In Sachen E-Auto herrscht nicht bloß Euphorie. Viele sehen durch den Wandel auch ihre Jobs gefährdet. Insbesondere im traditionellen Autoland Baden-Württemberg machen sich die Gewerkschaften Sorgen. „Hier drohen ein paar kleine Detroits“, sagt IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger. Gerade im Bereich der Zulieferer sei bereits ein Kahlschlag sichtbar. Radikalkuren wie bei Mahle (Kolben) oder Mann & Hummel (Filter) machten ihm Sorgen, weil gleich ganze Standorte geschlossen würden. „Da ist das Risiko schon relativ groß, dass ein paar Regionen abgehängt werden.“
Dass Unternehmen auf den Strukturwandel nicht früher reagiert hätten, liege auch am Erfolg der vergangenen zehn Jahre. Nach der Krise 2009/2010 habe der Weltmarkt gigantische Wachstumszahlen verzeichnet, von denen auch die Firmen in Baden-Württemberg extrem profitiert hätten. Es gehe aber nicht bloß um Strategien in der Industrie, sonden auch um gesellschaftliche Fragen. Es gebe weder ausreichend Lade-Infrastruktur noch genügend regenerativ erzeugten Strom. „Nur wenn es gelingt, den kompletten Sektor Energie nachhaltig zu machen, hat man letztendlich den gewünschten Effekt.“
An ein schnelles Ende des Verbrennungsmotors glaubt Zitzelsberger nicht. Auch weil E-Mobilität in weniger entwickelten Ländern deutlich später zum Tragen komme. Dennoch müssten durch die CO2-Ziele 30 Jahre Reduktion in zehn Jahren nachgeholt, plus in weiteren zehn Jahren die verschärften Ziele erreicht werden. „Dadurch ist so richtig Druck auf den Kessel gekommen.“
Für viele Hersteller sei der Begriff „Technologieoffenheit“ lange Zeit eine Ausrede fürs Nichtstun gewesen, glaubt Zitzelsberger. Nun aber müsse tatsächlich differenziert werden. Bei kleineren Autos für kürzere Wege gehe der Trend eher zur Batterie, aber auch Plug-In-Hybride würden in den nächsten zehn Jahren noch eine starke Rolle spielen. Allerdings hält er da eine Kontrolle des elektrisch gefahrenen Anteils für sinnvoll, damit niemand zu Unrecht Steuer-Privilegien erhält. Bei größeren Fahrzeugen wie Busse und Lkw, sieht der Gewerkschafter Vorteile für die Brennstoffzelle, bei Flugzeugen und Schiffen eher für regenerativ hergestellte synthetic fuels.
Einem Verbot von SUV will sich Zitzelsberger nicht anschließen. Schon weil in Baden-Württemberg eben nicht Renault oder Fiat ihren Sitz hätten, sondern Daimler und Porsche mit Premiumfahrzeugen im oberen Segment. „Wir gucken gerne mit der nationalen Brille. Aber die meisten SUV werden im Ausland verkauft.“
Alles dürfe man im Ãœbrigen auch nicht der E-Mobilität anlasten. So gehe etwa Beschäftigung durch Produktivitätssteigerung stärker zurück als durch den Wandel zu mehr Batterie-Elektrik, sagt der IG-Metaller. „Derzeit verlieren wir einen größeren Anteil an Beschäftigung durch Verlagerung nach Osteuropa. Und zwar sowohl durch das Abwandern von bestehender Technologie als auch dadurch, dass neue Technologien gar nicht erst hier angesiedelt werden.“
Quelle: KontextWochenzeitung – „Der Kahlschlag ist sichtbar“