China: Verhängnisvolle Abhängigkeit deutscher Hersteller

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Wolfgang Gomoll
Wolfgang Gomoll
  —  Lesedauer 5 min

Die Shanghai Motor Show hat es eindrucksvoll gezeigt: Die chinesischen Autobauer sind auf dem Vormarsch und der hiesige Markt immer umkämpfter. Harte Zeiten für Mercedes, VW, BMW & Co. brechen an.

Beim Schlendern über die Shanghai Motor Show fallen einem einige Sachen auf. Zunächst einmal der Grad der Professionalität, den die chinesischen Hersteller beim Auftritt auf ihrem Heimspiel hinlegen. Dann die Tatsache, dass sich manche einheimische Autobauer nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre Botschaft ins Englische zu übersetzen. Von China für die Welt trifft nicht für alle zu. Offenbar setzt sich bei einigen die Ansicht durch, dass rund 1,4 Milliarden Einwohner mehr als genug Kunden sind. Das Reich der Mitte agiert als Markt zunehmend autark und kapselt sich von den Trends der anderen Regionen ab.

China denkt (E-)Autos anders

Das merkt man auch an dem Modellangebot. Mächtige SUVs und staatstragende Limousinen sind nach wie vor gefragt. Aber groß im Kommen sind auch Vans. Also jene Familienkutschen, die bei uns schon länger auf dem Abstellgleis stehen sind und durch SUVs ersetzt werden. Nicht so in China. Dort ist viel Platz für die Familie groß im Kommen. Die Konsequenz und die Kundenorientiertheit, mit der die chinesischen Autobauer sich an den Wünschen ihrer Kunden orientieren, ist bemerkenswert. Ein Beispiel dafür ist der ArcFox Kaola, ein rollendes Kinderzimmer, das sogar erkennt, wenn das Baby pupst und die Gerüche einsaugt.

Deutsche Hersteller hoffen auf Absatzaufschwung

Und die deutschen Hersteller? Die hoffen auf ein Ansteigen der Auslieferungen in der Post-Corona-Zeit. Im Jahr 2022 wurden in China 23,6 Millionen Pkw verkauft, ein Anstieg um 9,5 Prozent. Allerdings ist die Sogwirkung bislang noch nicht im gewünschten Maße eingetreten. Eher im Gegenteil, VW brachte 2022 rund 2,4 Millionen Fahrzeuge an den Mann, was einen Rückgang von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet – angesichts des starken Anstiegs des Marktes ein Schlag ins Gesicht.

Bewährte Mechanismen funktionieren offenbar nicht länger. Premium ist kein Selbstläufer mehr. BMW musste 2022 einen Umsatzrückgang 6,4 Prozent hinnehmen, bei Audi waren es sogar zwei Prozent mehr. Lediglich Mercedes hielt sich mit einem Minus von einem Prozent einigermaßen über Wasser.

Alarmierend ist, dass dies keine Momentaufnahme ist. Laut einer Studie des „Center of Automotive Management“ (CAM) steigert der chinesische Autobauer BYD im ersten Quartal seine Verkäufe um 90 Prozent auf 552.076 Fahrzeuge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während die deutschen Hersteller im Minus liegen. Die Elektromobilität ist in China auf dem Vormarsch, da es aktuell günstiger ist, ein Auto mit Strom zu laden, als es mit Benzin zu füllen. Dazu kommen die Zufahrtsbeschränkungen in einigen Innenstädten.

Chinesische Hersteller als Gewinner am Weltmarkt

Doch die großen Gewinner bei den New Energy Vehicle (NEVs) sind chinesische Hersteller wie GAC Aion, BYD, NIO, Xpeng und Li Auto. Laut der Münchner Unternehmensberatung Berylls haben die chinesischen Autobauer 80 Prozent der NEVs verkauft, während der Anteil beim Gesamtmarkt nur bei 50 Prozent liegt. Das bedeutet, dass die ausländischen Marken inklusive der Deutschen bei den Modellen mit Verbrennungsmotor nach wie vor stark sind. Eine Antriebsart, die auch in China nicht mehr ewig für Umsätze sorgen wird.

Ein Teil der Probleme ist hausgemacht. Die chinesischen Automobilhersteller bieten beim Infotainment eine ebenbürtige, wenn nicht bessere Nutzer-Erfahrung als die deutschen OEMs und hinken bei anderen Kerndisziplinen des Autofahrens wie dem Handling nicht mehr so weit hinterher. Zumal sie die gleichen Komponenten verbauen wie die Mercedes, VW, Audi & Co, nur beim Abstimmen hapert es noch. Beim stark ausgeprägten Nationalstolz der Chinesen greifen diese immer mehr zu inländischen Produkten, eben weil sie sich dort wiederfinden und die ganze Handhabung an ihre Gewohnheiten angepasst ist. Die deutschen Autobauer versuchen mit viel Elan hier nachzubessern, Mercedes‘ Hyperscreen etwa ist schon eine Ansage, doch Teufel steckt oft im Detail.

Preissenkungen wirken nur bedingt; auch bei Tesla

Immerhin hat BMW im ersten Quartal des Jahres 2023 rund 19.800 Elektroautos verkauft und damit den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der chinesische Markt hart umkämpft ist. Tesla hat bereits die Preisspirale nach unten gedreht, die anderen müssen wohl oder übel nachziehen. Eine Rabattschlacht ist das, was die deutschen OEMs in diesem Augenblick am wenigsten gebrauchen können. Schließlich sind sie noch dabei, die gesprengten Lieferketten zu reparieren, und wenn dann noch die Preise nachgeben, schrumpft die Marge.

Allerdings offenbart sich auf diesem Gebiet eine Chance für die deutschen Autobauer, da chinesische OEMs wie Nio bei den Preisen ins Premiumsegment vorstoßen. Schließlich wollen und müssen die Chinesen auch Geld verdienen, um die immensen Investitionen, die die Transformation zur Elektromobilität verschlungen hat, wieder reinzuholen. Eine andere Wahl, wie den Fehdehandschuh aufzunehmen, bleibt den deutschen Autobauern nicht. Zu groß ist die Abhängigkeit vom größten Automarkt der Welt.

Marktbedeutung von China für die deutschen Automobilhersteller erreicht Rekordhoch

Eine aktuelle Auswertung des CAM unterstreicht den ansteigenden Anteil der Chinaverkäufe zum Gesamtabsatz im Jahr 2022: Bei Volkswagen waren es 40 Prozent, bei Mercedes-Benz 36,8 Prozent und bei BMW 33 Prozent, deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Auch Tesla verkauft mehr als ein Drittel seiner Produktion in dem riesigen asiatischen Land und wird alles dafür tun, seine Marktanteile zu verteidigen. Was es für die anderen nicht leichter macht.

„Die Marktbedeutung von China für die deutschen Automobilhersteller erreicht derzeit ein Rekordhoch. Aufgrund der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der hohen Wettbewerbsintensität von chinesischen Unternehmen steigt damit das Verwundbarkeitsrisiko erheblich. Die deutsche Automobilindustrie sollte perspektivisch ihre technologische und marktbedingte Abhängigkeit reduzieren und auf eine stärkere strategische Ausbalancierung der globalen Absatzmärkte zielen. Gleichzeitig bestätigt sich immer mehr, dass chinesische Unternehmen in den Zukunftsfeldern der Branche rund um Elektromobilität, Vernetzung und autonomes Fahren zu den Hauptwettbewerbern zählen werden. Die Innovationsstärke wird für die deutsche Automobilindustrie zu einer Überlebensbedingung in Zeiten der Transformation“, wählt Professor Stefan Bratzel deutliche Worte. Die Konsequenz ist klar: Gegensteuern und nicht alles auf die Karte China setzen. Genau das hat BMW-Chef Oliver Zipse vor. Nur ist die Frage, ob es dafür nicht zu spät ist.

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Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll

Wolfgang Gomoll beschäftigt sich mit dem Thema Elektromobilität und Elektroautos und verfasst für press:inform spannende Einblicke aus der E-Szene. Auf Elektroauto-News.net teilt er diese mit uns. Teils exklusiv!

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Robert:

Hä was haben sie denn für ein Demokratieverständnis???????
Und dann noch sogenannte „Freihandelsabkommen“ wo dann die Staaten gezwungen sind zu tun was eine Handvoll Großkkonzerne wollen da ansonsten diese Staaten mit Milliarden Schadenersatzforderungen überzogen werden und die Bürger das alles bezahlen müssen

Herwig:

„…vielmehr das man immer noch auf der Bremse steht und sich weigert das Bremspedal loszulassen.
Und dann gibt es noch eine Kleinpartei, die mit aller Gewalt in die falsche Richtung lenkt…
Aber irgendwann werden ihre Anhänger schon merken, dass das Gerede vom „Champagner“ der Kraftstoffe für e-Fuels tatsächlich stimmt – wenn der Literpreis gleich ist wie beim Champagner!!
Und wer sich das dann nicht leisten kann, mag sich damit trösten:
Verbrenner werden zukünftig sowieso in keine Stadt mehr fahren dürfen, denn Abgase und Lärm produzieren sie auch mit e-Fuel.

Matthias Geiger:

Die Zeit der Entscheidungen ist bzw. wird kommen. Die Schaukelpolitik zwischen China/Russland einerseits und der USA andererseits wird so nicht weitergehen. Die deutsche Industrie hat jahrelang von beiden Lagern profitiert ohne nennenswert dafür etwas zu tun. Die eigene Sicherheit hat man der USA überlassen und sich geschickt hinter Europa versteckt. Wir müssen dringend Freihandelsabkommen mit den demokratischen Staaten abschliessen und China/Russland dafür zahlen lassen.
China muss gezwungen werden 30 % tiefer anzubieten um auf den Markt zukommen.
Nur so werden die einheimischen Modelle letztendlich auch günstiger und E-Mobilität bezahlbar.

Norbert Seebach:

Die erfolgeverwöhnten deutschen Hersteller zehren noch immer von ihrer unübertroffenen Arroganz, die aus der Weltmarkt -Führungsrolle bei der Perfektionierung des Verbrenners herrührt. Dieses Antriebskonzept ist nun dabei, in kürzester Zeit wertlos zu werden – das haben die Chinesen sehr früh erkannt und mit ihnen der entwickelte Teil der Welt. In D dagegen wurde diese Entwicklung lange komplett verschlafen bzw. mit gewaltigem Propagandaaufwand der Verbrenner-Lobby und E-Auto-Gegner zu drehen versucht. Während andere europäische Länder sich mittlerweile in einer verzweifelten Aufholjagd mit asiatischen Herstellern befinden und sämtliche Ressourcen darauf verwenden, mit alltagstauglichen und gleichwohl bezahlbaren E-Modellen einen Massenmarkt zu bedienen, gelten in D Autos unter 40k € als „Billigheimer“. Lieber bedient man eine Kundschaft, die 80k€ und mehr zu berappen bereit ist. Gleichzeitig hat es eine größenmäßig vernachlässigbare, rückwärtsgewandte Fortschrittsverhinderungs- Lobby, die in D leider in der Regierung vertreten ist, mit der blödsinnigen E-Fuels-Debatte geschafft, uns in der gesamten EU lächerlich und unglaubwürdig dastehen zu lassen. Der mehr als mäßige „Erfolg“ deutscher E-Modelle in China zeigt, dass VW und andere dort inzwischen abgehängt sind. Dies ist wohl vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Softwarefunktionen der Fahrzeuge die Erwartungen der IT-affinen asiatischen Käuferschaft nicht annähernd zu erfüllen vermögen. Das einzig herausragende Feature deutscher E’Modelle ist vermutlich der (überzogene) Preis. Ob ein mit Milliardenaufwand eigens in China errichtetes Entwicklungszentrum daran etwas ändert, halte ich für sehr fraglich. Man muss kein notorischer „Schwarzseher“ sein, um zu erkennen, dass in der aktuellen geopolitischen Situation angesichts des brutal-aggressiven imperialistischen Machtstrebens der menschenverachtenden chinesischen Diktatur den rechtlosen Massen eingebläut wird „chinesisch zu kaufen“, während die Welt gleichzeitig mit günstig produzierten, erschwinglichen und mehr als konkurrenzfähigen E-Modellen überschwemmt wird. Es wird höchste Zeit zu erkennen, dass das Ziel der chinesischen Regierung mitnichten Kooperation ist, sondern Unterwefung. Ich halte es daher für durchaus möglich, dass ein De-Coupling der Handelsbeziehungen zu China sich früher ereignet, als ein De-Risking im Sinne der Diversifizierung die schmerzhaften Folgen für uns abzumildern vermag. Auf keinen Fall dürfen weitere Milliarden-Investitionen deutscher Unternehmen in China mehr in Form staatlicher Bürgschaften durch den deutschen Steuerzahler abgesichert werden.

Robert:

„Das Potential ist da. Aber nur mit Vollgas in die richtige Richtung wird es auch genutzt“
genau das erkenne ich in Deutschland nicht, vielmehr das man immer noch auf der Bremse steht und sich weigert das Bremspedal loszulassen

Robert:

aich verschrieben MG nicht MB sorry

Robert:

das sehe ich auch in meinem Leasingfahrzeug MB ZS EV comfort die Materialanmutung ist um einiges besser als beim Plastik ID-3 und die vielen assistenzsysteme zwar nicht perfekt aber vorhanden und das bei disem Preis vergleichbares eines deutschen Hersteller mind. 10.000 Euro teurer

Groß:

Du hast vollkommend recht.

Roman L.:

.. nimm das, Markymark.. :-)
Super zusammengefasst, so ist es nunmal. Muss man nun anerkennen und gegensteuern. Die Zeiten des hochnäsigen Herabblicken sind vorbei.

Klaus Böhm:

China hat ab 01.07.2023 die Abgasnorm 6b. Das bricht den Verbrenner das Genick. VW verschleudert die Verbrenner. Der Citroen C6 ist schon 40% günstiger als Listenpreis. Was passiert, wenn die nach Europa exportiert werden?

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