Die Welt verlässt sich mehr denn je auf batteriebetriebene Produkte, von den größten Fahrzeugen bis hin zu den kleinsten persönlichen Geräten. Experten prognostizieren einen 14-fachen Anstieg der Batterienachfrage zwischen 2018 und 2030 und einen fünffachen Anstieg der Batteriezellenproduktion zwischen 2020 und 2030 – und das allein für Elektrofahrzeuge. Die steigende Nachfrage nach Batterien bringt zahlreiche Herausforderungen und unterschiedliche Komplexitäten mit sich, die es zu bewältigen gilt, darunter Qualitätskontrolle, Produktionseffizienz, Abfallreduzierung und Kostenminimierung.
Tal Sholklapper, Mitgründer des Batterietechnologie-Unternehmens Voltaiq, geht laut dem Onlinemagazin Edison davon aus, dass eine Batteriezellfabrik im ersten Jahr bis zu 80 Prozent Ausschusss produziert. Erst nach drei Jahren würden viele Batteriewerke ein akzeptables Qualitätsniveau erreichen, wobei die Fehlerquote noch immer bei zehn Prozent liege.
Siemens und Voltaiq wollen sich den Herausforderungen der Batterieproduktion wie diesen nun mit einer gemeinsamen Lösung stellen. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, die produktionserprobten Fähigkeiten des Insights Hub von Siemens und der Enterprise Battery Intelligence (EBI) von Voltaiq zusammenzuführen. Kunden sollen mit einer intelligenten Kombination aus Hard-und Software Zugang zu Fähigkeiten erhalten, die speziell auf Unternehmen im Batteriebereich zugeschnitten sind, um eine schnelle und reibungslose Skalierung der Abläufe zu ermöglichen – und zwar von den ersten Tests bis hin zu Produktionslinien im großen Maßstab. Ein vorrangiges Ziel sei es, den Ausschuss auf nur noch zehn Prozent zu reduzieren.
Produktionssteigerung nicht selten auf Kosten der Qualität
Es ist eine große Herausforderung, sicherzustellen, dass jede Batterie die höchsten Leistungs- und Sicherheitsstandards erfüllt. Schwankungen bei den Herstellungsbedingungen können zu einer uneinheitlichen Batteriequalität führen. Daher ist es wichtig, während der gesamten Produktion eine strenge Qualitätskontrolle durchzuführen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Hersteller Material- und Designinnovationen beschleunigen und die Batteriekosten optimieren, während sie gleichzeitig die angestrebte Energiedichte erreichen und die sichere Nutzung der Batterien gewährleisten müssen.
Jedoch ist es gar nicht so einfach, die Batterieproduktion zu steigern, ohne dabei Kompromisse bei Qualität oder Effizienz einzugehen. Dazu gehört die Verwaltung größerer automatisierter Giga-Anlagen bei gleichzeitigem Verständnis der Einflüsse komplexer Maschinen auf die Eigenschaften von Batteriezellen – und die Reaktion darauf. Die Herstellung von Batterien umfasst komplexe chemische Prozesse – eine Kombination aus Chargenprozess, kontinuierlichem Prozess und diskretem Prozess –, die schwierig zu verwalten sind. Die Hersteller sind bestrebt, diese Prozesse zu optimieren, um Abfälle zu minimieren und die Gesamteffizienz zu verbessern und dabei sowohl Kosten- als auch Umweltaspekte zu berücksichtigen.
Es müssen Wege gefunden werden, die Kosten ständig zu senken, ohne die Produktqualität zu beeinträchtigen. Dazu gehören die Kosten für Rohstoffe, Fertigungsprozesse und Technologieentwicklung. Die industriellen Lösungen von Siemens in Kombination mit den batteriespezifischen Überwachungs-, Visualisierungs- und Analysefunktionen von Voltaiq sollen Kunden eine nahtlose End-to-End-Lösung für das Management und die Optimierung der Batteriezellenfertigung bieten.
Die gemeinsame Lösung adressiere die Herausforderungen in der kritischen Endbearbeitungsphase der Batterieproduktion, die einen erheblichen Teil der Produktionskosten und -zeit ausmacht. Sie soll dazu beitragen, das Risiko zu verringern, das mit der Entdeckung von Problemen in einer späten Phase des Produktionszyklus verbunden ist, in der die Ausbeute und die Rentabilität am wahrscheinlichsten sinken.
“Digitaler Zwilling” soll Probleme schneller finden
Mit der Voltaiq-Software können Hersteller die Analysen nutzen, um Batterieprobleme in Echtzeit zu erkennen. So könnten Probleme im Vorfeld früher im Prozess korrigieren werden, was die Batteriequalität und -ausbeute verbessert und gleichzeitig zu einem schnelleren Scale-up beitrage. Durch den schnelleren Zugang zu datengesteuerten Batterieerkenntnissen sollen Kunden einen sofortigen, messbaren und dauerhaften ROI (Return of Investment), also Rentabilität der Investition, für Batterieprogramme erzielen.
Es werde eine Art “Digitaler Zwilling” der Fabrik erstellt, indem echte Daten in Modelle der Anlagen und Fabriken eingebracht werden. Das helfe dabei, Ursachen von Problemen zu finden und schneller Lösungen zu entwickeln. Ziel sei es, die Menge an fehlerhaften Produkten in der Fabrik zu reduzieren, indem Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Ein weiterer “Digitaler Zwilling” werde für den Produktionsprozess erstellt, um Qualitätsprobleme bei den hergestellten Produkten zu minimieren. Dies geschehe durch die frühzeitige Erkennung und Behebung von Problemen während verschiedener Produktionsphasen.
Transparenz und Analyse in der Produktion seien dabei wichtig, um die Leistung besser bewerten zu können. Das ermögliche eine schnellere Entwicklung von Produkten, indem Tests und Simulationen in Echtzeit Feedbacks liefern. Zusätzlich werden vorausschauende Analysen für Wartung und Qualitätskontrolle genutzt, um die Betriebszeit zu erhöhen und die Menge an fehlerhaften Produkten zu reduzieren; dies wiederum soll den Ausschuss der Produktionslinien minimieren.
Außerdem könne die Technologie von Voltaiq eingesetzt werden, um Anomalien im Verhalten der Batterien frühzeitig zu identifizieren. Dadurch können Probleme bereits im ersten Herstellungszyklus erkannt werden, bevor herkömmliche Qualitätskontrollen sie identifizieren würden. Voltaiqs Lösung sei nach eigenen Angaben einfach zu implementieren und bringe in kürzester Zeit positive Ergebnisse. Insgesamt fungiere Voltaiqs EBI-Lösung als eine Art “Klebstoff”, der verschiedene Werkzeuge im Batteriebereich miteinander verbindet. Damit beziehe man eine Vorreiterrolle im Bereich der Analyseplattformen für Batterien.
“Batterieindustrie hat mit Skalierungsproblemen zu kämpfen”
Voltaiq und Siemens verfolgen gemeinsam das Ziel, industrielle IoT-Lösungen (Internet of Things) mit unmittelbarem Geschäftswert zu liefern. “Durch die Integration unserer Bemühungen tragen wir nicht nur zur Verbesserung der betrieblichen Entscheidungsfindung bei, sondern unterstützen unsere Kunden auch dabei, die digitale Transformation von Unternehmen zu beschleunigen und so zu einer neuen Ära der Batterieproduktion beizutragen”, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung.
Mit der strategischen Zusammenarbeit zwischen Siemens und Voltaiq sehe die Zukunft der Batterieherstellung transparenter, effizienter und nachhaltiger aus, da die Hersteller in der Lage sind, die Anforderungen der zunehmend auf Batterien angewiesenen Welt zu erfüllen. “Die Batterieindustrie hat mit Skalierungsproblemen zu kämpfen, sie muss die Qualität verbessern und die Ausschussraten schnell senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Durch den Zusammenschluss von Siemens und Voltaiq sind wir in der Lage, eine Komplettlösung zu liefern, die den Weg in eine elektrifizierte Zukunft beschleunigt”, erklärt Raymond Kok, SVP und Managing Director bei Siemens Digital Industries.
Quellen: Siemens – Pressemitteilung vom 11.1.2024 / Voltaiq – Pressemitteilung vom 11.1.2024 / Edison – Zellfertigung: „Zehn Prozent Ausschuss sind das Ziel“