Prof. Dr. Peter Birke vom Institut für Photovoltaik der Universität Stuttgart sprach mit Battery-News über die Grenzen der technologischen Entwicklung von Batterien, über Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe als mögliche Alternativen und die Vorteile des Standorts Deutschland für die Produktion von Batteriezellen.
„Es wird keine Wunderbatterie geben“ sagt Birke über künftige Entwicklungen im Batterie-Bereich. Diese würden unter anderem beeinflusst durch die begrenzte Rohstoffverfügbarkeit sowie die immer wichtigeren Nachhaltigkeits-Kriterien, außerdem müsse man eine optimale Mischung finden zwischen „Energiedichte und der Leistung, der Lebensdauer, der Sicherheit, den Kosten“. Dies werde „die Entwicklung zukünftiger Batterien immer begleiten und beschränken.“ Daher werde als Alternative auch „der Blick auf die Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe, die CO2-neutral hergestellt werden, immer wichtiger.“ Er sehe „ein Nebeneinander dreier Technologien, Batterie, Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe“. Die Brennstoffzelle könne seine Stärken bei bei großen Transportmitteln und ist bei vielen stationären Anwendungen optimal ausspielen, synthetische Kraftstoffe seien als eine nachhaltige Option für Langstreckenflugzeuge und Containerschiffe denkbar.
Als technologisch besonders vielversprechend für die Weiterentwicklung von Batterie-Technologien sieht Birke „zunächst ganz besonders alle Aspekte der Digitalisierung“ sowie „alternative Binder und Lösemittel, quasi-kontinuierliche Pastenmischer, die im Minutentakt beim Anmischen arbeiten und das Dosieren und Verteilen von Elektrolyten“. Interessant sei auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz „bei der Formierung (dem ersten Laden einer Batteriezelle) und der zuverlässigen Erkennung und Bewertung von Zellschäden nach dem mehrwöchigen Lagerungsprozess in der Produktion.“
„Bemerkenswerte Marktanteile auch für europäische und deutsche Zellhersteller“ möglich
Da der Bedarf an Batteriezellen mit der steigenden Zahl an Elektroautos stetig steigt, spricht sich Birke in dem Interview stark für eine Fertigung vor Ort in Europa aus: „Batterien werden da gebaut wo Zellen sind, und die Zelle muss zur Batterie kommen und nicht umgekehrt. Also muss es große Zellfertigungen für Lithium-Ionen Zellen in Europa geben, solange man dort auch Elektroautos fertigt.“ Der Batterieexperte verweist auf „bemerkenswerte Marktanteile auch für europäische und deutsche Zellhersteller“, die bei den richtigen Weichenstellungen jetzt noch möglich wären: „Den Fertigungsstandort Deutschland kann man insofern immer noch mitbestimmen, aber die Zeit läuft ab.“
Auch dafür könne die Digitalisierung als „Enabler“ wirken, „für eine beachtliche wettbewerbsentscheidende Minimierung der Produktionsschwankungen.“ So seien „nochmals erhebliche Kostensenkungen und eine Steigerung der Qualität von Batterien möglich.“ Ein wichtiger Hebel sei auch der Bezug der Rohstoffe: „Etwa 70 Prozent der Kosten einer Lithium-Ionen-Batteriezelle sind Materialkosten“, sagt Birke. „Es müssen also gleichzeitig nachhaltige Lieferketten etabliert und langfristig sichergestellt werden, sowie attraktive Preise für Zellen über geschickten Rohstoffeinkauf bzw. Einkauf der Zellmaterialien gesichert werden“, empfiehlt er.
„Das ist ein großer neuer Leuchtturm am Horizont!“
Deutschland habe dank seiner starken Forschungslandschaft beste Voraussetzungen als Standort für eine Batteriezellfertigung, findet Birke: „Zweifelsohne besteht in Deutschland eine exzellente Grundlagenforschung für innovative Batteriezelltechnologien sowie bei den Zellmaterialien“, bei „Prozesstechnologien für Batteriezellen bzw. einer Produktionsforschung für Batteriezellen“ hingegen herrsche noch Nachholbedarf. Wichtig sei „noch viel mehr angewandte und produktionsnahe Batteriezellforschung und -entwicklung. Da ist noch die Lücke“, welche Birke durch die Mitte 2022 startende Fraunhofer Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) in Münster geschlossen sieht. „Ziel der Forschungsfabrik ist es unter anderem, das Investitionsrisiko für die Zellproduktion zu senken. Das ist ein großer neuer Leuchtturm am Horizont!“
„Dass die Lithium-Ionen-Technologie in den nächsten Jahrzehnten verschwindet, ist extrem unwahrscheinlich“ sagt Birke über einen möglichen Nachfolger der aktuell gängigsten Batterie-Technologie. Bei großen stationären Batterie sei Lithium-Schwefel ein vielversprechender Kandidat, auch „aufgrund des extrem attraktiven Preises für Schwefel“, im Grunde „ein Abfallprodukt der Industrie.“ Ab 2025 rechnet der Forscher mit „ernstzunehmenden Lösungen“ aus dem Bereich der Festkörperbatterie. „Ein vollständiger Ersatz“ der Lithium-Ionen-Technologie sei allerdings „schwer vorstellbar“. Es werde „vielmehr über lange Zeiträume Ko-existenzen geben“. Dass die Lithium-Ionen-Technologie in den nächsten Jahrzehnten verschwindet, hält Birke für „extrem unwahrscheinlich“.
Quelle: Battery-News — Battery-News.de im Gespräch mit Prof. Peter Birke: „Batterien werden da gebaut wo Zellen sind, und die Zelle muss zur Batterie kommen und nicht umgekehrt“