Die Mobilfunkindustrie hat es vor vielen Jahren vorgemacht und längst sind auch die Autohersteller auf den Geschmack gekommen. Die sogenannten Over-the-Air-Updates sind in aller Munde, halten sie das Auto doch nicht nur technisch auf dem neuesten Stand, sondern sind auch eine völlig neue Art der Einnahmequelle.
Mit einem betagten Smartphone will im turbulenten Alltag kaum einer unterwegs sein und endlich gibt es nach dem neuesten Update jene Funktionen, die man sich schon immer gewünscht hatte. Dafür meldet sich das Gerät beim nächsten Einschalten – eine kurze Bestätigung – und schon kann der Download beginnen. Klappt unterwegs und überall, einfacher geht es kaum. Der Datenturbo 5G macht es möglich. Was bei Handy, Tablet oder heimischem Fernseher seit Langem an der Tagesordnung ist, setzt sich auch bei immer mehr Autoherstellern durch.
Tesla machte Over-the-Air-Updates salonfähig
Tesla war nicht der Erste, aber wohl derjenige, der seine Updates kundenwirksam in Szene setzte. Ganz nebenher ist die neueste Software im Fahrzeug das eine, doch wer bei der Suche nach einem Traumgebrauchtwagen das ein oder andere Ausstattungsmerkmal vermisst, freut sich mittlerweile darüber, dass immer mehr Hersteller einzelne Zusatzausstattungen nachträglich auf Wunsch – on demand – freischalten können.
Dabei ist es nicht so, dass jeder Neuwagen obligatorisch auch „Over the Air“ updatefähig ist. Bestes Beispiel ist der neue Ferrari Purosangue, mit einem Mindestkaufpreis von mehr als 380.000 Euro einer der aktuell teuersten Serien-SUV auf dem europäischen Markt, verzichtet nicht nur auf ein Onboard-Navigationssystem, sondern auch auf Updates von unterwegs. Für eine neue Software muss der Purosangue jedes Mal in die lokale Ferrari-Werkstatt. Doch die edlen Norditaliener sind längst keine Ausnahme, denn überraschend viele Autohersteller patzen unverändert bei den zeitgemäßen Updates, die längst selbstverständlich sein sollten. Der Grund liegt zumeist in einer betagten IT-Struktur. Wurde das Bordnetz oder zumindest ein Teil davon beispielsweise von einem älteren Modell übernommen, kann es unter anderem düster aussehen mit den aufgefrischten Funktionen.
34 Prozent aller Neufahrzeuge für OTA-Update geeignet
Nach Angaben der Analysten von Jato Dynamics waren auf dem deutschen Markt Ende des vergangenen Jahres gerade einmal 34 Prozent aller Neufahrzeuge für einen kabellosen Datentransfer ausgelegt. Zwei Drittel aller Neufahrzeuge müssen demnach für eine neue Software und das Aufspielen frischer Fahrzeugfunktionen in die Werkstatt. Dabei ist immerhin die Hälfte aller neuen SUV für Over the Air Updates vorbereitet. Ähnlich groß ist der Anteil sonst nur bei Modellen ab der Mittelklasse.
In den Fahrzeugsegmenten darunter sieht es deutlich schlechter aus. Nicht überraschend, dass sich die einzelnen Autohersteller mitunter sehr deutlich bei der Technik des Bordnetzes unterscheiden. Vorreiter in Sachen Fahrzeugvernetzung ist seit Mitte der 2000er-Jahre BMW. Die Münchner brachten den Datentransfer per Mobilfunkverbindung deutlich früher als alle anderen ins Auto. Mittlerweile gibt es OTA-Updates für 55 verschiedene Modellversionen. Dabei befinden sich das Mittelklassemodelle Dreier (acht Modelle) und der kleinere Zweier (vier Modelle) unter den besten zehn.
Hauptkonkurrent Mercedes hatte Ende letzten Jahres 35 Modellversionen mit kabellosen Updates im Portfolio; darunter die A- und B-Klasse mit jeweils fünf Varianten. Auch internationale Marken wie Renault (24 Modelle) und Jaguar (21 Modelle) sind besonders modern unterwegs. Vom Jaguar F-Pace beispielsweise gibt es aktuell neun Modellvarianten mit Over the Air Updates – der absolute Spitzenreiter. Ford bietet zwar acht Modellversionen des Kompaktklassefahrzeugs Focus mit OTA an, hat es aber bei den Herstellern nicht einmal unter die ersten zehn geschafft.
Over-the-Air-Update gewinnen mit E-Antrieb an Bedeutung
Wenig überraschend ist, dass die Updates gerade mit einer Umstellung auf die Elektroantriebe nennenswert an Bedeutung gewonnen haben. Doch auch von den vergleichsweise neu entwickelten Elektroautos lassen sich aktuell nur 55 Prozent per Datentransfer unterwegs erreichen. Ganz anders bei den asiatischen Hybridmodellen, die zumeist auf reinen Verbrennermodellen beruhten. Vier von fünf Modellen mit Hybridantrieb müssen zum Update in die Werkstatt. Selbst bei den reinen Verbrennermodellen ist der OTA-Anteil mit mehr als 30 Prozent größer. Besser sieht es für Plug-in-Hybriden aus oder entsprechende Fahrzeuge mit Mild-Hybridantrieb, denn hier liegt der Over the Air Update-Anteil bei immerhin 50 Prozent. Für gut 1,5 Prozent der Mild-Hybridautos wird die Technologie optional angeboten, für alle anderen Fahrzeuge gibt es sie serienmäßig – oder gar nicht.
Derweil bemühen sich die Autohersteller, jene neuen Updates beim Kunden begehrlich werden zu lassen, denn hiermit lässt sich Geld verdienen – nicht nur mit nachträglich freigeschalteten Sonderausstattungen wie Sitzheizung, Abstandstempomat oder anderen Fahrerassistenzsystemen. Volkswagen rollt den Softwaredienst seit drei knapp Jahren unter anderem mit seinen neuen ID-Modellen oder dem Golf 8 aus. Die nachträglich aktivierte Sprachbedienung kostet zum Beispiel 269 Euro, denn im Gegensatz zu anderen Herstellern favorisiert der niedersächsische Autobauer Einmalzahlungen anstelle von Abo-Modellen.
Bei BMW kann man über den Connected Drive-Store verschiedene Extras freischalten lassen. Wie bei den anderen meistens über einen begrenzten Zeitraum oder permanent. Die sinnvolle Sitzheizung kostet 17 Euro pro Monat, bei einem Jahr sind es 170 Euro und bei drei Jahren 270 Euro. Bucht man unbegrenzt, zahlt man 385 Euro. Um die neusten Karten für das Navigationssystem zu bekommen, muss man jedes Jahr 89 Euro nach München überweisen. Die Lenkradheizung kostet mindestens zehn Euro im Monat, wenn das Auto einparken soll, sind 18 Euro fällig und wer beim Fahren mit akustischen Effekten unterhalten werden will, legt 150 Euro hin. Interessant ist, dass BMW für Apple Carplay Vorbereitung 300 Euro verlangt.
Premium-Hersteller mit Premium-Preisen für OTA-Updates
Vor allem die deutschen Premium-Hersteller haben das nachträgliche Freischalten für sich entdeckt. Wer sich einen mindestens 93.000 Euro teuren Porsche Taycan kauft, sollte auch die rund 1500 Euro für das LED-Matrix-Licht in der Tasche haben. Wer es nachordern will, zahlt im Connect Store für das Monatsabo 36 Euro. Porsche lässt sich seinen Routenoptimierer „Intelligent Range Manager“ mit elf Euro pro Monat oder einmalig 419 Euro bezahlen. Selbst eine der Stärken der Modelle aus Zuffenhausen, die adaptive Servolenkung Plus, die sich der Geschwindigkeit anpasst, kostet im Taycan Connect Store einmalig 329 Euro.
Fast identisch sieht es bei Audi aus. Jedoch setzen die Ingolstädter in ihrem Dienst „Functions on Demand“ Angebote auf noch mehr Individualität und Flexibilität. Die Auswahl variiert je nach Modell und auch die Laufzeiten sind anders als bei den Zuffenhausenern. Neben einem Testmonat für einen Euro kann man beim Audi Q4 e-tron das Virtual Cockpit für sechs Monate (ab 17 Euro), ein Jahr (32 Euro), drei Jahre (ab 86 Euro) oder unbegrenzt. Übrigens ist die nachträglich gebuchte Ausstattung fahrzeugbezogen und wird bei einem Verkauf einfach vom Zweitbesitzer übernommen.
Wesentlich volksnäher geht Opel aktuell das Nachzahlgeschäft an. Bei Autos wie dem Corsa e ist die e-Connect App, mit der man diverse Funktionen drahtlos abrufen beziehungsweise steuern kann, serienmäßig. Dazu gehört der Status der Batterie oder die App meldet sich, sobald die nächste Wartung ansteht. Sobald man ein Navigationssystem für mindestens 600 Euro ordert, bittet der Rüsselsheimer Autobauer seine Kunden bei den Live-Daten wie zum Beispiel Verkehrsdichte nach 36 Monaten zur Kasse. Ähnlich läuft es bei Citroën und Peugeot ab. In den nächsten Jahren wollen jedoch auch die einzelnen Stellantis-Marken bei neuen Modellen die nachträglich buchbaren Bezahldienste installieren.