Ein Kommentar von Michael Neißendorfer
Es war schon ein etwas seltsam anmutendes Schauspiel, das sich da entwickelt hat in Singapur am vergangenen Donnerstag. Porsche hat soeben sein zweites Elektroauto vorstellt, eine der wichtigsten Neuvorstellungen des Jahres der gesamten Autobranche, den rein elektrischen Macan – dessen Verbrenner-Tage nun langsam gezählt sind. Das Modell, neben dem Cayenne einer der Bestseller der Zuffenhausener, wird es schon bald nur noch als E-Auto geben. Konzern- und Markenchef Oliver Blume war eigens angereist, pries den E-Macan als sportlichstes Modell in seinem Segment und als „perfektes Auto für eine neue Art der Mobilität“ und verwies darauf, dass der Elektro-SUV den Weg weisen soll in die Elektrozukunft.
Porsche hatte sie schon mehrmals formuliert, seine ehrgeizigen Elektroauto-Pläne: 2025 soll die Hälfte aller neu verkauften Fahrzeuge rein elektrisch oder als Plug-in-Hybrid an Kunden gehen. Bis 2030 soll der Anteil aller neuen Porsche mit vollelektrischem Antrieb bei mehr als 80 Prozent liegen.
Und dann irritierte im Anschluss an die Premiere des E-Macan Porsches Finanzchef Lutz Meschke mit einer das vorherige Schauspiel und das Elektro-Ziel torpedierenden Aussage: „Es gibt im Moment viele Diskussionen über das Ende des Verbrennungsmotors“, sagte Meschke Automotive News zufolge. „Ich denke, es könnte sich verzögern“, so seine offenbar persönliche Einschätzung. Er begründete sie mit „einer gewissen Zurückhaltung“ gegenüber Elektroautos. Zurückhaltung ist zwar in der Tat zu spüren, jedoch: Die Zulassungszahlen von E-Autos steigen weiterhin, wenn auch mit geringeren Steigerungsraten als in den Jahren zuvor.
Zweifel abbauen statt neue zu säen wäre angebracht
Die EU hat schon vor gut einem Jahr beschlossen, dass ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Die Industrie hat nun noch elf lange Jahre Zeit, entschieden darauf hinzuarbeiten und wichtige Weichen zu stellen, attraktive Modelle zu entwickeln, robuste Lieferketten aufzustellen – und wäre auch in der Pflicht, einen Beitrag dazu zu leisten, um Vorbehalte, Vorurteile und Zweifel gegenüber Elektroautos abzubauen, um dieses Ziel nicht zu gefährden.
Man könnte die Zeit und seine Reputation nutzen, um positive Signale zu setzen, auf die vielen Vorteile der E-Mobilität hinzuweisen, wie etwa geringere Gesamtbetriebskosten und die deutlich bessere Klimabilanz. Zwei Vorteile, die Elektroautos mit steigendem CO2-Preis und dem stetigem Ausbau erneuerbarer Energien noch deutlich ausweiten werden.
Stattdessen schürt Meschke Unsicherheit und nährt Zweifel an der Elektromobilität. In Zeiten, in denen ein klares Bekenntnis wichtiger wäre denn je, da Diskussionen immer weniger auf Faktenbasis, dafür stark nach persönlichen Empfindungen geführt werden. Der Anlass für ein solches Bekenntnis wäre perfekt gewesen in Singapur. Chance verpasst. Jetzt hätten es die Kunden des Zuffenhausener Sportwagenherstellers in der Hand, Meschke zu zeigen, wo die Zukunft liegt: Denn jeder verkaufte Elektro-Porsche mehr wäre ein Gegenargument zu seinen Aussagen.