Der kanadische Batteriematerialspezialist Hydro-Québec arbeitet künftig mit dem Autohersteller Mercedes-Benz zusammen, um Festkörperbatterien zu entwickeln. Die neue Akkutechnologie gilt als vielversprechendster Nachfolger der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie. Im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erwarten die beiden Unternehmen nennenswerte Technologiesprünge von Elektroautos.
Das international anerkannte Hydro-Québec Center of Excellence für Elektrifizierung und Energiespeicherung im Transportwesen ist ein führendes Forschungs- und Entwicklungsinstitut für fortschrittliche Batteriematerialien, mit Schwerpunkt auf Festkörperbatterietechnologien. Mit seinen neuesten Entwicklungen hat Hydro-Québec bereits vielversprechende Ergebnisse für die zukünftige Batterieleistung, Reichweite und das Gewicht erzielt und darüber hinaus das Potenzial von Festkörpern für die Sicherheit ausgeschöpft, was neue Möglichkeiten in der Fahrzeugelektrifizierung freisetzen kann. Die Forscher von Hydro-Québec und Mercedes-Benz werden zusammenarbeiten, um neue Materialien unter Feldbedingungen zu testen und den Entwicklungszyklus zu beschleunigen.
Momenten werden in Elektroautos fast ausschließlich Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt. Festkörper-Lithium-Metall-Batterien sollen ein nächster wichtiger Meilenstein in der Technologie sein. Sie haben eine sehr hohe Energiedichte, sind langlebig und sehr leicht. Darüber hinaus gilt die Technologie als sicherere Alternative zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien, da keine brennbaren flüssigen Elektrolyte verwendet werden. Hydro-Québec hat bereits in den 1990er Jahren eine Festkörperbatterie der ersten Generation entwickelt und seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten fortgesetzt, um sowohl die Effizienz als auch die Herstellungsmethoden zu verbessern. Sein Know-how, sein weit verbreitetes Portfolio an geistigem Eigentum und seine hochmodernen Einrichtungen stoßen auf weltweites Interesse und machen es zu einem gefragten Partner für Akteure in der Industrie, die an der Entwicklung der Batteriematerialien und -technologien von morgen beteiligt sind, wie das Unternehmen mitteilt.
„Wir freuen uns, mit Mercedes-Benz, einem renommierten Automobilunternehmen, eine Partnerschaft einzugehen, um unsere Forschung weiter voranzutreiben. Dieser Verbund wird es uns ermöglichen, neue Materialien schnell unter Feldbedingungen zu testen und so den Entwicklungszyklus zu beschleunigen und auf die Bedenken der Automobilhersteller zu reagieren.“ — Karim Zaghib, General Manager des Hydro-Québec-Kompetenzzentrums für Transportelektrifizierung und Energiespeicherung
Die Batterie ist im Elektroauto kein Standardprodukt, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Fahrzeugarchitektur. Die Intelligenz der Batterie liegt in einem hochkomplexen Gesamtsystem, das die Eigenschaften des Fahrzeugs in Bezug auf Leistung, Reichweite und Ladezeiten maßgeblich definiert. Als integraler und wichtiger Bestandteil der Elektrifizierungsstrategie von Mercedes-Benz werden die Kompetenzen für die technologische Bewertung von Materialien und Zellen sowie für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten konsequent ausgebaut. Dazu gehören die kontinuierliche Optimierung der aktuellen Generation von Lithium-Ionen-Batteriesystemen, die Weiterentwicklung der auf dem Weltmarkt gekauften Zellen und die Erforschung der nächsten Generation von Batteriesystemen.
„Die Batterie ist eine Schlüsselkomponente unserer Elektroautos. Die Beherrschung ihrer Chemie ist daher ein zentrales Thema für die Forschung und Entwicklung von Mercedes-Benz. Festkörperbatterien sollen ein nächster wichtiger Technologiesprung für die Elektromobilität sein und eine Alternative zu den heutigen Lithium-Ionen-Batteriesystemen darstellen. Die jüngsten Fortschritte der Hydro-Québec-Forscher sind vielversprechend und wir freuen uns auf die ersten Ergebnisse unseres gemeinsamen Entwicklungsprogramms.“ — Jochen Hermann, Vizepräsident Development eDrive der Mercedes-Benz AG
Die gemeinsamen Forschungsaktivitäten werden im Hydro-Québec-Kompetenzzentrum für Transportelektrifizierung und Energiespeicherung in Kanada sowie im SCE France-Labor, einer Tochtergesellschaft von Hydro-Québec, durchgeführt.
Andreas Hintennach, Senior Manager Battery Research bei der Mercedes-Benz AG, sagte in einem auf dem Daimler-Blog veröffentlichten Interview, der Hersteller wolle mit der neuen Partnerschaft „den Weg für die nächsten Generationen leistungsstarker Elektrofahrzeuge“ ebnen. Die Lithium-Ionen-Technologie sei zwar die derzeit leistungsfähigste Batterietechnologie, die zur Verfügung steht, und verfüge noch über großes Zukunftspotenzial. Er erhoffe sich allerdings von Festkörperakkus „Optimierungen und Alternativen, die über die Möglichkeiten von Li-Ionen-Batterien hinausgehen – nicht zuletzt hinsichtlich der Energiedichte und der Ladezeiten, aber auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit.“
Aufgrund des besonderen Fahrprofils von Pkw und Lkw sei die Energiedichte der aktuellen Festkörper-Technologie „momentan noch nicht wirklich ausreichend. Außerdem dauert das Laden von Festkörperzellen noch zu lange“. Bislang biete sie also „keinerlei Vorteile gegenüber der Lithium-Ionen-Technologie“ und es sei „noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten“. Bei Bussen sollte es möglich sein, bereits in den frühen 2020er Jahren Anwendungsfälle zu entwickeln, weil ihr Fahrprofil sehr gut vorhersehbar ist und Platz keine so große Rolle spielt wie bei einem Pkw, erklärt Hintennach. Lkw stellen demnach „die größte Herausforderung dar, weil die elektrische und volumetrische Dichte sehr hoch sein muss und auch Schnellladen eine wichtige Rolle spielt. Nahezu alle Festkörper-Ionenleiter scheitern bislang in dieser Hinsicht.“
Hintennach sieht Festkörperbatterien übrigens nicht unbedingt als Nachfolger von Lithium-Ionen-Batterie, sondern eher als „ein Begleiter“, und zwar „aus einem ganz einfachen Grund. Die Energiedichte ist in Festkörperbatterien sehr hoch, nicht aber die Leistungsdichte. Das heißt, bei Anwendungen, wo die Batterie etwas größer ausfällt – also beginnend bei mittelgroßen Pkw – reicht die Leistung nicht aus.“ Bei einem Sportwagen etwa, wo ein kleines Batteriepaket eine hohe Leistung erbringen soll, wäre ein Festkörperakku „vermutlich die falsche Lösung. Außerdem ist bei der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie noch viel Luft nach oben. Wir werden in der Zukunft mehrere Technologien sehen. Es kommt ganz auf die Anwendung an“, so der Batterieexperte.
Quelle: Hydro-Québec — Pressemitteilung vom 04.02.2020 // Daimler — Warum Daimler und Hydro-Québec bei zukünftigen Batterietechnologien kooperieren