Schnelles Laden von Elektroautos gewinnt in Europa länderübergreifend an wegweisendem Momentum, so das Smart-Energy-Unternehmen GridX in seinem neuesten Ladereport. Die umfassende Analyse wirft im zweiten Jahr in Folge wieder einen Blick auf die Ladeinfrastruktur in Europa. Untersucht wurden in der Studie rund 750.000 Ladepunkte in 32 Ländern in Europa, darunter die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz und das Vereinigte Königreich.
Ein Kernergebnis der diesjährigen Studie prophezeit der Antriebswende in Europa eine verheißungsvolle Zukunft: Schnellladesäulen auf Gleichstrombasis werden derzeit fast doppelt so schnell (+ 96 Prozent gegenüber 2022) installiert wie Wechselstrom-Ladestationen mit mittlerer oder niedriger Leistung (+ 57 Prozent). So zeigt die Ladeindustrie deutlich ihre Vision für die Zukunft auf.
Deutschland in nahezu jeder Kategorie nur Mittelmaß
Deutschland ist in nahezu jeder Kategorie auch 2024 nur Mittelmaß, zeigt allerdings durch Ausreißer wie bei der absoluten Anzahl installierter Ladepunkte (120.625), dass großes Potenzial und gute Ansätze in der Entwicklung vorhanden wären. So landet die Bundesrepublik bei der Zahl der Landepunkte auf Platz zwei direkt hinter den Niederlanden (144.453). Doch wie so oft, ist auch hier alles relativ: Umgerechnet auf die Bevölkerung rutscht Deutschland mit 145 Ladepunkten pro 100.000 Einwohner auf den 13. Platz ab.
Und auch bei der Verteilung der absoluten installierten Kapazität erreicht die Bundesrepublik mit 6730 kW pro 100.000 Einwohner nur einen mittelmäßigen elften Rang. Dennoch zeigt sich ein positiv-stimmender Trend, denn: wer in Deutschland lädt, kann mit hoher Kapazität laden. So rangiert Deutschland im vorderen Feld (fünfter Platz) unter den Ländern mit der höchsten Ladegeschwindigkeit und erreicht den sechsten Rang beim Zuwachs im Schnelllade-Segment.
Ebenfalls ein gemischtes Bild zeigt sich in den deutschsprachigen Nachbarländern: In Österreich liegt die durchschnittliche Ladegeschwindigkeit mit rund 31 kW mit knappem Rückstand hinter dem europäischen Durchschnitt (38 kW). Mit insgesamt 22.002 installierten Ladepunkten im Land erreicht das Land im Ranking nur Platz 11; umgerechnet auf 100.000 Einwohner reichen 198 Ladepunkte dann gerade noch für Rang neun in der Analyse.
Die Schweiz erreicht den siebten Platz bei der Anzahl von reinen E-Autos pro Kopf, wobei sich das Land mit 20 Lademöglichkeiten pro 100 Straßenkilometern sogar an der Spitze des europäischen Rankings positioniert. Beim Zuwachs an Kapazität und Ladepunkten zeigte sich die Schweiz 2023 hingegen unterdurchschnittlich im Vergleich zu den anderen analysierten Ländern. Und auch der Preis für das Ad-hoc-Laden von E-Autos war in Europa im vergangenen Jahr nirgends höher als in der Schweiz (21,10 Euro pro 100 km Reichweite).
Insgesamt ist die Zahl der Ladepunkte in der EU zwischen 2020 und 2023 um 360 Prozent gestiegen. Betrachtet man das letzte Jahr auf Länderebene, so verzeichnen Griechenland und Litauen den größten Zuwachs, gefolgt von Zypern und Estland. Dies bestätigt, dass die Fortschritte bei der Mobilitätswende in Ost- und Südeuropa aufzuholen beginnen, während in den fortgeschritteneren Ländern ein Plateau erreicht wird.
Niederländer laden am besten, Norwegen weiter im Turbo-Modus
Die Pionierarbeit in Europas E-Mobilität leisten derzeit zwei Akteure: Norwegen und die Niederlande. Beide Länder zeigen, so die GridX-Analyse, entscheidende Fortschritte beim Bestand der E-Autos und dazugehöriger Ladeinfrastruktur. Während die Niederlande unter anderem bei der Anzahl der Ladepunkte gerechnet je 100.000 Einwohner mit einer Anzahl von 817 einen deutlichen Vorsprung auf Norwegen (447 Ladepunkte) vorweisen können, demonstrieren die Skandinavier ihre Dominanz in Bezug auf die installierte Ladekapazität je 100.000 Einwohner und liegen mit 36.273 kW klar vor den Niederlanden mit 15.765 kW.
Bei der Verbreitung von E-Autos gibt Norwegen aktuell mit 13.381 Elektroautos pro 100.000 Einwohner ebenfalls eindeutig den Ton an, gefolgt von Island (7048) auf dem zweiten Platz. Die Fortschritte der Niederlande und Norwegens zeigen, dass es – wie beim Henne-Ei-Problem – nicht nur einen einzigen richtigen Weg zur Elektromobilität gibt: Egal, ob sich die Anzahl der Ladepunkte oder der E-Autos zuerst erhöht, das jeweils andere muss folgen.
Zukunftssichere Lösungen müssen schon heute alle Anforderungen erfüllen
„In der Mobilitätswende reicht es nicht aus, Lösungen für den aktuellen Bedarf zu finden. Wir müssen schon heute skalierbare Lösungen entwickeln, um den wachsenden Bedarf von morgen zu decken“, sagt Tobias Mitter, Geschäftsführer und Chief Technology Officer bei GridX. In der EU stehen derzeit pro E-Auto etwa 0,24 kW öffentlich zugänglicher Ladekapazität zur Verfügung. Die EU-Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) sieht vor, dass etwa 1,3 kW pro E-Auto verfügbar sein sollten, um den Mobilitätsbedarf der Autofahrer zu decken.
Wenn das Ziel von 40 Millionen Elektroautos auf den Straßen der EU bis zum Jahr 2030 erreicht wird, bedeutet dies, dass der Zuwachs an Ladekapazität mehr als fünfmal so hoch sein muss wie das Wachstum der E-Autoflotte – folglich würde das eine 46-fache Steigerung der Ladekapazität bis zum Ende des Jahrzehnts bedeuten. Um dies zu erreichen, müssten daher pro Woche rund 270 MW an öffentlicher Ladekapazität hinzukommen – was weit über dem derzeitigen Ausbauniveau liegt.
Quelle: GridX – Pressemitteilung vom 08.04.2024