Das Landgericht München I hat im Markenstreit zwischen den Autoherstellern Audi und Nio zugunsten den Ingolstädtern entschieden und Nio die angegriffene Werbung untersagt. Der chinesische Hersteller bewirbt auf seiner Internetseite unter anderem die zwei Modelle mit der Bezeichnung „ES 6“ bzw. „ES 8“ und plant, diese in Deutschland auf den Markt zu bringen.
Hiergegen wandte sich Audi in seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken „S 6“ und „S 8“ Verwechslungsgefahr bestehe. Das Landgericht München bejahte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr der beiden Modelle und begründete dies durch gedankliches Inverbindungbringen.
Das Gericht ging davon aus, dass der in der Werbung zu sehende Firmenname für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht zu bleiben habe, da es sich bei der angegriffenen Bezeichnung erkennbar um einen Kfz-Typenbezeichnung handele und es im Automobilbereich die Gepflogenheit gebe, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gelte dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen seien.
Im Weiteren führte das Gericht zur Begründung aus:
Zwar weiche die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen von Nio schriftbildlich und klanglich merkbar von der Audi-Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichere jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken würden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führe.
Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt sei nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betreffe sämtliche Lebensbereiche (z.B. als E-Akte auch das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau E-Mobilität sei ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend werde ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfüge, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet.
Die Kammer führte aus, es sei deshalb zu erwarten, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend verstehe und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sehe. Es bestehe die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ von Audi in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gebe damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechslung durch Inverbindungbringen.
Audi hatte bereits im Oktober 2021 auf Unterlassung der Werbung, Auskunft und Schadenersatz geklagt. Nio darf nun nicht mehr für die Modelle ES6 und ES8 werben. Das Urteil allerdings ist noch nicht rechtskräftig und es könnte sein, dass der Rechtsstreit fortgesetzt wird. Ein Sprecher von Nio hatte der Süddeutschen Zeitung zufolge bereits vor der Urteilsverkündung gesagt, man werde bei einer Niederlage in erster Instanz wahrscheinlich Rechtsmittel einlegen.
Quelle: Landgericht München – Pressemitteilung vom 20.01.2023 / Süddeutsche Zeitung – Verwechslungsgefahr: Chinesischer Autobauer unterliegt Audi