Für das Team Sonnenwagen Aachen steht fest, nachhaltige Mobilitätskonzepte und Solartechnologie sind entscheidend für unsere Zukunft. Als Verein begeisterter Studierender wollen diese daher gemeinsam einen Beitrag dazu leisten. Darum entwickelt der Verein ein Solarauto zur Teilnahme an einem emissionsfreien Rennen quer durch Australien, der Bridgestone World Solar Challenge.
Doch nicht nur dort nimmt der Sonnenwagen am Rennen teil, auch bei anderen Events ist man zu sehen. Des Weiteren dienen die Erkenntnisse aus dem Praxis-Einsatz dem Ziel das Streben nach dem effizientesten Auto voranzutreiben. Mit Frederic Aoun, Mitglied von Sonnenwagen und zuständig für das Sponsoring haben wir uns über die Vision hinter dem Solarauto unterhalten.
Servus Frederic und vielen Dank bereits im Vorhinein, dass du dir die Zeit für ein Gespräch über Sonnenwagen nimmst. Sonnenwagen ist ein Verein, welcher aus der Studierender der RWTH und FH Aachen entstanden ist. Kannst du zunächst ein paar Worte über euren Verein, als auch deine Person verlieren?
Team Sonnenwagen wurde im Jahr 2015 gegründet. Mit dem Leitsatz die Grenzen des technisch Machbaren zu verschieben, entwickeln und bauen wir in kompletter Eigenregie solarbetriebene Rennfahrzeuge. Mit diesen treten wir bei Rennevents auf der ganzen Welt an. Darunter alle zwei Jahre bei der World Solar Challenge in Australien, dem härtesten Solarautorennen der Welt ist. Im Jahr 2017 wurde unser erster Sonnenwagen vorgestellt und 2019 unser zweites und aktuelles Auto. Momentan entwickeln wir die dritte Generation, welche nächstes Jahr fertiggestellt werden soll.
Ich selbst studiere aktuell im dritten Mastersemester Wirtschaftsingenieurwesen an der RWTH Aachen. Seit Ende 2019 bin ich bei Team Sonnenwagen und Teil der Sponsoring-Abteilung. Dort reichen meine Aufgaben von der Akquise neuer Sponsoren über die Pflege bestehender Sponsoren bis hin zu verschiedensten Public- und Business-Relations-Themen.
Im Vorgespräch hatte ich erfahren, dass das “Streben nach dem effizientesten Auto” der Antrieb ist euren Sonnenwagen auf die Straße zu bringen. Habe ich das so richtig aufgefasst oder was ist euer Antrieb?
Das stimmt: Wir streben nach maximaler Energieeffizienz, weil wir denken, dass es ein Kernthema der Future Mobility ist. Die Reichweiten-, Ladezeit- und Kostenfrage lässt sich nicht optimal mit immer größeren Batterien lösen. Autos müssen effizienter gebaut werden, um die vom Kunden geforderten Reichweiten zu ermöglichen, ohne dass die Ladezeiten steigen und die Autos teurer werden.
Kleinere Batterien sind wegen der für ihre Produktion verwendeten Ressourcen auch besser für die Nachhaltigkeit der Fahrzeuge. Natürlich ebenso, wie der dann geringere Stromverbrauch der Autos an sich.
Als Verein treiben uns jedoch auch der Pioniergeist und die Innovationskraft an, weil wir mit unserem Projekt zeigen was schon heute technologisch möglich ist. Mich individuell motiviert auch, dass wir den etablierten und großen Konzernen im Automobilsektor zeigen, dass auch Studenten ohne langjährige Arbeitserfahrung solche hochtechnologischen Fahrzeuge entwickeln können. Unser Fahrzeugkonzept ist zwar nicht mit den Serienfahrzeugen der Automobilhersteller zu vergleichen aber die Grundidee ist übertragbar.
Warum habt ihr euch ausgerechnet für die World Solar Challenge in Australien entschieden, um euer Solarfahrzeug an den Start zu bringen? Hätte man nicht zu Beginn ein wenig “tiefer stapeln” können? Gerne kannst du auch ein paar Worte zur Challenge verlieren, damit unsere Zuhörer verstehen, welchen Herausforderungen ihr euch stellen müsst.
Die World Solar Challenge existiert seit über 30 Jahren und ist ein Rennen, bei dem über 50 Teams aus der ganzen Welt gegeneinander antreten. Mit solarbetriebenen Fahrzeugen wird alle zwei Jahre der australische Kontinent, ausschließlich mit der Kraft der Sonne, überquert. Gestartet wird in Darwin an der Nordküste und das Ziel ist Adelaide an der Südküste. Es werden also innerhalb von 5-7 Tagen insgesamt 3022 km, quer durch das australische Outback zurückgelegt. Dabei gibt es zwei Hauptrennklassen: Die Challenger- und die Cruiser-Class.
Bei der Cruiser-Class treten Fahrzeuge an, die eher an bekannte Serienfahrzeuge erinnern. Die Fahrzeuge sind also mit mehreren Sitzplätzen, einem Kofferraum usw. ausgestattet und dadurch vergleichsweise groß. Auf Grund dessen dürfen die Teams der Cruiser-Class während des Rennens auch an ausgewählten Kontrollstopps die Batterien ihrer Fahrzeuge extern aufladen. Wir treten mit unseren Sonnenwagen hingegen in der Challenger-Class an. Die Fahrzeuge in unserer Klasse sind auf maximale Effizienz ausgelegt. So haben wir nur Platz für einen Fahrer und das gesamte Fahrzeug ist aerodynamisch sowie gewichtstechnisch optimiert und deshalb kleiner und schneller. Außerdem fahren wir, anders als die Teams der Cruiser-Class, auf dem Weg durch das Outback nur mit der Energie, die wir über unsere Solarzellen generieren.
Zu der Frage, warum wir uns gerade für die World Solar Challenge entschieden haben: Die besten Teams der Welt in unserem Bereich sind bei der Challenge in Australien am Start und wir wollten da von Anfang an dazugehören. Bei unserer ersten Teilnahme 2017 waren wir direkt bester Newcomer und haben 2019 mit einem sechsten Platz gezeigt, dass wir ganz vorne mitfahren. Getreu nach dem Motto „We’re in it to win it“ werden wir bei der nächsten World Solar Challenge 2021 wieder ganz vorne angreifen.
Außerdem ist der Gedanke einen ganzen Kontinent nur mit der Kraft der Sonne zu durchqueren ein Ziel, das es Wert ist so viel Zeit, Arbeit und Herzblut in unser Projekt und unser Auto zu investieren.
Start-Ups wie Lightyear sind aus eben dieser World Solar Challenge hervorgegangen. Strebt ihr ähnliche Pläne an oder betrachtet ihr es in der Tat “nur” als Spielfeld, um euer theoretisches Wissen in der Praxis zu vertiefen?
Wie gesagt, ist unser Team verglichen zu den anderen Teams eher jung. Dennoch haben wir von Anfang an unser Projekt bei Sonnenwagen nicht “nur” als Spielfeld betrachtet, sondern hatten immer im Blick, dass Start-Ups daraus entspringen können. Der Verein selbst ist durch die Gemeinnützigkeit jedoch selbst nicht in der Position auf dem Markt zu starten. Durch unsere Arbeit entsteht aber ein Mindset bei uns als aktiven Mitgliedern, dass alles umsetzbar ist was wir uns vornehmen. So werden in unserem Büro regelmäßig konkrete Ideen zwischen unseren Ingenieuren diskutiert. Ich kann mir deshalb vorstellen, dass es also sehr gut möglich ist, dass in absehbarer Zukunft das ein oder andere Start-Up aus aktiven oder ehemaligen Mitgliedern von Sonnenwagen ausgegründet werden kann.
Nun ist es so, dass ihr nicht nur fünf, sechs Mitglieder in eurem Verein seid. Mittlerweile sind es gut 45 Vereinsmitglieder, welche aktiv an der 3. Generation des Solarautos wirken. Magst du ein paar Worte zu eurer Struktur verlieren?
Die Struktur in unserem Verein gleicht eher der eines kleinen Unternehmens als der eines klassischen Vereins. Wir haben sieben Abteilungen, welche unsere hochtechnologische Entwicklungsarbeit aber auch nicht-technische Bereiche wie das Sponsoring oder das Marketing übernehmen. Die technischen Abteilungen gliedern sich in die Aerodynamik, die Elektrotechnik, die Struktur, das Fahrwerk und die Fahrstrategie. Da es je nach Bauteil oder Projekt zu Überschneidungen zwischen den Abteilungen kommt, ist ein guter und regelmäßiger Austausch wichtig. Deshalb haben wir jede Woche ein großes Teamtreffen bei dem sich der ganze Verein trifft um Updates aus allen Abteilungen vorzutragen und zu diskutieren. Darüber hinaus trifft sich jede Abteilung auch unter sich einmal die Woche, um die eigenen Projekte besser abzustimmen. Zusätzlich zu den Treffen kommuniziert das Team intensiv über die Plattform Slack. Hier können schnell Fragen geklärt, Themen besprochen und Anstehendes organisiert werden.
Aus unserem Namen „Team Sonnenwagen Aachen“ wird deutlich, wie wichtig uns das Team ist. Ein so aufwendiges Projekt wie unseres, wird erst durch gutes Teamwork möglich. Natürlich ist die aktuelle Corona-Situation auch für uns sehr belastend aber wir haben es geschafft unsere Arbeit über eine Menge digitaler Meetings halbwegs zu normalisieren.
Rein finanziell kann sich ein solcher Verein nicht nur von den Gebühren der Mitgliedschaften tragen. Oder? Magst du ein paar Worte zu euren Unterstützer und deren Antrieb verlieren?
Natürlich sind wir finanziell auch auf die Unterstützung von Unternehmen angewiesen. Durch die o.g. starke internationale Konkurrenz entsteht ein richtiger Technologiewettkampf, da jedes Team mit den neusten und innovativsten Technologien nach ganz vorne fahren möchte. Damit einhergehend kommen auch hohe Kosten, wenn man da mithalten oder sogar gewinnen möchte. Darüber hinaus ist der logistische Aufwand unser Auto und unser Material nach Australien zu transportieren auch finanziell nicht unerheblich. All das wird durch unsere Kooperationspartner ermöglicht.
Unter einer Kooperation stellen wir uns eine Partnerschaft vor, die über ein klassisches Sponsoring hinausgeht. Deshalb suchen wir immer nach starken Partnern, die uns auch mit Ihrem Knowhow und ihren Technologien weiterhelfen können. Dafür stellen wir eine Innovationsplattform als Leuchtturmprojekt für eine energieeffiziente und CO2-neutrale Zukunft. Darüber hinaus sind wir das einzige deutsche Team in der Challenger-Class in Australien und bieten exklusive, eindrucksvolle Bilder für die E-Mobilität, die den aktuellen Puls der Zeit treffen.
Wie geht es eigentlich weiter, wenn Mitglieder ihr Studium beenden? Verlassen diese automatisch den Verein, bleiben sie ihm erhalten oder machen sie dezent Platz für die nachfolgende Generation?
Aktive Mitglieder müssen laut unserer Satzung eingeschriebene Studierende sein, deshalb ist die Fluktuation naturgemäß relativ groß. Wenn diese dann ihr Studium beenden, müssen sie aber selbstredend nicht den Verein verlassen, sondern können als sog. Alumni weiter mitwirken.
Eine Saison bei uns geht zwei Jahre: Von der Entwicklung eines Fahrzeugs über einen weiteren Wettbewerb im Jahr zwischen der World Solar Challenge bis zur Teilnahme an der World Solar Challenge selbst. Am Anfang einer Saison arbeiten die älteren Mitglieder die neuen Mitglieder ein und bleiben dann meistens für einen Wissensaustausch kontaktierbar. Mit vielen unserer Alumni besteht immer noch ein starker Kontakt und sie sind noch sehr stark in beratender Funktion involviert. Selbstverständlich bleiben aber auch einige Mitglieder für zwei Saisons oder länger dabei, was gerade in Leitungspositionen durch die hohe Erfahrung sehr hilfreich ist.
Nochmal zurück zu eurem Sonnenwagen. Aktuell arbeitet ihr an der 3. Generation, für die Challenge im kommenden Jahr. Wie ist der aktuelle Stand und was sind die nächsten Schritte eurerseits?
Genau, aktuell befinden wir uns tief in der Designphase für die Entwicklung der 3. Generation. Das beinhaltet einen intensiven Austausch zwischen den Abteilungen und viele verschiedene Simulationen, um am Ende das optimale Design zu finden und alle dazugehörigen Komponenten zu entwickeln.
Ab Anfang 2021 wollen wir dann mit der Fertigung des Fahrzeugs starten, damit wir es im Sommer vorstellen können und noch in Deutschland testen können. Anfang September geht es dann für zwei Monate mit einem Kernteam nach Australien. Dort wird weiter getestet und der Rest des Teams kommt Stück für Stück bis zum Start der World Solar Challenge im Oktober 2021 nach.
Vielen Dank für deine Zeit Frederic und die interessanten Einblicke hinter die Kulissen von Sonnenwagen.
Sehr gerne, danke dir!