Der Bundestag hat die Ausweitung der Mautpflicht für Lastkraftwagen beschlossen. So müssen die Halter von Lkw, die mehr als 7,5 Tonnen wiegen, ab dem 1. Dezember 2023 zusätzlich eine CO2-Gebühr zahlen – sofern es sich nicht um einen E-Lkw handelt. Die Branche reagiert mit scharfer Kritik.
Das neue Gesetz sieht vor, dass die Lkw-Maut für die Nutzung von Bundesfernstraßen ab dem 1. Dezember 2023 um eine CO2-Komponente erweitert wird. Ab dem 1. Juli 2024 wird die Maut außerdem auch auf Lastkraftwagen mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen bis zu 7,5 Tonnen ausgeweitet. Handwerker und Personen mit handwerksähnlichen Berufen, die Fahrzeuge von weniger als 7,5 Tonnen nutzen, sollen von dieser Mautpflicht ausgenommen werden.
„Die Kohlenstoffdioxid-Differenzierung sei eine wichtige Maßnahme für die Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehr und zur Erreichung des Klimaschutzziels“, heißt es in der Gesetzesvorlage. Durch die Einführung werde ein Preissignal gesetzt, durch das die Nutzung von Lkw mit alternativen Antrieben für die Güterverkehrsbranche deutlich attraktiver wird. Der vermehrte Einsatz von Lastkraftwagen mit alternativen Antrieben werde benötigt, um das Ziel – ein Drittel elektrische Fahrleistung im Jahr 2030 – zu erreichen.
Die Bundesregierung rechnet durch die Einführung der CO2-Differenzierung für Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mit Mehreinnahmen aus der Maut von 26,61 Milliarden Euro in den Jahren 2024 bis 2027. Die erwarteten Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Maut auf Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen beziffert die Bundesregierung auf vier Milliarden Euro im gleichen Zeitraum. Davon entfielen 1,83 Milliarden Euro auf die CO2-Differenzierung. Ebenfalls neu geregelt werden soll die Verwendung der Mauteinnahmen. Die Hälfte der Einnahmen soll weiterhin zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur im Bereich Bundesfernstraßen verwendet werden, die zweite Hälfte auch für Maßnahmen im Bereich des Schienennetzes.
Branche: „Wirtschafts- und bürgerfeindlicher Blindflug der Ampel“
Harsche Kritik kommt indes aus der Branche. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) findet sehr deutliche Worte: „Die (…) im Verkehrsausschuss ohne Änderungen durchgewunkene Maut-Verdopplung ist ein Skandal nicht nur für die mittelständische Gütertransport-Wirtschaft, sondern auch für die Bevölkerung insgesamt: Es handelt sich dabei in Wahrheit um eine Steuererhöhung, die einen vierköpfigen Haushalt mit mehreren hundert Euro pro Jahr treffen und die bereits jetzt schon sehr hohe Inflation bei Lebensmitteln befeuern wird. Das trifft vor allem Haushalte mit geringeren Einkommen.“
Die Erhöhung der Mauttarife bedeute auch eine verpasste Gelegenheit für die notwendige Umstellung auf umweltfreundliche Transportmittel im Güterverkehr. Aufgrund der aktuellen Engpässe im Schienenverkehr werde die Erhöhung der Straßenmaut voraussichtlich nicht dazu führen, dass auch nur eine Tonne Fracht von der Straße auf die Schiene verlagert wird. Zusätzlich dazu habe die Regierung die Gelegenheit versäumt, die zusätzlichen Einnahmen aus dieser Maßnahme zur Förderung der Elektromobilität im Straßengüterverkehr zu nutzen. „Mit den zusätzlichen Mitteln aus der Maut-Erhöhung in Höhe von jährlich 7,6 Milliarden Euro hätte man den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur deutlich vorantreiben und die Anschaffung von E-Lkw in den kommenden Jahren signifikant unterstützen können. So werden E-Lkw auch in den nächsten Jahren nur eine Nischen-Rolle spielen können“, heißt es seitens des BGL weiter.
Diese Maut-Erhöhung sei zudem „ein erschreckendes Zeichen von Ideologie und geringem Respekt vor den gesamtgesellschaftlich Betroffenen, den Betrieben und den privaten Haushalten.“ Die Art und Weise, wie dieses Gesetz ohne jeden wirtschaftlichen Sachverstand und ohne Rücksicht auf sachlich begründete Änderungsvorschläge aus dem maßgeblich betroffenen deutschen Mittelstand durch das Parlament „gepeitscht“ worden sei, findet der BGL blamabel. Letztendlich werden die Konsequenzen dieser als wirtschafts- und bürgerfeindlich empfundenen Entscheidung von den Transportunternehmen und den Haushalten getragen werden müssen, ist sich der Verband sicher.
Mauterhöhung komme verdeckter Steuererhöhung gleich
Laut ihnen verneine die Ampel-Koalition auch, dass diese Milliardenbelastung zu spürbaren Kostensteigerungen führen würden. Dabei werden 85 Prozent aller Güter in Deutschland per Lkw transportiert, darunter viele, die für den täglichen Bedarf unverzichtbar sind. Da Transportunternehmen am Standort Deutschland im europäischen Vergleich ohnehin mit hohen Kosten belastet seien und in einem harten und oft unlauteren Wettbewerb vor allem zu osteuropäischen Transportunternehmen stünden, müssten die Kosten im Zusammenhang mit der Mautverdoppelung weitergereicht werden – bis hin zum Endverbraucher. Faktisch komme die Maut-Erhöhung damit einer verdeckten Steuererhöhung gleich, die jeden Haushalt zusätzlich treffe. „Eindrucksvoller kann man den drittgrößten Wirtschaftsbereich, die Logistikbranche, nicht an die Wand fahren“, ärgert sich BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt.
Auch Olivier Kölsch, Geschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) zeigt sich entsetzt: „Die aktuelle Erhöhung der Mautkosten befeuert die Kostenspirale für Lebensmittel und Getränke zusätzlich und das mehrfach, weil sowohl Rohstoffe als auch Produkte mehrmals transportiert werden müssen. Die damit verbundenen Mehrkosten können keinesfalls von den Lebensmittelherstellern allein aufgefangen werden!“ Er ist der Meinung, dass die Mauterhöhung die Wettbewerbsfähigkeit der hierzulande produzierten Güter auf den internationalen Märkten und somit den Produktionsstandort Deutschland schwächen würde. Zusätzlich belastend für die Unternehmen sei die extrem kurze Frist bis zum Inkrafttreten der neuen Mautsätze ab dem 1. Dezember 2023. Diese erschwere langfristige Kostenplanungen.
Elektro-Lkw bis Ende 2025 mautbefreit, danach reduzierte Sätze
Emissionsfreie Fahrzeuge wie Elektrofahrzeuge und Wasserstoffverbrenner sowie Fahrzeuge mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle bleiben bis Ende 2025 mautbefreit. Ab dem 1. Januar 2026 müssen für emissionsfreie Fahrzeuge nur 25 Prozent des Mautteilsatzes für Infrastrukturkosten zuzüglich der Mautteilsätze für Lärmbelastung und Luftverschmutzung entrichtet werden.
Frank Huster, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV), verwies darauf, dass bis Ende dieses Jahrzehnts emissionsfreie Fahrzeuge flächendeckend nicht einsetzbar sein würden. Auch seien die Verladeoptionen auf das System Schiene begrenzt. Insofern werde die mit der Verdoppelung der bestehenden Mautsätze angedachte Lenkungswirkung zu diesem frühen Einführungszeitpunkt deutlich verfehlt. Huster kritisierte zudem die „einseitige technologische Festlegung auf batterieelektrische und brennstoffzellenelektrische Antriebe sowie Wasserstoffmotoren“. Der Einsatz biogener Kraftstoffe (HV100, Bio-LNG und Bio-CNG) und E-Fuels in Verbrennungsmotoren, der schnell und ohne technischen Umrüstaufwand CO2-Reduktionserfolge um bis zu 90 Prozent im Straßengüterverkehr realisieren könne, bleibe indes unberücksichtigt.
Kim Kohlmeyer von Transport & Environment Deutschland sieht den Einsatz solcher sogenannter „erneuerbaren Kraftstoffe“ jedoch als nicht mit den EU-Recht vereinbar an. Von ihrem Einsatz sei aber auch aus anderen Gründen dringend abzuraten. Erneuerbare Kraftstoffe, einschließlich fortschrittlicher Biokraftstoffe und strombasierter Kraftstoffe, würden auf absehbare Zeit knapp und teuer bleiben „und aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten nicht zur Verringerung der Emissionen beitragen“. Gleichzeitig würde eine Einbeziehung aus Sicht Kohlmeyers ihre dringend benötigte Verfügbarkeit für Sektoren wie die Schifffahrt, den Luftverkehr und die chemische Industrie erheblich beschränken. „Da, wo es möglich ist, muss elektrifiziert werden“, sagte sie.
Auch was die Verfügbarkeit von E-Lkw angeht, vertrat Kohlmeyer eine andere Ansicht als die Verbandsvertreter aus der Speditions- und Logistikbranche. Die europäischen Lkw-Hersteller, darunter Daimler, MAN, Scania und Volvo, konzentrierten sich darauf, Elektro-Lkw für alle Fahrzeugsegmente und ab 2024 insbesondere auch für den Fernverkehr auf den Massenmarkt zu bringen, sagte sie. Rund 30 emissionsfreie Lkw-Modelle sei bereits angekündigt, die bis 2025 in die Massenproduktion für den europäischen Markt gehen sollen.
Quellen: Deutscher Bundestag – Bundestag beschließt Ausweitung der Mautpflicht für Lkw / Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung – Pressemitteilungen vom 18.10.2023 und 20.10.2023