Mercedes kündigte Anfang des Jahres einen bedeutenden strategischen Schritt an: Das Unternehmen will sämtliche eigenen Vertriebsstandorte in Deutschland verkaufen. Diese Entscheidung wurde den Leitern der Niederlassungen Mitte Januar durch Britta Seeger, Vertriebsvorständin der Mercedes-Benz AG, mitgeteilt und hat seitdem für erhebliche Unstimmigkeiten gesorgt. Zusätzliche Verstimmung kommt nun durch unterschiedliche Boni-Zahlungen.
Mitarbeiter:innen im Handel, die sich im vergangenen Jahr durch ihre Leistungsbereitschaft ausgezeichnet haben, wurden dafür mit einer Sonderzahlung von 1000 Euro brutto belohnt. Nicht genug, wenn man Stimmen aus dem Handel Glauben schenken darf. Und dadurch unterstrichen, dass Mitarbeiter:innen, die am Band und nicht im Handel tätig waren, für 2023 eine Prämie in Höhe von 7300 Euro brutto erhalten haben. Abermals führt die deutlich geringere Bonuszahlung in der Vertriebssparte “Own Retail” zu wachsender Frustration, wie das Manager-Magazin berichtet.
Insgesamt soll es um 60 bis 80 konzerneigene Niederlassungen gehen, wie das Manager Magazin und andere Medien sowie EAN Anfang Januar berichteten. Die Verkaufsentscheidung hat nicht nur wegen der möglichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die etwa 8000 Beschäftigten der Niederlassungen Kritik hervorgerufen, sondern auch, weil damit jahrelang erkämpfte Rechte und Sicherheiten bedroht sind. Betriebsrat und Gewerkschaften haben ihre Entschlossenheit bekundet, die Interessen der Mitarbeiter vehement zu verteidigen, während sie gleichzeitig den Druck auf das Management erhöhen, um über die Absicherung der Arbeitsbedingungen zu verhandeln.
Mercedes hingegen zeigt sich überzeugt, dass die notwendige Veränderung im Vertrieb am effektivsten durch langfristige, gezielte Investitionen in Mercedes-Benz-Autohäuser durch unabhängige Autohausgruppen realisiert werden könne. Angesichts der niedrigen Margen und der strategischen Ausrichtung auf eine Steigerung der Vertriebskosten durch mehr Online-Verkäufe scheint der Verkauf aus Unternehmenssicht eine logische Konsequenz zu sein.
Verhandlungen gestalten sich komplex
Erst Ende Mai des vergangenen Jahres hatte Mercedes seinen Vertrieb in Deutschland bundesweit auf das echte Agenturmodell, einer Form des Direktvertriebs, umgestellt. Die Verhandlungen über den Verkauf gestalten sich komplex. Besonders die Beschäftigungsgarantie bis Ende 2029, die Mercedes den Mitarbeitern zugesagt hat, könnte für potenzielle Käufer abschreckend wirken, da diese in der Regel eine schlankere Betriebsstruktur anstreben. Ferner ist die Tarifbindung der Mitarbeiter ein entscheidender Punkt in den Gesprächen, da diese deutlich über dem üblichen Tarif im Kfz-Handel liegt.
Die Mitarbeiter:innen stehen der Situation kritisch gegenüber und haben bereits mit Protestaktionen auf die Verkaufspläne reagiert. Die Bereitschaft zu Streiks wird zwar noch zurückgehalten, doch sollte es zu keiner zufriedenstellenden Einigung kommen, könnte sich dies ändern. Ebenso verzeichnen die Niederlassungen eine steigende Zahl von Kündigungen, was die Dringlichkeit einer einvernehmlichen Lösung unterstreicht.
Mercedes-Benz hat schon in den vergangenen Jahren verschiedene Autohäuser in Großbritannien, Italien, Spanien, Belgien und der Tschechischen Republik verkauft. Wie schnell selbiges in Deutschland voranschreiten kann, wird sich zeigen müssen. Mercedes-Benz und seine Beschäftigten stehen somit vor einer entscheidenden Phase der Verhandlungen. Während das Unternehmen auf eine baldige Einigung hofft, bereiten sich Betriebsrat und Gewerkschaften auf mögliche harte Auseinandersetzungen vor. Die nächsten Monate werden zeigen, ob und wie die Interessen aller Beteiligten in Einklang gebracht werden können.
Quelle: Manager-Magazin – „Sehr harte Auseinandersetzungen“ um die Mercedes-Häuser