Zweieinhalb Jahre ist her, als Porsche verkündete, in eine große Batteriezellfabrik in Baden-Württemberg investieren zu wollen. Damals gaben Unternehmenschef Oliver Blume und Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann den Einstieg in die Fertigung von Hochleistungs-Batteriezellen mit Joint-Venture-Partner Customcells bekannt. Demnach investierte der Sportwagenbauer eine hohe zweistellige Millionen-Summe in die gemeinsame Cellforce Group, um “seine technologische Führungsrolle in der Elektromobilität weiter auszubauen“.
Laut FAZ-Informationen befindet sich die erste Gigafactory (1,3 Gigawatt) der Cellforce Group in Kirchentellinsfurt zurzeit im Bau, der Fertigstellungstermin ist demnach für Mitte 2024 anvisiert. Nun prüfe Porsche gemeinsam mit seinem Partner darüber hinaus eine potentielle Skalierung auf mehr als 20 Gigawatt an einem zweiten Standort. Und genau darum geht es: Baden-Württemberg schien eigentlich ein geeigneter Standort zu sein.
Kretschmann sagte damals: „Mit der heutigen Gründung von Cellforce gibt Porsche gemeinsam mit Customcells ein wichtiges Signal: Die Elektrifizierung ist eine der zentralen Säulen der Energie- und Verkehrswende und die modernen Speichertechnologien eine Schlüsseltechnologie der Zukunft. Wer diese Speichertechnologien beherrscht, der sichert Wohlstand und Arbeitsplätze. Baden-Württemberg versammelt alle wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette, von einzelnen Hightech-Komponenten und Produktionstechnik für die Herstellung von Batterien bis hin zu Batteriesystemen und Recycling. Wir arbeiten daran, das weiter auszubauen – unter anderem im Strategiedialog Automobilwirtschaft BW.“
Als Standort für die Gigafactory war die Universitätsstadt Tübingen in der engeren Auswahl, die in räumlicher Nähe zum Entwicklungszentrum Weissach und dem Stammsitz von Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen angesiedelt werden sollte. Porsche plant die Batteriefabrik noch immer, nur scheinbar nicht mehr in Deutschland. Die Suche nach einem Standort für die Skalierung der Batterieproduktion wurde laut der Tageszeitung im vergangenen Jahr erneut aufgenommen und laufe aktuell. Der Produktionsstart sei aber weiterhin auf das Jahr 2026 gelegt, dabei gehe man von einer Bauzeit von ungefähr zwei Jahren aus, heißt es weiter im FAZ-Bericht.
In Nordamerika gibt’s mehr Fördergelder
Bei der Präsentation der Halbjahreszahlen soll Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke von einem regelrechten “Beauty Contest” zwischen Europa, den USA und möglicherweise Kanada gesprochen haben. Hierbei spielten Subventionen ebenso eine Rolle wie Energiepreise, bürokratische Hürden und andere Standortfaktoren. Die geplante Fabrik soll Hochleistungsbatterien mit einer Kapazität von bis zu 20 Gigawattstunden produzieren können, ausreichend für die jährliche Fertigung von 150.000 bis 200.000 Elektroautos. Die Investitionssumme belaufe sich auf mehrere Milliarden Euro.
Nach Informationen der FAZ könnten vor allem die Subventionen den Ausschlag gegen einen Standort in Baden-Württemberg geben. Während Porsche in Deutschland mit einer Förderung zwischen 700 und 800 Millionen Euro rechne, liege die Förderung in Nordamerika voraussichtlich bei umgerechnet fast zwei Milliarden Euro. Bisher unterhält Porsche dort weder Fabriken für Autos noch für Batterien. Porsche selbst habe sich nicht zum Standort geäußert und betont, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei.
Die baden-württembergische Landesregierung hofft derweil darauf, dass das Projekt “im Ländle” dennoch realisiert wird. Man hatte fest mit der Errichtung der Hauptproduktion im Südwesten gerechnet, da Bund und Land die Pilotanlage in Kirchentellinsfurt nahe Reutlingen im Rahmen der europäischen “European Battery Innovation”-Initiative (IPCEI) mit etwa 60 Millionen Euro gefördert haben. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte: “Aber klar ist: Wenn die Ansiedlung nicht in Baden-Württemberg stattfindet, ist dies ein Rückschlag. Die Produktion von Batteriezellen ist ein wichtiger Baustein zukünftiger Wertschöpfung in der Automobilproduktion.” Das Ziel sei es, “die Systemkompetenz auch in den neuen Technologien zu erhalten und Wertschöpfung und Arbeitsplätze im Land zu sichern”.
“Beihilferecht benachteiligt wirtschaftsstarke Regionen”
Gleichzeitig wird Kritik an den EU-Beihilferegeln laut, da sie den Wirtschaftsstandort Deutschland im Vergleich zu anderen Regionen benachteiligen würde, heißt es. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) bemängelt, dass trotz der Herausforderungen durch die Transformation der Kernbranchen wirtschaftsstarke Regionen wie Baden-Württemberg einen Wettbewerbsnachteil bei der Vergabe von Fördermitteln haben. “Das Beihilferecht benachteiligt insbesondere wirtschaftsstarke Regionen wie Baden-Württemberg, die trotz der Herausforderungen durch die Transformation ihrer Kernbranchen einen Wettbewerbsnachteil bei der Vergabe von Fördermitteln haben. Wie soll Europa im Wettbewerb mit den USA und China bestehen können, wenn die EU bei technologieintensiven Ansiedlungsprojekten seine starken und innovativen Standorte so benachteiligt”, äußerte Hoffmeister-Kraut gegenüber der FAZ. Sie betont die Notwendigkeit, in Brüssel auf eine Überarbeitung der Beihilferegeln zu drängen.
Auch die IG Metall teile diese Sorge. Eine Sprecherin habe erklärt: “Ein Autoland Baden-Württemberg wird es in den kommenden Jahrzehnten nur geben, wenn die Wertschöpfung über Software im Fahrzeug, über neue Elektroantriebe, Batteriezellfertigung, Speichertechnologien, Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien auch hier stattfindet.” Der Standortwettbewerb nehme eine neue Intensität an. Unternehmen, die gefördert werden, sollten auch zur Wertschöpfung und Beschäftigung in Europa verpflichtet werden.
Quellen: F.A.Z. – Porsche-Fabrik in den USA statt im Ländle? / Porsche Newsroom – Pressemitteilung vom 21.06.2021