Verkehrsforscher: „Klimapolitik scheitert am Willen“

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Wolfgang Plank
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Trotz Corona-Effekt und Paris-Abkommen gehen die globalen Treibhausgas-Emissionen nicht entscheidend zurück. Im Gegenteil: Sie waren Ende 2020 schon wieder höher als vor den Lockdowns. Angesichts dieser Entwicklung wirft Professor Andreas Knie, Verkehrsexperte am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, der Politik „mangelnden Umsetzungswillen“ vor. „In Deutschland wird heute noch Braunkohle für die Stromproduktion abgebaggert„, klagt er. Die Vernichtung wertvoller Flächen und traditionsreicher Kulturgüter solle sogar bis zum Jahr 2038 so weitergehen. Derweil werde die A 100 mitten durch Berlin getrieben und der Senat denke tatsächlich über den nächsten Bauabschnitt nach.

Klimapolitik sei in Deutschland leider immer noch Sonntagspolitik im Konjunktiv, so Knie: „Man müsste eigentlich, man könnte ja – nur umsetzen, das funktioniert eben nicht.“ Es gehe bei der Klimapolitik letztlich auch immer um Machtpolitik. „Und die Bekämpfung des Klimawandels hat in Deutschland eben immer noch keine Macht. Das sollten wir uns alle mal eingestehen.

Gut zu beobachten sei dies beim immerwährenden Streit um Ladesäulen. Die Autobauer klagen über eine zu geringe Anzahl, die Stromwirtschaft hält das Regierungsziel von einer Million öffentlicher Ladesäulen bis 2030 für überdimensioniert. Knie: „Wenn die deutsche Autoindustrie tatsächlich elektrische Autos verkaufen wollte, hätten wir längst ein entsprechendes Ladenetz.Tesla habe es vorgemacht. „Aber wo in Deutschland kein Wille ist, da ist auch kein Weg.

Die deutsche Stromwirtschaft habe sich in ihrer eigenen Regulierungspolitik verfangen, so der Verkehrsforscher. Der Aufbau von Ladesäulen sollte Teil der Aufgaben der Verteilnetzbetreiber sein. Diese würden Strom für alle Haushalte liefern und könnten praktisch für Ladepunkte an jeder Ecke sorgen und einen netzdienlichen Ausbau garantieren. Die Vermarktung würden andere übernehmen. Stattdessen aber blieben Automobilbauer und Stromwirtschaft lieber Garanten des Gestrigen.

Zudem werde unter dem Druck der Hersteller bereits seit Jahren eine konsequente Absenkung der CO2-Grenzwerte durch Deutschland verhindert. „Wir sind keineswegs das Musterland der Klimabekämpfung. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung tut alles, damit möglichst viel Verbrennungsmotor-Technologie in Europa noch ganz lange ganz legal fahren kann.“ Die Diesel-Krise sei offenbar längst vergessen.

Kritik übt Knie auch am Berliner Senat. Dieser habe das Aus für den Verbrennungsmotor in der Stadt auf Nimmerwiedersehen verschoben. „Damit ist der gesamte Klimaplan der rot-rot-grünen Landesregierung null und nichtig.“ Die SPD in Berlin verfolge leider immer noch den Traum vom alten glücklichen Leben: Reihenhaus, Schrankwand, das eigene Verbrenner-Auto vor der Tür – und freies Parken auf öffentlichen Flächen. „Aber so leben wir nicht mehr, die Welt verändert sich.“ Hans-Joachim Kulenkampff und das Fernseh-Ballett schaue schließlich auch keiner mehr.

Quelle: klimareporter.de

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Wolfgang Plank ist freier Journalist und hat ein Faible für Autos, Politik und Motorsport. Tauscht deshalb den Platz am Schreibtisch gerne mal mit dem Schalensitz im Rallyeauto.

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