Der Aufbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur in Deutschland ist eine wichtige Voraussetzung, damit sich die Elektromobilität weiter durchsetzen kann. Aber auch ein halbes Jahr nach Start der Offensive für die „Ladeinfrastruktur vor Ort“, die die Bundesregierung mit 300 Millionen Euro Fördergeldern ausgestattet hat, sind deutlich weniger Schnellladepunkte in Betrieb gegangen als ursprünglich erwartet. Hauptgrund sei “zu viel Bürokratie”, meint der Verband der Automobilindustrie (VDA e.V.).
Mit dem im Dezember 2019 verkündeten europäischen “Green Deal” hat sich die EU – als Bestandteil umfassenderer Bemühungen für eine klimaneutrale Wirtschaft – das Ziel gesetzt, die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 gegenüber 1990 um 90 Prozent zu senken. Entscheidenden Anteil an der Verringerung der Emissionen aus dem Straßenverkehr hat die Umstellung auf alternative, kohlenstoffärmere Kraftstoffe. Die am weitesten verbreitete neue Energiequelle, insbesondere für Personenkraftwagen, ist Strom. Wesentlich für die Umstellung auf eine weitgehend emissionsfreie Fahrzeugflotte bis 2050 ist der Aufbau von Ladeinfrastruktur, der mit der Verbreitung von Elektrofahrzeugen Schritt hält. Das politische Ziel bestehe laut EU-Rechnungshof letztendlich darin, eine Autoreise mit dem Elektrofahrzeug quer durch Europa unternehmen zu können, bei der das Aufladen des Elektrofahrzeugs ebenso problemlos vonstattengeht wie ein konventioneller Tankvorgang.
Laut eines im Mai veröffentlichten Sonderberichts des EU-Rechnungshofes gehe der bisherige Ausbau der Lade-Infrastruktur nur schleppend voran. Vom angestrebten Ziel, eine Million Ladesäulen bis zum Jahr 2025 zu errichten, sei man noch weit entfernt. Bislang stehen erst 250.000 Ladesäulen EU-weit zur Verfügung, auch wenn sich deren Zahl seit 2014 fast verachtfacht habe. Dazu sehe sich die EU mit folgenden einander bedingenden Problemen konfrontiert: Einerseits wird die Verbreitung von Elektrofahrzeugen durch die fehlende Ladeinfrastruktur eingeschränkt, während andererseits Investitionen in die Ladeinfrastruktur nur dann getätigt werden, wenn mehr Sicherheit hinsichtlich der Verbreitung von Elektrofahrzeugen besteht. Zudem würden die einzelnen Mitgliedstaaten nicht über die erforderlichen Instrumente für deren europaweite Koordinierung verfügen.
Und auch der Verband der Automobilindustrie e.V. schaut mit Sorge auf die Entwicklung: “Aus dem Förderprogramm ‚Ladeinfrastruktur vor Ort‘ ist unserer Kenntnis nach seit April dieses Jahres bisher kein einziger Ladepunkt entstanden. Bis dato ist auch nur ein mittlerer einstelliger Prozentbetrag bewilligt worden. Zu lange Bearbeitungszeiten und zu umfangreiche Genehmigungsverfahren bremsen den Aufbau der Ladeinfrastruktur erheblich”, sagt Geschäftsführer Joachim Damasky, Geschäftsführer des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Der VDA begrüße die vielfältigen Förderprogramme der laufenden Legislatur, die den Aufbau von Ladeinfrastruktur in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen unterstützen. „Viele Förderprogramme für die unterschiedlichen Anwendungsfälle sind richtig aufgesetzt. Aber die aktuelle Offensive hätte einen viel umfangreicheren Beitrag zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur liefern können. Es mangelt an der Operationalisierung und der Sichtbarkeit der Maßnahmen für die Verbraucher. Es kann nicht sein, dass Bürokratie die Transformation verlangsamt“, sagt Damasky weiter.
Die Offensive für die „Ladeinfrastruktur vor Ort“ hat das Ziel, öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten vor Ort zu fördern und soll auch Menschen eine Ladelösung bieten, die weder Zuhause noch beim Arbeitgeber laden können. Das Förderprogramm brauche schnellstmöglich einen schnelleren und effizienteren Genehmigungsprozess, um den Antragsstau zu lösen. Ohne eine verlässliche, flächendeckende öffentliche Ladeinfrastruktur ist die Transformation hin zur klimaneutralen Mobilität nicht zu schaffen, meint der VDA. Förderanträge können bereits seit dem 12. April noch bis Ende des Jahres eingereicht werden. Die Bezuschussung kann bis zu 80 Prozess der Investitionskosten betragen.
Quelle: EU Rechnungshof, VDA e.V. (Verband der Automobilindustrie)