Karina Schnur, Betriebsratschefin von MAN und der VW-Nutzfahrzeug-Tochter Traton, zeigt sich über die aktuelle Situation am Markt für Lkw alles andere als erfreut. Denn der Umstieg auf die Elektromobilität, Strafen für zu hohen CO₂-Ausstoß sowie die Verschärfung der Abgasnormen sei zu viel. Vor allem, wenn alles auf einmal kommt.
„Wir können nicht alles gleichzeitig machen“, so Schnur. „Die Politik überfordert unsere Branche massiv. Das könnte im schlimmsten Fall Tausende Jobs kosten.“ Der Vorstandschef des Bus- und Lkw-Herstellers MAN, Alexander Vlaskamp, offenbarte zuletzt auf der IAA Nutzfahrzeuge im Jahr 2022 die wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Elektrifizierung des Unternehmens. „Ab 2024 sind wir bereit, in größere Stückzahlen zu gehen. Wir gehen davon aus, dass 2030 die Hälfte unserer verkauften Lkw mit Strom fahren wird“, so Vlaskamp.
Man befinde sich somit voll im Umbau zur Elektromobilität. So soll ab 2024 das MAN-Stammwerk München Elektro-Lkw für den Schwerlast- und Fernverkehr fertigen. Gleichzeitig entsteht im Motorenwerk Nürnberg eine Batteriefertigung. Dabei reicht es nicht nur aus, die Werke umzubauen, sondern man müsse auch die eigenen Mitarbeiter entsprechend schulen. Bald soll dann bereits die Hälfte der neuen Lkw des Münchner Herstellers elektrisch sein. So will es auch die Politik und verschärft die Flottengrenzwerte ab 2025 schrittweise. Diese sind nur mit starker Elektrifizierung zu erreichen, werden diese nicht eingehalten, dann drohen massive Strafen.
CO₂-Strafzahlungen dürften Realität werden
Schnur geht davon aus, dass solche Strafen durchaus ausgesprochen werden könnten. Der Grund liege hierfür aber nicht im Unternehmen selbst begründet, sondern vielmehr an der fehlenden Ladeinfrastruktur. “Wir haben die nötigen E-Fahrzeuge in wenigen Monaten im Angebot, doch noch gibt es keine Ladesäulen dafür”, so die Betriebsratschefin von MAN weiter. Die Fakten liegen somit vor, aber keine Ladestationen für die Lkw und selbst dann, wenn Spediteure diese in Eigenregie aufbauen, dauert es viel zu lang. Den deutschen bürokratischen Hürden sei Dank. Zusammen mit Partnern will der MAN-Mutterkonzern Traton selbst 1700 Schnelllader errichten, doch das werde bei weiten nicht reichen. „Deshalb muss die Politik hier endlich liefern.“
Abgasnorm Euro 7 parallel zum E-Mobilität Umstieg nicht umsetzbar
Und dann gibt es da noch die Abgasnorm Euro 7. Die möchte Schnur aber nicht ganz so schnell umgesetzt sehen. Derzeit stehe hierfür Mitte 2027 im Raum. Wie Schnur allerdings ausführt, sei diese nicht zielführend: “Die Norm zwingt uns nun, eine Milliarde Euro in eine aufwendige Weiterentwicklung des Verbrenners zu investieren, obwohl das Geld bei der E-Mobilität viel dringender benötigt wird. Außerdem müssen wir dafür 400 Entwickler aus der E-Mobilität abziehen, die dort dann fehlen. Wir brauchen technisch machbare Grenzwerte, und der Start von Euro 7 muss in Richtung 2030 verschoben werden.”
Vonseiten der Behörden sei dies wohl eh kaum zu schaffen. Da nach aktueller Beurteilung sowohl Lkw als auch Autos in 2027 für die Euro 7-Norm fällig werden. “Dann müssen Tausende Pkw und Lkw gleichzeitig zertifiziert werden, und zwar jede Variante einzeln – vom Feuerwehrauto bis zum Betonmischer. Den Behörden fehlen dafür aber die Mitarbeiter und die Prüfstände.“ Es drohe ein riesiger Rückstau samt Verkaufs- und Produktionsstopp für noch nicht zertifizierte Modelle. „Die Mitarbeiter, die sie produzieren, müssten wir dann wohl in Kurzarbeit schicken“, so Schnur.
Zum Ende des Interviews mit Merkur.de äußert sie dann einen versöhnlichen Wunsch: “Statt uns zu Investitionen in allen Bereichen zu zwingen, sollte die Politik uns lieber beim ohnehin schwierigen Umstieg auf die E-Mobilität unterstützen. Nur so bleiben Europas Nutzfahrzeughersteller konkurrenzfähig. Auch für den Klimaschutz wäre das sinnvoller.“ Dazu gehöre auch Unterstützung beim Aufbau der Ladeinfrastruktur. Sonst war es das mit elektrischen Lkw.
Quelle: Merkur.de – „Die Politik überfordert Europas Lkw-Hersteller massiv“