Der frühere VW-Vertriebsvorstand Jürgen Stackmann sorgt sich um den Wirtschaftsstandort Deutschland und übt in diesem Zusammenhang massive Kritik an der Politik. In einem Interview mit dem Magazin “Business Insider” fordert er unter anderem einen “Masterplan” und ein digitales Netz auf Weltniveau.
Deutschland fehle es an klarer und eindeutiger Führung, warnt Stackmann. Eine attraktive, breit getragene, vorwärtsgerichtete Perspektive für die zukünftige Entwicklung sei nicht erkennbar. Der an sich richtige und wichtige Föderalismus fresse sich mittlerweile in zu viele politische Entscheidungen hinein. “Er wirkt lähmend, nicht beschleunigend.”
Ein Beispiel dafür sieht der Ex-Manager in der augenscheinlichen Unfähigkeit, Deutschlands Großprojekte in den Griff zu bekommen. Es gebe zu viele “Köche”, keine klare Führung, keine klare Zuordnung der Verantwortung für wichtige Prozesse. “Wir laufen von Kompromiss zu Kompromiss und orientieren uns nicht mehr an einer klaren gemeinsamen Ausrichtung.”
Anstatt eine klare strategische Linie oder einen übergeordneten Entwurf zu entwickeln, orientiere sich das Land an Wahlzyklen, Koalitionen, Kompromissen. Die kreative Energie der deutschen Wirtschaft müsse durch eindeutige politische Richtungsentscheidungen kanalisiert und geführt werden, um langfristig wirkende Investitionen wieder in vollem Umfang freizusetzen. Stackmann: “Mir fällt einfach nichts ein, wofür Deutschland im internationalen Wettbewerb in zehn bis fünfzehn Jahren noch stehen will.”
Erfolgreiche Unternehmen – dazu zählt Stackmann auch seinen früheren Arbeitgeber VW – würden in zyklischen Abständen langfristige Strategien entwickeln. Manchmal würden Entscheidungen auch durch einen starken Impuls initiiert, wie etwa beim Diesel-Skandal. “In jedem Fall aber orientieren sich diese Planungen nicht an typischen Management-Zyklen der handelnden Personen, also drei bis fünf Jahre, sondern überspannen zwei bis drei dieser Zyklen.” Dieses Prinzip lasse sich auch auf die Führung eines Landes übertragen. “Wir müssen lernen, wieder wahlperiodenübergreifend zu planen und handeln.”
Übertragen auf den Standort Deutschland fordert Stackmann ein digitales Netz auf Weltniveau bis spätestens 2030 – sozusagen als “Grundrecht” für alle Bürger und Unternehmen. Im internationalen Vergleich mache sich Deutschland da schon fast lächerlich. “Bei der jetzigen digitalen Vernetzung ist es kaum vorstellbar, dass wir in diesem Land zum Beispiel jemals autonom fahrende Fahrzeuge rollen lassen können.” Zusätzlich brauche es einen “Deutschland-Plan Zero Emissions”. Der “Green Deal” der EU müsse dringend durch einen langfristigen “Green Deal Deutschland” ergänzt werden.
Dazu gehöre ein Ziel für die großen CO2-Emittenten Verkehr, Energieerzeugung, Stahl und Zement, Wohnungsbau, sagt Stackmann. Die Richtung für PKW sei mit E-Autos schon vorgegeben, ÖPNV und Güterverkehr könnten schnell folgen. Dazu sei aber der schnelle Aufbau von Ladestationen nötig. Daneben müsse man Ausbau von grünem Wasserstoff oder abfallbasierte Brennstoffen vorantreiben, um Flug- und Schiffsverkehr umstellen zu können. Die technischen Lösungen lägen auf dem Tisch. “Was wir brauchen, ist Mut zur Entscheidung – also auch bewusst den Mut, Wahlen zu verlieren.” Allerdings glaubt der Ex-Manager nicht, dass man für einen attraktiven, klaren und nachvollziehbaren Plan Angst vor Wahlniederlagen haben müsse.
Parallel dazu fordert Stackmann “Weltklasse-Bildung” für die jüngere Generation. Das bedeute, dass der Bund an dieser Stelle führt und die Bundesländer ins zweite Glied rücken. Ein solcher “Masterplan” dürfe sich nicht wegen unterschiedlichen Finanzkraft der Bundesländer auf einen schwachen Kompromiss beschränken.
Quelle: Business Insider – “Deutschland hat keinen Masterplan“