ADAC: E-Autos gewinnen bis zu 40 Prozent Energie zurück

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Michael Neißendorfer
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Der Antrieb eines Elektroautos gilt als besonders effizient, der Wirkungsgrad ist gegenüber einem Verbrenner um ein Vielfaches höher. Elektroautos nutzen aber nicht nur die eingesetzte Energie beim Vortrieb besser aus, sondern gewinnen beim Bremsen auch welche zurück. In einer umfangreichen Untersuchung hat der ADAC die Effizienz und Vorteile der sogenannten Rekuperation unter die Lupe genommen.

Bei herkömmlichen Benzinern und Dieseln wird beim Bremsen die Bewegungsenergie ungenutzt in Wärme verwandelt – die Bremsscheiben werden heiß. Bei Elektroautos dagegen kann der E-Motor umgekehrt als Generator genutzt werden. Er macht aus der kinetischen Energie wieder elektrische, die in den Akku eingespeist wird. Diese Energierückgewinnung bremst das Auto ab, in manchen Fällen bis zum Stillstand. Den Effekt kennt man vom Fahrrad mit Dynamo: Sobald der Dynamo an den Reifen geklappt wird, leuchten die Lampen, aber das Treten wird etwas anstrengender.

Wie wirkungsvoll ein Auto rekuperiert, hängt vor allem von drei Faktoren ab:

  • Gewicht: Schwere Autos haben ausnahmsweise einen Vorteil. Je mehr Masse in Bewegung ist, desto stärker muss zum Verzögern rekuperiert werden und umso mehr Strom wird zurückgewonnen.
  • Elektromotor: Was fürs Fahren gilt, gilt auch beim Rekuperieren. Je leistungsstärker der Motor ist, desto mehr Strom kann er erzeugen.
  • Akku: Die Batterie muss stark genug sein, um die rekuperierte Energie aufzunehmen und es muss „Platz“ im Akku sein. Ist der Stromspeicher komplett voll, kann auf den ersten Kilometern kaum rekuperiert werden.

Deutlich wird das an zwei Beispielen: Dem Kleinwagen Dacia Spring und der Oberklasse-Limousine BMW i7. Beide haben auf dem Prüfstand im ADAC Technik Zentrum in Landsberg eine zuvor aufgezeichnete Fahrt auf den Kesselberg im Voralpenland und wieder hinunter zurückgelegt. Der nur 1180 Kilogramm schwere Dacia mit 33 kW (45 PS) starkem Motor hat auf der Teststrecke bergauf 26,4 kWh / 100 km verbraucht. Bergab lag der Verbrauch bei -7,1 kWh / 100 km, es wurde also Energie zurückgewonnen. Daraus resultiert ein Gesamtverbrauch von 9,7 kWh / 100 km.

Deutlich schwerer und stärker ist der BMW: Er bringt 2830 Kilogramm auf die Waage und hat zwei Motoren mit 400 kW Leistung (544 PS). Dementsprechend hoch ist der Verbrauch bergauf: 59,3 kWh / 100 km. Gewicht und Leistung sorgen umgekehrt dafür, dass bergab mit -26,3 kWh / 100 km rekuperiert wurde – macht in Summe 16,5 kWh / 100 km.

Nicht nur am Berg, sondern auch im Alltag macht sich die Rekuperation positiv bemerkbar. Green NCAP-Messungen (nach WLTP) haben ergeben, das E-Autos im Durchschnitt 22 Prozent der Energie, die sie aus der Batterie entnehmen, wieder zurückgewinnen. Spitzenreiter unter den 19 untersuchten Fahrzeugen ist der Nio ET7, der im Mittel sogar 31 Prozent rekuperiert. Schlusslicht ist der Dacia Spring, der nur auf durchschnittlich 9 Prozent kommt.

Stadtverkehr bietet größtes Sparpotenzial

Das größte Sparpotenzial besteht dem ADAC zufolge im Stadtverkehr, wo häufig gebremst wird: Sowohl der Nio als auch der Hyundai Ioniq 6 können hier mehr als 40 Prozent der eingesetzten Energie zurückholen, im Schnitt werden im City-Verkehr circa 30 Prozent rekuperiert. Auf der Autobahn sinkt die Rekuperations-Quote auf rund 10 Prozent

Neben der Energierückgewinnung hat die Rekuperation noch einen Vorteil: Da die mechanische Bremse viel seltener benutzt wird, sinkt die Feinstaub-Belastung durch Bremsenabrieb signifikant; eine Emissionsquelle, die zukünftig im Rahmen der Euro-7-Norm sogar begrenzt wird. Gleichzeitig halten die Bremsen aufgrund des geringeren Verschleißes in der Regel länger als bei Verbrenner-Fahrzeugen – sofern sie nicht wegen zu geringer Nutzung vorher korrodieren.

Die Rekuperation ist ein wichtiger Faktor für die Effizienz von E-Autos“, betont Dino Silvestro, Leiter Fahrzeugtest im ADAC Technik Zentrum. Der Automobilclub fordert die Hersteller allerdings auf, das Zusammenspiel zwischen Rekuperation und mechanischer Bremse intelligent auszulegen: So viel Energierückgewinnung wie möglich und so viel mechanische Bremse wie nötig, um Korrosion vorzubeugen.

Außerdem darf eine starke Rekuperationsleistung nicht zur Rechtfertigung eines hohen Fahrzeuggewichtes genutzt werden“, so Silvestro weiter. „Der Energieverbrauch zum Beschleunigen der großen Masse wiegt in Summe schwerer als die Vorteile bei der Rekuperation. Autohersteller sollten deshalb und mit Blick auf den Ressourcenverbrauch auch bei Elektroautos auf Leichtbau setzen.“

Abschließend ein paar Tipps für Elektroauto-Fahrer, wie sie die Rekuperationsleistung erhöhen, ihren Verbrauch verringern und die Bremsen in Schuss halten können:

  • Gekonnt Rekuperieren: Bei vielen Autos kann die Rekuperationsstärke eingestellt werden, zum Beispiel mit Schaltwippen am Lenkrad. Innerorts sollte die Rekuperation bewusst genutzt und durch vorausschauendes Fahren – also frühzeitiges Verzögern etwa vor Ampeln und Stoppschildern – maximiert werden, auf der Autobahn hingegen ist das sogenannte Segeln effizienter, also das Dahinrollen bei deaktivierter Rekuperation.
  • One-Pedal-Driving nutzen: Für mehr Komfort lässt sich bei einigen Modellen die Rekuperation komplett über das Fahrpedal steuern. Das Auto bremst, wenn man vom Gas geht, bis zum Stillstand.
  • Rost vorbeugen: Da die mechanische Bremse seltener zum Einsatz kommt, besteht Rostgefahr. Autofahrer sollten deswegen regelmäßig durch stärkeres Verzögern die mechanischen Stopper frei bremsen. Selbstverständlich nur, wenn es die Verkehrssituation gefahrlos erlaubt.

Quelle: ADAC – Pressemitteilung vom 15.03.2024

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Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer

Michael Neißendorfer ist E-Mobility-Journalist und hat stets das große Ganze im Blick: Darum schreibt er nicht nur über E-Autos, sondern auch andere Arten fossilfreier Mobilität sowie über Stromnetze, erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit im Allgemeinen.

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