ENBW holt nun erstmalig die Diskussionen um die Netzstabilität beim vermehrten Einsatz von E-Autos aus der Theorie in die Praxis. Hierfür hat sich der Konzern ein einmaliges Testfeld für E-Mobilität geschaffen. In der Belchenstraße in Ostfildern südlich von Stuttgart, stehen von Mai an, neben den bisherigen Verbrenner, auch E-Autos. Vertreten sind hierbei vom BMW i3 bis zum Tesla verschiedenste Modelle, die nun nicht nur die Parkplätze konkurrieren, sondern auch um den Strom in der Belchenstraße.
Insgesamt zehn Familien tragen beim Pilotprojekt der ENBW mit dazu bei herauszufinden was passiert, wenn alle nach Feierabend ihr Auto ans Netz hängen und den Akku aufladen? Dabei steht vor allem die bisher eher theoretische Überlegung im Raum, dass die Belastung des Stromnetzes durch viele gleichzeitige Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen die Netzstabilität vor neue Herausforderungen stellt. So sei das Netz nur dann stabil, wenn dieselbe Menge an Strom eingespeist wie entnommen wird. Für ENBW mit ein Grund sich Gedanken zu machen, wie man künftig auf möglicherweise veränderte Nachfrage reagieren kann, um dadurch entsprechende Bedarfsspitzen zu prognostizieren und gezielt auszugleichen.
Hierfür wird die Belchenstraßen für die nächsten sechs Monate zum Testgebiet. Zehn E-Autos werden dort zehn Familien zur Verfügung gestellt, um die Mobilität von Morgen unter realistischen Bedingungen zu testen. Für den Energie-Konzern eine Möglichkeit, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Fragestellungen zum Verhalten verschiedener E-Autofahrer als auch konkrete Auswirkungen auf das Stromnetz sollen so untersucht werden. Man wird sehen was passiert, wenn alle Bewohner der Straße, die über denselben Stromkreis versorgt werden, zum selben Zeitpunkt ihr E-Auto aufladen? Kann durch den Einsatz von Batteriespeichern die Netzstabilität verbessert werden? Lässt sich das Ladeverhalten kunden- und zugleich netzfreundlich steuern?
Ausgewählt wurde die Belchenstraße in Ostfildern südlich von Stuttgart, bewusst. Handelt es sich hierbei doch um ein typisches Wohngebiet mit Eigenheimen im Ballungsraum. Dort wohnen Vielfahrer und Gelegenheitsfahrer, Familien mit kleinen Kindern und Rentner. Neben den E-Fahrzeugen werden den Testteilnehmern auch eine sogenannte Wallbox zur Verfügung gestellt. Mit ihr lassen sich die Fahrzeuge sehr schnell aufladen – mit einer möglichen Ladeleistung von bis zu 22 Kilowatt. Für ENBW bieten diese zudem die Möglichkeit das Ladeverhalten entsprechend zu bewerten.
Das dortige Verteilnetz ist derzeit auf Haushaltsgeräte ausgerichtet, die viel weniger Strom saugen als ein E-Auto. Ein einzelnes Auto sei problemlos, heißt es von ENBW. Als gefährlich gelten jedoch die Bedarfsspitzen. Sie können auftreten, wenn viele Menschen nach Feierabend nach Hause kommen und ihr Elektroauto auftanken. Es gilt also zu erarbeiten, welche Belastung das Stromnetz aushalten kann, beziehungsweise wie es ausgebaut werden muss, um der Mobilität von Morgen gerecht zu werden. So oder so sind wir gespannt, was dieses Pilotprojekt von ENBW an Antworten mit sich bringen wird.
Quelle: FAZ – Gefährden Elektroautos das Stromnetz?