Wasserstoff oder Batterieelektrische Zukunft – über diese Fragestellung wurde hier auf Elektroauto-News.net schon mehr als einmal diskutiert. Dabei scheint es kein falsch oder richtig zu geben, sondern kommt immer auf die Begleitumstände an. Selbst die Bundesregierung streitet über Wasserstoff-Strategie, einzelne Hersteller verwehren sich dem Brennstoffzellen-Antrieb komplett, andere wie BMW sehen es gar langfristig als Säule im Antriebsportfolio. Kommt wohl immer auf die Umsetzung und die Gedanken dahinter an.
Wasserstoff ist nur grün, wenn auch grüner Strom bei der Produktion verwendet wird
Das Fraunhofer Institut gibt seinerseits zu verstehen: “Wasserstoff ist unverzichtbar für das Gelingen der Energiewende und das Erreichen der Klimaziele. Für die Sektorenkopplung ist er der dringend benötigte Baustein. Für die Industrie bietet er die umweltschonende Möglichkeit, mit Strom, Wärme und Mobilität versorgt zu werden.” Dabei wird allerdings auch betont, dass der Energieträger nur umweltfreundlich ist, wenn er mit regenerativen Energien erzeugt wird. Um dieser Anforderung gerecht zu werden bietet das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF eine bedarfsgerechte, dezentrale, modulare Lösung zur Produktion und Verteilung von grünem Wasserstoff an.
Die sogenannten Power-to-X-Technologien gelten als vielversprechend, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu minimieren. Power-to-X steht hierbei für die Gewinnung synthetischer Brenn-, Kraft- und Grundstoffe aus Strom. Dies zeigt sich beispielsweise dadurch, dass Strom aus regenerativen Energien in Wasserstoff umgewandelt wird, um damit beispielsweise Brennstoffzellenfahrzeuge anzutreiben. Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IFF in Magdeburg gehen noch einen Schritt weiter: Mit der Wasserstofffabrik der Zukunft etablieren sie ein Konzept, um grünen Wasserstoff dezentral und modular für Industrie, Gewerbe und Verkehr entlang der Wertschöpfungskette zu produzieren und zu verteilen.
“Mit dem Strom aus Sonne und Wind wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Diesen Vorgang bezeichnet man als Elektrolyse. Der Wasserstoff wird gespeichert und kann mithilfe von Brennstoffzellen in Fahrzeugen wieder in elektrische Energie zum Fahren umgewandelt werden. Hier denken wir vor allem an Fahrzeugflotten mit Kleintransportern und Gabelstaplern, die in Industrie- und Gewerbeparks unterwegs sind.” – Dr. Torsten Birth, Wissenschaftler am Fraunhofer IFF
Birth gibt allerdings auch zu verstehen, dass man darüber hinaus weiterdenkt. So wolle man die Industrie mit Strom, Gas und Wärme versorgen. “Der bei der Elektrolyse entstehende Wasserstoff lässt sich ins Gasnetz einspeisen, als Treibstoff nutzen, in Methan oder Methanol umwandeln und der Industrie als Rohstoff zur Verfügung stellen”, so der Wissenschaftler weiter.
Wasserstofffabriken im Zusammenspiel mit anderen Anlagen
Um das angedachte Konzept der Wasserstofffabrik umsetzen zu können, entwickeln die Forscherinnen und Forscher modular erweiterbare Teilkomponenten, die – miteinander vernetzt – in Gewerbe- und Industrieparks realisiert werden. Hierbei wird ersichtlich, dass je nach Gegebenheiten vor Ort entscheiden wird, ob für die Erzeugung des Wasserstoffs elektro- oder biochemische Verfahren genutzt werden. Denn es sei nicht überall möglich, Wind- und Photovoltaik-Anlagen zu bauen. Daher setze man auf standortabhängige Lösungen und nutze gegebenenfalls Biogasanlagen für die Produktion. Das Endergebnis ist aber immer grüner Wasserstoff.
Entsprechende Erfahrungen in der Praxis werden bereits gesammelt. So arbeitet man im Rahmen des Projekts HyPerFerMent I an der regenerativen Wasserstoffproduktion aus Biomasse. Durch ein spezielles Gärungsverfahren, ähnlich dem der Biogasproduktion, und unter Einsatz bestimmter Mikroorganismen könnte direkt aus organischen Reststoffen Wasserstoff erzeugt werden. Als Stoffwechselprodukt bestimmter Bakterien entsteht ein Gasgemisch aus H2 und CO2 mit 50 bis 60 Prozent Wasserstoffgehalt, das durch nachfolgende CO2-Abtrennung problemlos aufgereinigt werden kann.
Mobile Wasserstofftankstelle für Industrie- und Gewerbeparks
Nicht nur die Erzeugung des grünen Wasserstoffs steht im Mittelpunkt der Forschung, auch die Verteilung im Nachhinein wird betrachtet. Hierzu hat man mit dem Kleinverteilsystem Mobile Modular H2 Port (MMH2P) eine mobile, modulare Wasserstofftankstelle für Kurzstrecken unter 200 Kilometer realisiert. Auf einem Kleinanhänger befinden sich erweiterbare Druckspeichersysteme mit Kompressoren, die betankt werden können und zudem in der Lage sind, Wasserstoff abzugeben. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF fördert das Vorhaben.
Wichtig ist den Forschern eine systemisch integrierte Wasserstoffproduktion. Das heißt, sie nutzen nicht nur den bei der Elektrolyse erzeugten Wasserstoff, sondern auch den Sauerstoff – etwa für Schweißprozesse oder zur Ozonierung für Kläranlagen. Mit der Zufuhr von Ozon lassen sich problematische Mikroverunreinigungen wie Pharmaka, Pflanzenschutzmittel oder Kosmetika aus Abwässern entfernen. Ein weiteres Anwendungsszenario: In der Landwirtschaft kann der Sauerstoff für die Entschwefelung der Biogasanlage verwendet werden.
„Mehrere, komplementäre Lösungen sind wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll“
Je nach Einsatzzweck und Art des Fahrzeugs seien „mehrere, komplementäre Lösungen wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. Für PKWs und größere Vehikel mit geringer Reichweite sind Batterien besser geeignet; für Züge, Fernbusse und LKWs haben Brennstoffzellensysteme Vorteile; für Langstreckenflugzeuge sind definitiv Gasturbinen mit nachhaltigen Flüssigtreibstoffen die Wahl“, sagt Batterieexperte Prof. Dr. Olivier Guillon, Direktor des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich. Am wichtigsten sei, „dass der Anteil an fossilen Energieträgern und die daraus resultierende Treibhausgasemissionen drastisch abnehmen.“
Quelle: Fraunhofer Institut – Wasserstofffabrik der Zukunft