Florian Huettl, CEO von Opel, sprach in einem ausführlichen Interview mit dem Magazin Electrified über die Ambition des Autobauers, ab dem Jahr 2028 ausschließlich batterie-elektrische Fahrzeuge anbieten zu wollen. Außerdem sei für einen erfolgreichen Hochlauf der E-Mobilität Planbarkeit und Stabilität seitens der Politik besonders wichtig. Wir haben das Gespräch zusammengefasst.
In dem Interview mit Electrified macht Opel-Chef Huettl deutlich, dass er einen Widerspruch sieht zwischen dem ehrgeizigen Ziel der Bundesregierung, bis 2030 15 Millionen Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, und der derzeitigen Förderpolitik. Während Opel bereits ab 2025 ausschließlich neue elektrische Modelle in Europa einführen will, kritisiert der CEO, dass die Fördermaßnahmen nicht den Erwartungen des Unternehmens entsprochen haben. Insbesondere das Aus der Förderung für Plug-in-Hybride Ende des vergangenen Jahres und das Auslaufen der Kaufprämie für Elektroautos bei gewerblichen Kunden im August führten zu einem Rückgang der Nachfrage, was Huettl als schmerzlich empfand.
Er beschreibt die Branche als gegenwärtig auf einem Plateau, wobei der Wandel zur Elektromobilität in den letzten zwölf bis 18 Monaten rasant vorangeschritten sei. Besonders betroffen sei Opel durch das Ende der Förderung für Plug-in-Hybride und das Auslaufen der Bafa-Prämie für gewerbliche Elektrofahrzeuge. „In diesem Jahr bewegt sich der Anteil von E-Autos am Absatz in Europa ungefähr bei 14 Prozent; im ersten Halbjahr 2022 lagen wir bei unter zehn Prozent. Diese erste Etappe des Hochlaufs hing stark mit den staatlichen Prämien zusammen“, heißt es im Interview.
„Deutschland und Europa drohen, den Anschluss zu verlieren“
Das Interview thematisiert auch Huettls Teilnahme am Autogipfel im Kanzleramt. Dabei betont er die Notwendigkeit von Planbarkeit und Stabilität seitens der Politik. Kunden müssten sich auf verlässliche Rahmenbedingungen verlassen können. Es sei perspektivisch notwendig, Elektroautos kostengünstiger zu produzieren, damit auch die Fördermaßnahmen zurückgefahren werden können. Staatliche Maßnahmen zur Förderung einer wettbewerbsfähigen heimischen Industrie seien sehr wichtig. Gleichwohl fordert der Manager ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Elektromobilität und eine zuverlässige Förderpolitik für industrielle Anlagen. „Die Hersteller investieren bereits massiv in die Elektromobilität, daher warne ich vor weiteren Belastungen unserer Industrie. Wir stehen mit unseren Standorten in einem internationalen Wettbewerb – Deutschland und Europa drohen dabei, den Anschluss zu verlieren. Hier gilt es, den Industriestandort Deutschland und ganz Europa zu stärken“, mahnt Huettl.
Der Wandel zur Elektromobilität sei auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur müsse beschleunigt werden, um das ehrgeizige Ziel der Bundesregierung von einer Million öffentlich zugänglichen Ladepunkten bis 2030 zu erreichen. Hierfür würden zehnmal mehr Ladepunkte benötigt. Der Fokus liege auch auf dem Bedarf in ländlichen Gemeinden und für Personen ohne private Lademöglichkeiten in Städten.
Huettl betont auch die Bedeutung einer vereinfachten Installation von Ladestationen, insbesondere in Mehrfamilienhäusern, und fordert mehr Engagement von Bund, Ländern und Kommunen. „Und ganz wichtig: Strom an Ladepunkten muss bezahlbar sein“, erklärt er weiter. Die Zahl der derzeit vorhandenen 100.000 öffentlichen Ladepunkte sei nicht ausreichend, um ein sorgenfreies Laden zu ermöglichen. Es gehe auch um einen guten Ausbau in öffentlichen Parkhäusern und mehr Schnellladestationen: „Wenn Sie eine 100 kW-Säule in Ihrer Nähe haben, wird das Laden zum Tanken. An einer solchen Station können sie in rund zehn Minuten 100 Kilometer nachladen – das ändert alles.“
In Bezug auf mögliche Unsicherheiten aufgrund von Inflation, hohen Zinsen und Haushaltskrisen äußert er sich optimistisch. Er betont die Bedeutung von Verlässlichkeit und Stabilität in der Politik, um das Vertrauen der Verbraucher in die Elektromobilität zu stärken. Für Opel sei die Markteinführung des neuen Astra Sports Tourer mit zwei Plug-in-Hybrid-Optionen relevant für die Übergangsphase. „Mit einem Plug-in-Hybriden können sie heute zu vertretbaren Kosten einen niedrigen Verbrauchswert erreichen“, so Huettl. Dennoch ist er sich sicher, dass der Plug-in-Hybrid langfristig komplett vom reinen Elektroantrieb abgelöst wird.
Kunden tendieren dazu, zu leasen anstatt zu kaufen
Die Strategie von Opel konzentriere sich stark auf batterieelektrische Fahrzeuge, ab 2028 sollen alle neu entwickelten Fahrzeuge nur noch als batterieelektrische Modelle auf den Markt kommen. Opel orientiere sich an der aktuellen Gesetzgebung und sehe die Elektromobilität als technologisch sinnvollen Weg zur Null-Emissions-Mobilität an. „Wir haben uns schon seit einigen Jahren der Elektromobilität verschrieben. Deshalb gehen wir auch schneller voran als es der europäische Rechtsrahmen vorsieht“, erklärt der Chef des Autobauers weiter.
E-Fuels betrachtet Huettl als theoretisch CO2-neutral, wenn man vom Transport absehe. Diese seien gut für die CO2-Reduktion der bestehenden Flotte. Dennoch glaubt er, dass sie für neue Fahrzeuge nach dem Verbrennerverbot im Jahr 2035 keine relevante Rolle spielen werden. Der Fokus liege somit weiterhin auf batterieelektrischen Fahrzeugen als zukünftige Antriebsform.
Im Interview steht auch die Thematik der bezahlbaren Elektromobilität im Raum. Huettl betont dabei die bereits existierenden attraktiven Konditionen für Opels Elektroautos. Insbesondere wird der Corsa Electric angeführt, der ab einem Preis von etwas über 34.000 Euro angeboten wird. Durch staatliche Förderungen reduziere sich dieser Preis weiter, im Leasing sei der Corsa bereits ab 169 Euro monatlich verfügbar. Ein interessanter Aspekt sei, dass über 80 Prozent der Finanzierungen auf restwertbasierten Modellen basieren. Kunden scheinen also eher dazu zu tendieren, Elektroautos zu leasen, anstatt sie direkt zu erwerben: „Die Leute erwerben die Mobilität lieber für einen gewissen Zeitraum als das Fahrzeug zu kaufen“, so der CEO.
Huettl hebt die Vorteile der Multi-Energy-Plattform hervor, die es Opel ermögliche, Verbrenner und Elektroautos auf derselben Fertigungslinie zu produzieren. Dies führe zu Kosteneffizienz, obwohl er gleichzeitig einräumt, dass diese Plattform auch ihre Herausforderungen in der Kostenstruktur mit sich bringe, an denen das Unternehmen aktiv arbeite. Dann wäre es in der nächsten Fahrzeuggeneration auch möglich, ein erschwingliches Elektroauto unter 25.000 Euro (ohne Förderung) anzubieten. Wann genau das sein könnte, dazu äußert sich Huettl nicht. Electrified spekuliert auf einen möglichen Zeitpunkt frühestens 2025, was von Huettl nicht direkt bestätigt, aber auch nicht dementiert wird.
Opel halte im Stellantis-Konzern die Positionierung als Marke für den „Upper Mainstream“. Die Priorität liege auf der Elektrifizierung von Modellen im B-Segment, was den Fokus auf eine breitere Zielgruppe lege. Die Frage nach einem Elektroauto unter 20.000 Euro wird von Huettl relativiert. Er betont, dass ein Modell unter 25.000 Euro bereits eine attraktive Option sei, um große Kundengruppen zu erreichen. Ein konkreteres Angebot unter 20.000 Euro scheine aber momentan nicht im Fokus zu stehen, dabei verweist er auf den Rocks-e (7990 Euro), der für unter 50 Euro im Monat finanziert werden und bereits ab 16 Jahren gefahren werden kann.
„Wandel zur E-Mobilität eine gemeinschaftliche Aufgabe“
Stellantis nehme beim Thema bezahlbarer Elektromobilität eine Vorreiterrolle ein. Als Beispiel wird der Citroën ë-C3 für 23.300 Euro genannt. Letztlich geht es laut Huettl allerdings um die Gesamtkosten pro Kilometer. Der Opel-Boss weist darauf hin, dass Elektroautos aufgrund niedrigerer Unterhaltskosten und steuerlicher Vorteile trotz höherer Anschaffungskosten langfristig wirtschaftlicher sein können. Die Möglichkeit eines ähnlichen Leasingangebots wie beim ë-C3 (99 Euro pro Monat) schließt Huettl in Zukunft auch bei Opel nicht aus.
„Was ich mir wünsche ist, dass der Wandel zur E-Mobilität eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und nicht allein eine Aufgabe für die Hersteller“, führt er fort. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron habe kürzlich ein Leasingprogramm in Höhe von 100 Euro eingeführt, um Elektromobilität für eine breitere Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen. Dies diene nicht nur der Förderung nachhaltiger Mobilität, sondern auch der Stärkung der heimischen Autoindustrie angesichts der wachsenden Konkurrenz aus China.
In Bezug auf die Absatzsituation zeigt sich Huettl optimistisch. Bis Oktober habe Opel/Vauxhall in Europa fast 302.000 Neuzulassungen und 392.000 Einheiten in der EU, EFTA und Großbritannien verzeichnen können. Man sei sehr gut unterwegs, mit einem weltweiten Wachstum von 15 Prozent bis Oktober. Besonders erfreulich sei das Absatzplus von 30 Prozent im reinen batterieelektrischen Segment. „Das führt dazu, dass Opel heute einer der ganz wenigen Hersteller ist, die es schaffen, einen höheren Marktanteil im batterie-elektrischen Segment zu realisieren als insgesamt“, erzählt er im Interview. Opel verzeichne außerhalb Europas im bisherigen Jahresverlauf ein Wachstum von 60 Prozent, insgesamt mache das 15 Prozent der Opel-Verkäufe außerhalb Europas aus.
Die Türkei sei hier der wichtigste Markt, insgesamt sogar der drittstärkste Verkaufsmarkt nach Deutschland und England. Opel sei auch nach sechsjähriger Abwesenheit erfolgreich nach Algerien zurückgekehrt, wo bereits 28 Händler die Marke vertreten und Modelle wie Astra, Mokka sowie Grandland bestellt werden können.
Angesichts der wachsenden Konkurrenz durch chinesische Hersteller in Europa zeigt sich Huettl gelassen. Die europäische Autoindustrie verfüge über eine hohe Innovationskraft, Ingenieursqualität und starke Marken mit einer festen Präsenz. Es sei nicht das erste Mal, dass die Autoindustrie durch neue Konkurrenz herausgefordert werde. Opel sei jedoch bereit, den Wettbewerb anzunehmen.
Quellen: Electrified – „Der Weg nach vorne ist der in die Elektromobilität“ / Opel – Pressemitteilung vom 27.11.2023