Selten sorgte eine dezente Modellpflege wie jene vom Tesla Model 3 kurz vor der Internationalen Automobil Ausstellung in München für derart viel Gesprächsstoff. Doch bei Tesla gibt es nicht nur strahlende Gesichter, denn gerade der chinesische Markt läuft alles andere als zufriedenstellend. Konkurrent BYD gibt mittlerweile den Ton an.
Neue Scheinwerfer an Front und Heck, wertigere Materialien im Innenraum und die überfälligen klimatisierten Sitze – das war es im Großen und Ganzen mit der Überarbeitung des Tesla Model 3. Bald wird mit ähnlichen Zugaben das Model Y als weltweit beliebtestes Elektroauto ausstaffiert. Doch das dürfte kaum reichen, den Hauptmarkt China wieder unter Kontrolle zu bekommen. Hier sieht der Elektropionier Tesla vom Hauptwettbewerber Build Your Dreams derzeit nur die Rücklichter. Im vergangenen Jahr verkaufte BYD 1,86 Millionen elektrifizierte Fahrzeuge und erzielte damit ein Plus von mehr als 200 Prozent. Und in diesem Jahr läuft es noch besser.
BYD verkauft im Schnitt 200.000 E-Fahrzeuge im Monat
Nach Angaben der Analysten von Finbold hat BYD in den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 insgesamt 1.191.405 Elektrofahrzeuge verkauft, was einem Monatsdurchschnitt von knapp 200.000 Autos entspricht. Der direkte Wettbewerber landete im gleichen Zeitraum nur bei 888.879 Elektroverkäufen, was einem Rückstand von mehr als 302.000 Fahrzeugen entspricht. Tesla verkaufte monatlich jeweils gut 25 Prozent weniger Autos als der Elektrogigant aus China. Zu beachten ist jedoch, dass Tesla allein reine Elektroautos anbietet und BYD auch einige Modelle mit Plug-in-Antrieb im Programm hat, die in die Verkäufe einzahlen.
Der Abstand zu den weiteren Plätzen ist enorm. BMW verkaufte auf Platz drei liegend in den ersten sechs Monaten 2023 knapp 221.000 elektrisierte Fahrzeuge. Auf den weiteren Plätzen dahinter: GAC Aion (212.000 Autos), Volkswagen (gut 210.000 Fahrzeuge), SGMQ (192.000 Fahrzeuge), Mercedes (165.000 Fahrzeuge) und Li Auto (140.000 Fahrzeuge). Durchaus überraschend, dass sich unter den acht Herstellern mit den meisten Elektrofahrzeugen auf dem chinesischen Markt allein Marken aus China, Deutschland und den USA befinden – Korea, Frankreich oder Japan spielen keinerlei Rolle und jede zweite Elektromarke ist ein chinesischer Heimspieler.
BYD wird Tesla auch außerhalb Chinas unter Druck setzen
Die Analysten von Finbold erwarten, dass Build Yours Dreams zukünftig auf immer mehr Märkten den amerikanischen Elektroprimus Tesla angreifen wird. Denn BYD baut seine weltweite Präsenz immer weiter aus und hat hierbei nicht zuletzt Europa ins Visier genommen. „Ich will in Europa unter die Top fünf kommen“, unterstreicht Brian Yang, BYDs Vize-Europachef, „das Fenster, um erfolgreich zu sein, ist noch zwei Jahre offen.“ Bis Anfang kommenden Jahres bringt BYD sechs neue Elektromodelle nach Europa: unter anderem den Han, eine Limousine im E-Segment und den Crossover Bruder Tang, von dem auf der IAA in München eine überarbeitete Version stand. „Wir wollen in jedem Segment vertreten sein“, erklärt Brian Yang. Die preissensiblen Kunden soll der Elektro-Crossover Atto 3 ansprechen und dann sind da noch Seagull und Dolphin – alle bereits erfolgreich in China unterwegs. Letzterer wird in China für einen Preis von umgerechnet unter 11.000 Euro angeboten.
Im vergangenen Jahr betrug der Reingewinn 2,4 Milliarden US-Dollar, während 2,9 Milliarden US-Dollar in die Forschung geflossen sind. „Neben durchaus konkurrenzfähigen Produkten verfügt der Hersteller BYD offensichtlich über eine effiziente Kostenstruktur und eine starke vertikale Integration – sprich eigene Zellfertigung. BYD ist für die kommenden Jahre auch in Europa gerüstet. Die geplante Fabrik in Europa wird als nächster Schritt für die Expansion gehandelt“, erklärt Peter Fintl, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Capgemini.
Im Kern der Europa-Planungen steht Deutschland. Nach Ansicht von BYD braucht man mindestens 100 Händler, um in Deutschland erfolgreich zu sein – aktuell sind es nur 13. Dabei sind die Asiaten überrascht, wie langsam die Mühlen der Bürokratie hierzulande mahlen. Renoviert man in China ein bestehendes Autohaus, dauert es drei Monate und der Verkaufsstandort ist einsatzbereit. Bei Neubauten sind es sechs Monate. In Deutschland braucht die Renovierung neun bis zwölf Monate und der Neubau laut BYD zwei Jahre.