Mut haben sie bei Omoda und Jaecoo, das muss man ihnen lassen. Gerade mal ein Jahr nach dem Start in Italien, Spanien, Polen, Großbritannien und ein paar weiteren europäischen Märkten wollen die erst 2022 gegründeten chinesischen Hersteller noch in diesem Jahr auch in Deutschland den großen Strom-Schlag wagen – im Land des unbegrenzten Fahrens. Und das trotz des überschaubaren Bekanntheitsgrades mit großen Ambitionen.
Was allerdings nicht gänzlich abwegig scheint bei zwei Unternehmen, die im Rücken den seit knapp 30 Jahren agierenden Konzern Chery mit mehr als 100.000 Mitarbeitern haben. Und unter dessen gewaltigem Dach sich neben den Marken Tiggo und Arrizo noch iCar, Exeed, Exlantix, Jetour, Luxeed, Lepas und eben auch Omoda und Jaecoo tummeln.
Frankfurt als Basis für den Europastart Cherys
Aktuell decken Vertrieb und Service des Firmenkonglomerats gut 80 Länder ab und machten Chery mit einer Ausfuhr von mehr als einer Million Fahrzeugen im vergangenen Jahr zum größten Auto-Exporteur in China. Insgesamt lag der Absatz bei gut 2,6 Millionen. Mit der Gründung der Omoda/Jaecoo Deutschland GmbH hat der Konzern nun offiziell den wichtigsten Schritt seiner Europa-Expansion gesetzt.
Die Gesellschaft mit Sitz in Frankfurt übernimmt die Organisation beider Marken: von Vertrieb und Marketing bis zum Kundendienst. Und mit Omoda/Jaecoo Deutschland versucht sich keinesfalls das soundsovielte Start-up am Markteintritt, sondern womöglich die Vorhut eines Branchen-Riesen. Und die könnte mit ihrer Palette aus Elektro- und Hybrid-Modellen ohne Premium-Anspruch die aktuelle Käuferstimmung hierzulande durchaus treffen.

Punkten wollen sowohl Omoda wie Jaecoo mit moderner Technologie, automatisiertem Fahren, vernünftigen Preisen und einem klassischen Vertrieb ohne Direktkauf per Internet. „Autokauf ist eine Frage des Vertrauens“, sagt Deutschland-Chef Xin Wu beim Chery International User Summit im chinesischen Wuhu. Testen und erleben, das gehe am besten vor Ort: mit einem Netz von Händlern.
An dem wird derzeit kräftig geknüpft. Allerdings darf man bei rund 45 Standorten zum Auftakt im Dezember durchaus von groben Maschen sprechen. Immerhin: Trotz Schwerpunkten im Ruhrgebiet sei das Geflecht einigermaßen gleichmäßig über die Republik gespannt, lässt der dafür zuständige Manager Benjamin Hopkins durchblicken. Und auch, dass sich die Zahl der Niederlassungen bis 2027 in etwa vervierfachen soll.

Omoda und Jaecoo werden dabei trotz unterschiedlicher Ausrichtung gemeinsam auftreten – stets mit eigenem Auftritt und erkennbarer Trennung von möglichen anderen Marken sowie immer auch mit angeschlossener Werkstatt. Nur glitzernde Showrooms an ein paar wenigen Highlight-Standorten sollen es eben gerade nicht sein.
Ersatzteile, Service und sieben Jahre Garantie von Omoda und Jaecoo
Auch auf dem für Neulinge eher schwierigen Terrain der Ersatzteilversorgung wollen sich die Chery-Töchter stark aufstellen, noch bevor das erste Auto überhaupt verkauft wird. Mit einem großen Zentrallager in Rheinland-Pfalz, der Zusammenarbeit mit dem Logistiker Kühne+Nagel und dem Versprechen, schon ab dem ersten Tag 95 Prozent aller Teile binnen 24 Stunden beim Händler zu haben. Falls nicht, soll der Kunde gratis einen Ersatzwagen bekommen. Und wer bei China und Qualität trotzdem Bedenken trägt: Omoda und Jaecoo gewähren sieben Jahre Garantie (maximal 150.000 Kilometer) auf das Auto und acht Jahre (160.000 Kilometer auf die Batterie). Für den Fall der Panne unterwegs gibt es eine Kooperation mit dem Versicherer Allianz.

Bei den Modellen für ihr hiesiges Abenteuer haben sie sich in Wuhu optisch wie technisch nicht lumpen lassen und schick was auf die Federbeine gestellt. Zum Marktstart steht zwar der Jaecoo 7 Plug-in-Hybrid im Mittelpunkt, aber mit dem Omoda 5 und dem Jaecoo 5 haben die Chinesen auch zwei klassische E-Autos im Programm. Beide um die 4,40 Meter lang – und mit LFP-Akkus von 60 kWh, 155 kW Leistung und Reichweiten zwischen 400 und 430 Kilometern auch technisch einigermaßen verwandt.
Der Unterschied wird eher in der Positionierung deutlich. So richtet sich die Marke Omoda eher an Käufer zwischen 25 und 35 Jahren, die sich für Technik und Lifestyle gleichermaßen erwärmen können. Jaecoo hingegen will über Offroad-Design eine gesetztere Zielgruppe ansprechen, die Wert auf Komfort, Sicherheit und dazu einen Hauch Abenteuer legt. Mit dieser Doppelstrategie sollen möglichst breite Käuferschichten angesprochen werden, ohne sich untereinander Konkurrenz zu machen. Und ja, man wolle von Cherys technologischer Stärke und globaler Reichweite profitieren, hört man von Hopkins, sich aber eben als eigenständige Marke positionieren.
Weitere Chery-Marken im Gespräch für Europastart
Ob noch andere Chery-Marken Europa und speziell Deutschland in den Blick nehmen, gleicht derzeit einem Blick in die Glaskugel. Als mögliche Anwärter gelten iCar mit einem kantigen Elektro-Geländewagen zwischen Suzuki Jimny und Land Rover Defender sowie Luxeed mit der E-Limousine S7 und dem Crossover R7, den es neben der reinen Akku-Variante auch mit Range-Extender gibt. Bestätigen will derlei Spekulationen im Chery-Umfeld niemand, dementieren indes auch nicht.

Bleiben gesichert Omoda und Jaecoo. Gebaut werden sämtliche Modelle vorrangig in Wuhu, aber auch an anderen chinesischen Standorten. In modernen Werken, die an die 1000 Fahrzeuge pro Tag ausstoßen können. Lediglich die Batterien kommen nicht aus dem eigenen Haus. Besser gesagt: noch nicht. Bis Ende nächsten Jahres, heißt es, soll auch die Produktion von Akkus anlaufen. Bei den Auto-Preisen für Deutschland spricht Omoda/Jaecoo von „branchenüblich“ und hält sich damit ebenso bedeckt wie in Sachen Ausstattung. Man darf aber wohl von deutlich unter 40.000 Euro für die jeweiligen vollelektrischen Basisversionen ausgehen.
Dass sie sich nicht auf den größten, ganz sicher aber schwierigsten Automarkt der Welt einlassen, ist den Chinesen durchaus klar. Schließlich setzt Deutschland noch immer Maßstäbe in Sachen Kundenerwartungen, Qualitätsstandards und Technologie. Markenbekanntheit, Produktqualität, Servicekompetenz und Compliance haben einen gewaltigen Stellenwert. Die ersten Jahre, das weiß Hopkins nur zu gut, wartet vor allem die Herausforderung, die Marke irgendwie bekannt zu machen. Was schon angesichts der Namen nicht leicht fallen dürfte. Omoda, so heißt es, setzt sich zusammen aus „O“ für Sauerstoff und „Moda“ für modern, bei Jaecoo verschmelzen der deutsche „Jäger“ und das englische „Cool“ zu einem Mix aus Erkundung und urbanem Stil. Läuft alles nach Plan, soll bis 2030 die Position im Markt gesichert sein. Vergleichbares indes haben sich andere auch schon vorgenommen – und nicht alle mit Erfolg.
E-Modelle seien abgestimmt auf deutsche Ansprüche
Immerhin: Wie Omoda/Jaecoo verlauten lässt, sind diverse Zertifizierungen bereits abgeschlossen, darunter die EU-Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung (WVTA), der Sicherheitstest im Rahmen von Euro NCAP sowie Prüfungen durch den TÜV Rheinland. Zudem hätten Ingenieure im Entwicklungszentrum Raunheim bei Frankfurt das Fahrwerk auf deutsche Ansprüche abgestimmt.
Schlecht stehen die Chancen also nicht für diejenigen, die Omoda und Jaecoo ins Portfolio nehmen wollen. Die künftigen Händler seien bunt gemischt, lässt Hopkins durchblicken. Von kleineren Mehr-Marken-Unternehmen über „Local Heroes“ bis hin zu großen Autohäusern, die sich in Folge ständig wachsenden Drucks ihrer bisherigen Hersteller nicht selten abwenden. Kein Wort indes erfährt man zu möglichen Verkaufszahlen. Nur, dass das Augenmerk aller Beteiligten auf Privatkunden liege. Ob und wie auch Flotten bedient werden, heißt es, bleibe den einzelnen Händlern überlassen. Viel entscheidender für den Absatz dürfte indes sein, wie es mit der E-Mobilität in Deutschland überhaupt weitergeht.