Die Ergebnisse der 13. Dienstwagenumfrage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) unter Spitzenpolitikern dokumentieren ausgerechnet während der Weltklimakonferenz erstmals sogar ansteigende Klimagasemissionen. Kein einziger der 237 untersuchten Politiker-Dienstwagen hält den seit 2015 geltenden EU-CO2-Flottengrenzwert von 130 g CO2/km im Realbetrieb ein. Die Wahl besonders klimaschädlicher Dienstwagen passt nach Ansicht der DUH zur Klimapolitik dieser Bundesregierung und setzt sich auch bei der aktuellen Weiterentwicklung der Dienstwagenbesteuerung und der geplanten Kaufprämie für Pseudo-Elektro-Pkw (gemeint sind Plug-in-Hybride) fort.
Angesichts der seit 1990 praktisch unverändert hohen CO2-Emissionen im Verkehrssektor, fordert die DUH von der Bundesregierung einen radikalen Kurswechsel in der Automobilpolitik hin zu sparsamen Fahrzeugen mit niedrigen CO2-Emissionen bzw. geringem Stromverbrauch bei Elektroautos. Sowohl für die Gewährung von finanziellen Zuschüssen beim Kauf oder Leasing als auch für die steuerliche Förderung von dienstlich genutzten Fahrzeugen fordert die DUH eine Obergrenze. Diese muss sich 2020 für Verbrenner nach dem EU-Zielwert für CO2 von 95 g CO2 und für Elektrofahrzeuge nach dem Stromverbrauch von 18 kWh pro 100 km gemäß WLTP richten. Ministerpräsidenten, Landes- und Bundesminister müssten dabei mit positivem Beispiel vorausfahren und endlich ihr Schaufahren gegen den Klimaschutz beenden.
Insgesamt wurden 245 Spitzenpolitiker auf Bundes- und Landesebene mit 237 Fahrzeugen abgefragt. Davon sind 143 Fahrzeuge mit reinem Dieselantrieb, 74 mit Plug-In-Hybridantrieb und 17 Pkw konventionelle Benziner. Erstmals gibt es 3 Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb. Mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von etwa 225 g/km liegen die Dienstwagen deutlich mehr als 100 Prozent oberhalb des ab dem kommenden Jahr geltenden EU-Flottengrenzwerts von 95 g CO2/km, aber auch 70 Prozent höher als der EU-Zielwert des Jahres 2015 in Höhe von 130 g CO2/km. Kein einziger Dienstwagen hält mit dem realen CO2-Ausstoß die EU-Vorgaben ein.
„Bei unserem Dienstwagencheck 2019 zeigt sich einmal mehr, dass weder Politiker noch Autobauer verstanden haben, wofür die Menschen seit über einem Jahr auf die Straße gehen. Wir benötigen endlich Ministerpräsidenten und Minister, die mit positivem Beispiel vorausfahren und auf hochmotorisierte Spritschlucker-Limousinen verzichten. Was wir brauchen, sind effiziente und gleichzeitig sparsame Fahrzeuge, idealerweise mit reinem Elektroantrieb. Ernstgemeinter Klimaschutz bedeutet die sofortige Umkehr von verkehrspolitischen Irrfahrten: Es muss klare Effizienzvorgaben geben und einen Stopp fehlgeleiteter steuerlicher Vorschriften, die Plug-In-Hybride mit echten Elektrofahrzeugen gleichsetzen.“ — Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH
Negativspitzenreiter unter den Bundesministern ist Verkehrsminister Andreas Scheuer mit einem Dienstwagen, der einen realen CO2-Ausstoß von 258 g/km hat. Das Bundesministerium mit dem höchsten durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß ist das Verteidigungsministerium mit 243 g/km. Den niedrigsten CO2-Ausstoss im Bundeskabinett hat das Fahrzeug von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit 216 g CO2/km.
Unter den Länderchefs landet Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlins, wie im Vorjahr auf dem letzten Platz mit 408 g CO2/km. Der Dienstwagen von Landeschef Andreas Bovenschulte aus Bremen weist im Gesamtvergleich die niedrigsten Emissionen auf, liegt aber immer noch bei 200 g CO2/km im realen Betrieb. Im Bundeslandvergleich steht das schwarz-grün regierte Hessen mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß der Fahrzeuge von 255 g/km auf dem letzten Platz und verdrängt Nordrhein-Westfalen, das Schlusslicht des letzten Jahres. Den geringsten Verbrauch zeigt die Dienstwagenflotte von Bremen mit durchschnittlich 199 g CO2/km.
Mogelpackung Plug-in-Hybride
Im Vergleich zu 2018 stieg der Anteil von Plug-In-Hybriden von 67 auf 74 an. Plug-In-Hybride suggerieren einen besonders niedrigen CO2-Ausstoß, da die Emissionen aus dem elektrischen Antrieb mit 0 g CO2/km gewertet werden. Praxistests zufolge werden diese Fahrzeuge jedoch vorwiegend im extrem ineffizienten Verbrennermodus betrieben. Hierzu hatten sich bereits mehrmals Fahrer und Politiker in Berlin beschwert, deren neue, angeblich klimafreundlichen Plug-In-Dienstwagen im realen Fahrbetrieb einen absurd hohen Spritverbrauch zeigten.
So wird beispielsweise der BMW 530e iPerformance mit 49 g CO2/km angegeben, im realen Verbrauch liegt er bei einem mehr als vierfach erhöhten Ausstoß von 215 g CO2/km. Die für den Käufer wichtige Einzelbewertung der beiden Antriebsformen muss beim Verkauf nicht angegeben werden. Der Käufer bleibt über den immensen CO2-Ausstoß also im Dunkeln.
Die DUH fordert hier dringend eine realistische Bewertung, damit diese Fahrzeuge nicht auf dem Papier eine Absenkung von CO2-Emissionen suggerieren, in der Realität aber zu weiter steigenden Emissionen führen. Die undifferenzierte Förderpolitik der Bundesregierung der letzten Jahre manövriert die deutsche Automobilindustrie dabei immer mehr ins Aus. Bis Ende 2030 will die Bundesregierung selbst schwere SUVs wie den BMW X5 mit über 3 Tonnen Gesamtgewicht und einem spritschluckenden Sechszylinder-Benzinmotor und Alibi-Hybridantrieb wie ein reines Elektroauto behandeln und dementsprechend steuerlich begünstigen.
Die DUH fordert die Politiker angesichts tendenziell steigender CO2-Emissionen ihrer Dienstwagen auf, sich bei deren Wahl ab sofort für saubere und klimafreundliche Fahrzeuge zu entscheiden. Derzeit ist das Gegenteil der Fall: Beispielsweise verschlechterte sich die CO2-Bilanz des Dienstwagens von Bundesumweltministerin Svenja Schulze von 200 g/km in 2018 zu aktuell 242 g/km.
„Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass offizielle Angaben zu CO2-Emissionen und Kraftstoffverbrauch mit der Realität wenig zu tun haben. Bis unsere Forderung nach CO2-Messungen auf der Straße im Rahmen der Typzulassung endlich umgesetzt wird, können sich Politikerinnen und Politiker auf der Basis frei verfügbarer Daten ein Bild über die realen Emissionen ihrer Dienstwagen machen. Auf dieser Grundlage müssen sie sich endlich ein sparsames Fahrzeug zulegen, wenn die zahlreichen Bekenntnisse zum Klimaschutz ernst genommen werden sollen. Damit setzen sie auch ein klares Zeichen an die deutschen Autobauer, anstatt deren Strategie, weiterhin auf übermotorisierte und spritdurstige Modelle zu setzen, aktiv zu unterstützen.“ — Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der DUH
Grundlage der Bewertung der Abfrageergebnisse ist der Normwert auf Basis des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) im Rahmen der Typzulassung. Dieser Wert ist maßgeblich für die Einhaltung des EU-weit bindenden Flottengrenzwertes für Neuzulassungen bei Pkw. Zur Ermittlung der realen CO2-Emissionen wurden die herstellerspezifischen Abweichungen auf Basis von Angaben des International Council on Transportation ICCT berücksichtigt. Bei Fahrzeugen mit teilelektrischem oder vollelektrischem Antrieb wurde der CO2-Gehalt des deutschen Strommixes nach Angaben des Umweltbundesamtes herangezogen. Bei Plug-In-Modellen basiert die Ermittlung des realen CO2-Ausstoßes auf den offiziellen Kraftstoffangaben bei leerer Batterie.
Im Parteienvergleich auf Landesebene weisen die Fahrzeuge der Vertreter von Bündnis90/Die Grünen aktuell die niedrigsten Werte auf. Im Vergleich zu 2018 steigen die Werte bei CDU, CSU, SPD und FDP wieder an. Diese Auswertung basiert auf den NEFZ-Normwerten.
Die Ergebnisse im Einzelnen
2019 sind 143 von 237 Fahrzeugen (60 Prozent) mit einem reinen Dieselantrieb ausgestattet, im Jahr 2018 waren es knapp 61 Prozent. Der Trend geht hin zu mehr Plug-In-Hybriden: Deren Anteil bei den Fahrzeugen der deutschen Spitzenpolitiker beträgt in diesem Jahr mittlerweile 31 Prozent. 17 Politiker nutzen einen konventionellen Benziner als Dienstwagen. Erstmals fahren drei Politiker auf Landesebene ein reines Elektrofahrzeug: Die Umweltminister Thorsten Glauber aus Bayern und Franz Untersteller aus Baden-Württemberg sowie Verkehrsminister Winfried Hermann, ebenfalls Baden-Württemberg.
Mit durchschnittlich 207 g/km realem CO2-Ausstoß sind die Dienstwagen der Umweltminister von Bund und Ländern weit vom EU-Flottengrenzwert entfernt. In 2018 waren es noch 197 g/km realer CO2-Ausstoß. Lediglich die Minister aus Bayern und Baden-Württemberg konnten sich in diesem Ranking verbessern, drei Minister weisen den gleichen Wert wie im Vorjahr auf, die restlichen 12 haben sich deutlich verschlechtert. Am niedrigsten sind die Werte der Umweltminister aus Berlin und Hamburg mit 164 und 165 g CO2/km. Bundesumweltministerin Svenja Schulze belegt den drittletzten Platz mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von 242 g CO2/km. Nur die Fahrzeuge der Umweltminister aus Hessen und Nordrhein-Westfalen (mit jeweils 243 g CO2/km) sind schlechter.
Im Ranking der Bundesminister teilen sich Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Gerd Müller die Spitzenposition mit jeweils 216 g/km realem CO2-Ausstoß. Entwicklungsminister Gerd Müller war im letzten Jahr noch auf dem vorletzten Platz – er konnte sich zwar im Ranking deutlich verbessern, allerdings sind auch die ersten Plätze noch weit von klimafreundlichen Dienstwagen entfernt. Schlusslicht in diesem Jahr ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer mit einem realen CO2-Ausstoß von 258 g CO2/km.
Bestes Bundesministerium ist das Gesundheitsministerium, mit einem durchschnittlichen Wert von 212 g CO2/km, dicht gefolgt vom Finanzministerium mit einen CO2-Ausstoß von 215 g/km. Der Fuhrpark der Minister und Staatssekretäre des Innenministeriums hat seinen Spitzenplatz aus dem Vorjahr eingebüßt und liegt nun auf dem vorletzten Platz mit durchschnittlichen 236 g CO2/km. Am klimaschädlichsten ist das Verteidigungsministerium mit durchschnittlich 243 g CO2/km.
Auch Länderchefs enttäuschen
Bei den Regierungschefs der Länder setzt sich der enttäuschende Trend zu hochmotorisierten Dienstwagen mit durchschnittlich 252 g CO2/km fort. Andreas Bovenschulte (Bremen) fährt einen Plug-In-Hybrid mit einem realen CO2-Ausstoß von 200 g CO2/km und ist damit positiver Spitzenreiter in diesem Ranking. Armin Laschet (NRW) hat sich auf Platz sechs verbessert, nachdem er sich im letzten Jahr den vorletzten Platz mit Volker Bouffier (Hessen) teilte. Der Hessische Regierungschef allerdings zeigt keine Einsicht und belegt auch in diesem Jahr mit einem realen CO2-Ausstoß von 376 g CO2/km den vorletzten Platz. Michael Müller (Berlin) bleibt in diesem Jahr das Schlusslicht und fährt weiterhin seinen Dienstwagen mit einem realen CO2-Ausstoß von 408 g CO2/km. Er belegt damit auch im Gesamtranking der Abfrage den letzten Platz.
Der Blick auf die Dienstwagenflotten der einzelnen Bundesländer ist enttäuschend. Fast alle Bundesländer haben einen höheren durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß als im letzten Jahr. Mit durchschnittlich 226 g/km realem CO2-Ausstoß lassen die Klimaschutzbemühungen der Politiker auf Landesebene deutlich zu wünschen übrig. Lediglich in Nordrhein-Westfalen, die im letzten Jahr am schlechtesten abschnitten, hat sich der CO2-Ausstoß verbessert – das Bundesland liegt in diesem Jahr auf Platz 14. Den ersten Platz belegt die Regierung von Bremen mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von 199 g CO2/km (2018 noch 177 g CO2/km). Die Regierung von Hessen liegt mit dem extrem hohen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 255 g CO2/km auf (2018: 243 g CO2/km) auf dem letzten Platz.
Methodik
Von März bis November 2019 befragte die DUH insgesamt 245 deutsche Bundes- und Landespolitiker zu ihren Dienstwagen. Die besonders geschützten Fahrzeuge der Bundeskanzlerin, der Verteidigungsministerin, des Finanz-, Innen- und Außenministers werden wie in den Vorjahren nicht gewertet. Die Angaben zum realen CO2-Ausstoß basieren auf dem Bericht des International Council on Clean Transportation (ICCT) „From Laboratory to Road“ 2017. Der Bericht enthält Daten zur durchschnittlichen Abweichung zwischen den offiziellen CO2-Angaben der Autohersteller und den CO2-Emissionen unter realen Fahrbedingungen.
In der Dienstwagenumfrage enttarnt sich der angeblich klimafreundliche Plug-In-Hybrid als die Antriebsart mit der höchsten Abweichung zwischen offiziellem und realem CO2-Ausstoß. Hauptursache der Täuschung ist die Formel, die der Ermittlung der offiziellen CO2- und Verbrauchsangaben zugrunde liegt. Hierbei wird der Prüfzyklus einmal mit voller und einmal mit leerer Batterie durchgeführt. Die resultierenden Verbrauchswerte des Verbrennungs- und Elektromotors werden anschließend mit der offiziellen elektrischen Reichweite gewichtet und zu einer gemischten Verbrauchsangabe zusammengefasst. Bei Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen legt die DUH den realen CO2-Ausstoß bei leerer Batterie zugrunde, da diese Fahrzeuge im Alltag mit dem konventionellen Verbrennungsmotor als Hauptantriebsquelle gefahren werden.
Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben ein. Die Kampagne „Get Real: Für ehrliche Spritangaben!“ wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert.
Quelle: Deutsche Umwelthilfe – Pressemitteilung vom 09.12.2019