denselben kleinen Rädchen, so dass es ja niemandem weh tut. Und wir wissen aber auch, dass der Zeitpunkt kommen wird, wo es immer öfter und immer mehr weh tut. Gleichwohl haben wir alle immer noch das Gefühl, wir können uns so irgendwie durchmogeln. Bei Corona genau dasselbe Bild. Wir tun immer nur so viel wie unbedingt notwendig.

Ich finde schon, und das würde ich an alle Länder richten, dass es wirklich Zeit ist uns Gedanken zu machen, ob unser Kompass noch stimmt, oder ob wir nicht viel mehr der aktuell voranschreitenden Dissruption eine grössere Chance geben sollten.

Alle hier wissen wen ich dabei anspreche. Unser Kopf muss das zulassen. Die Technologie ist grösstenteils bekannt. Und dann müssen wir Leute haben, die das tatkräftig umsetzen und zwar mit der Bevölkerung und nicht gegen sie.

Anonymous:

Ich empfehle allen Kommentatoren das aktuelle Video von Rezo
Danach ist die CDU/CSU eigentlich unwählbar ;-)

Anonymous:

1 -2 oder 3 Wir werden wohl am 26.09.21 erfahren, ob Du wirklich richtig stehst, oder ob bei Dir das Licht aus geht.
Ich denke wir brauchen einen echten Politikwechsel, und zwar mit Annalena an der Spitze der Grünen ;-)
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