Eine neue Partnerschaft soll den wirtschaftlichen Wasserstofftransport von Produktionsstätten zu Speicher- und Tankstellenstandorten in Deutschland ermöglichen: Die beiden Lkw-Hersteller Nikola und Iveco sowie der Leitungsnetzbetreiber OGE (Open Grid Europe) planen ein gemeinsames Geschäftsmodell für den leitungsgebundenen Transport von Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge von diversen Produktionsstandorten zu Wasserstofftankstellen. Dabei sollen zunächst die Rollen und Verantwortlichkeiten der Partner, die bereits eine Absichtserklärung unterzeichnet haben, sowie die Grundsätze der Zusammenarbeit konkretisiert und formalisiert werden, die für die Umsetzung der noch in endgültigen Vereinbarungen festzulegenden Ziele benötigt werden.
Im Rahmen ihres Engagements für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft konzentrieren sich die Partner auf die Errichtung der benötigten Transport- und Betankungsinfrastruktur, um eine sichere, zuverlässige und wirtschaftliche Bereitstellung von Wasserstoff für Nutzer und Besitzer von Brennstoffzellen-Lkw zu gewährleisten.
„Nikola hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erzeugung, Verteilung und Bereitstellung von Wasserstoff mit branchenweit führenden Konzepten umzusetzen und voranzutreiben. Wir glauben, dass die Zusammenarbeit gerade in dieser Konstellation eine überzeugende langfristige Lösung für Tankstelleninfrastruktur bietet, mit der die Akzeptanz von FCEV-Technologien in der Industrie sowie im Markt insgesamt gestärkt wird.“ – Pablo Koziner, President Energy and Commercial bei Nikola
„Mit der Einführung von wasserstoff- und batteriebetriebenen schweren Nutzfahrzeugen wird sich das Ökosystem Verkehr verändern. Auch die derzeitigen Geschäftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette werden sich verändern“, erklärt Gerrit Marx, President Commercial & Specialty Vehicles, CNH Industrial, der Muttergesellschaft von Iveco. Die neue Zusammenarbeit sei ein erster Schritt hin zu mehr Partnerschaften, um dies in ganz Europa Realität werden zu lassen. „Dazu bedarf es unternehmerischen, innovativen Denkens über die Grenzen fossiler Industriestrukturen hinweg“, so Marx.
Ein Wasserstoff-Netz für ganz Europa
„OGE engagiert sich für den Aufbau einer Pipeline-Infrastruktur für den Wasserstofftransport von den Produktionsstandorten zu den wichtigen Netz-Exitpunkten“, sagt Dr. Thomas Hüwener, technischer Geschäftsführer OGE. Kurz vor der Mitteilung zur Nikola-Iveco-OGE-Partnerschaft hatte die Initiative für einen Europäischen Wasserstoff Backbone, der u.a. auch OGE angehört, ihre aktualisierte Vision einer europaweiten Wasserstofftransportinfrastruktur vorgestellt. Diese zielt auf die Errichtung eines Wasserstoffnetzes in ganz Europa ab und rechnet bis 2040 nunmehr mit einer Länge von 39.700 km. Auch danach soll das Netz weiter ausgebaut werden können. Der aktuelle Stand des Backbone verbindet 23 Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) und 21 europäische Länder. Die Vision basiert auf dem ersten Bericht der Initiative, welcher von einem Netz von 23.000 km in zehn Ländern ausging und dessen Veröffentlichung im Juli 2020 europaweite Aufmerksamkeit erlangte.
Etwa 69 Prozent des geplanten Wasserstoffnetzes sollen demnach aus umgewidmeten Erdgasleitungen bestehen. Bei den restlichen 31 Prozent soll es sich um neue Anschlussleitungen handeln, für künftige Wasserstoffabnehmer in Ländern mit derzeit kleinen Gasnetzen aber voraussichtlich hohem Wasserstoffbedarf und -angebot.
Der für 2040 anvisierte Backbone von knapp 40.000 km erfordert OGE zufolge Gesamtinvestitionen von etwa 43 bis 81 Milliarden Euro. Die Kosten pro Kilometer liegen dabei unter der ursprünglichen Kostenschätzung des ersten Berichts, da zuvor nur Leitungen mit einem Durchmesser von 48 Zoll berücksichtigt wurden. Dagegen geht der aktuelle Bericht davon aus, dass ein Großteil der heutigen Erdgas- und künftigen H2-Infrastruktur auch kleiner dimensionierte Leitungen umfassen wird. Kleinere Leitungen lassen sich kostengünstiger auf Wasserstoff umstellen, führen aber zu etwas höheren Transportkosten pro Kilometer. Ein Transport von einem Kilogramm Wasserstoff über 1000 km würde damit im Durchschnitt 11 bis 21 Cent kosten. Dies mache den Europäischen Wasserstoff Backbone weiterhin zu einer kostengünstigen Option für den Transport von Wasserstoff über weite Strecken.
Stabiler Regulierungsrahmen erforderlich
Die im aktuellen Bericht enthaltenen Infrastrukturkarten für die Jahre 2030, 2035 und 2040 spiegeln die Vision der 23 an der Initiative beteiligten FNB wider. Diese hatten untersucht, mit in welchen infrastrukturellen Ausbauschritten die Dekarbonisierungsziele erreicht werden könnten. Die Transportwege und Zeitpläne werden mit den Karten jedoch keineswegs endgültig festgelegt. Endgültige Ausgestaltung des Backbones und Zeitplan seiner Umsetzung hängen von den jeweiligen Marktbedingungen für Wasserstoff und Erdgas sowie von der Schaffung eines stabilen Regulierungsrahmens ab.
„Europa muss rasch eine eigene Leitungsinfrastruktur für Wasserstoff aufbauen. Der neue Bericht zeigt mit einer klaren Roadmap, wie das funktionieren könnte“, sagt Prof. Ad van Wijk, Autor des 2×40 GW Elektrolyseur-Plans und Berater von Hydrogen Europe. „Wir sind froh, dass sich elf neue Länder der Initiative für einen Europäischen Wasserstoff Backbone angeschlossen haben“, fügt Daniel Muthmann hinzu, Koordinator der Initiative und Leiter des Bereichs Unternehmensentwicklung, Strategie, Politik und Kommunikation bei der OGE. Der aktuelle Bericht zeige, dass eine wirklich paneuropäische, überwiegend auf umgewidmeten Erdgasleitungen basierende Wasserstoffinfrastruktur möglich sei.
Quelle: Iveco – Pressemitteilung vom 14.04.2021 / OGE – Pressemitteilung vom 13.04.2021