In der Elektroauto-Szene der größte Aufreger der vergangenen Wochen war die Ankündigung des Schnellladenetzwerkes Ionity, den Preis pro Kilowattstunde für einen Teil der Kunden auf 79 Cent anzuheben. Und zwar nur für Ad-hoc-Lader, E-Auto-Fahrer, die als Direktkunde spontan Zwischenladen wollen ohne einen Vertrag mit einem der Mobilitätsdienstleister von Ionity geschlossen zu haben. Kritisiert wird auch, dass das neue Preismodell — auf Kosten der Steuerzahler — die Automarken seiner Gesellschafter BMW, Ford, Daimler, der Volkswagen-Konzern mit Audi und Porsche und Hyundai-Kia bevorzugt und somit z.B. Fahrer von Teslas mit ihren traditionell großen Akkus teuer zur Kasse bittet. In einem Interview mit Emobly verteidigt Michael Hajesch, Chef von Ionity, die neue Preisstruktur.
Wobei Hajesch zunächst anmerkt, auch „Verständnis“ für die Maßnahme bekommen zu haben. Zudem sei „einiges nicht ausreichend klar kommuniziert und auch verstanden“ worden. Viele meinten etwa, dass Ionity generell den Preis für alle Nutzer auf 79 Cent je Kilowattstunde anhebt, was de facto nicht der Fall ist. Deshalb wolle das Unternehmen das Produkt Ionity nun besser erklären.
Hajesch stellte zum Beispiel klar, dass nicht Ionity das Endkundenangebot aufstelle, sondern die jeweiligen Mobility Service Provider der entsprechenden Hersteller, welche ihrerseits individuelle Konditionen mit Ionity ausgehandelt haben. Demnach wäre es sogar möglich, dass Tesla seine Kunden zu ähnlichen Konditionen bei Ionity laden lassen könnte. Ionity sei „für alle MSPs gesprächsbereit“ und freue sich „wenn sie auf uns zukommen“, so Hajesch. Bei den Preisen komme es immer auf Stückzahlen, Volumen und die individuellen Anforderungen der MSPs an, so der Ionity-Chef weiter. Außerdem gebe es „unterschiedliche Kundengruppen“. Ein Vielfahrer, der oft Langstrecke fährt, könne Ionity zu besseren Konditionen nutzen als jemand, der nur drei oder vier mal im Jahr bei Ionity lädt.
Auf mehrmaliges Nachhaken von Emobly, ob Ionity mit der neuen Preisstruktur tatsächlich vor allem Tesla-Fahrer abschrecken möchte, welche — wie man zwischen den Zeilen erfährt — in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig bei Ionity geladen haben, reagiert Hajesch stets ausweichend. Er könne zwar „nachvollziehen, dass aufgrund der einseitigen Berichterstattung über die 79 Cent da einige ein bisschen überrascht waren. Aber zu sagen, das hat ein Geschmäckle, das kann ich nicht nachvollziehen“, so der Ionity-Chef.
Eine versteckte Wettbewerbsverzerrung mit der Benachteiligung einer großen Zahl an E-Auto-Fahrern, gefördert durch Steuergelder, sieht Hajesch bei der neuen Preisstruktur, die dazu führt, dass manche Kunden mehr als doppelt so viel zahlen wie andere, „überhaupt nicht“. Man müsse auch die vielen Vorteile, welche Ionity bringe, im Blick behalten. Zum Beispiel gebe es pro Standort mindestens vier bis sechs Ladepunkte, mit bis zu 350 kW Ladeleistung. Es fließen 100 Prozent Ökostrom, die Hotline sei 24/7 in sieben Sprachen erreichbar. „Ich glaube, dieses Leistungsangbot ist untergegangen in der Berichterstattung weil sich alles um den Preis von 79 Cent pro kWh gedreht hat“, so Hajesch.
Quelle: Emobly — Ionity-Chef: Wir wollen niemanden ausgrenzen